Gerichtsakten
ORF.at/Zita Klimek
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Gericht

Defekte Spiralen: Prozess in Fürstenfeld angelaufen

Am Bezirksgericht in Fürstenfeld hat am Dienstag ein erster Prozess gegen einen Hersteller von Verhütungsspiralen begonnen. Mehreren Frauen in ganz Österreich sollen defekte Spiralen des spanischen Unternehmens eingesetzt worden sein.

750 Frauen in ganz Österreich haben sich einer Sammelklage des österreichischen Verbraucherschutzvereins (VSV) angeschlossen, davon laut Verein hundert aus der Steiermark – mehr dazu in Defekte Spiralen: Erster Prozess in Fürstenfeld (12.6.2021).

Komplikationen aufgrund von Materialfehlern

Bei den Spiralen des spanischen Herstellers Eurogine kam es in den vergangenen Jahren zu Brüchen, so Peter Kolba vom VSV. Der Vorwurf lautet, „dass bei einer Reihe von Produkten Materialfehler vorliegen, die zum Bruch der Seitenarme der Spirale führen und diese Seitenarme in der Folge Probleme schaffen, indem sie nicht mit der Spirale entnommen werden können und in der Gebärmutter verbleiben“. Die Bruchstücke mussten laut Kolba bei einigen Frauen operativ entfernt werden, „es kann auch sein, dass es durch diesen Materialfehler zu unerwünschten Schwangerschaften kommt“.

Hersteller soll nicht ausreichend gewarnt haben

Konkret bringen die Kläger vor, dass Eurogine ab Februar 2018 von Defekten wusste, aber die Frauen nicht ausreichend davor gewarnt haben soll. „Hätte die beklagte Partei schon im Frühjahr 2018 die Gynäkologen, die Anwenderinnen und die Öffentlichkeit informiert, so hätten zahlreiche Schäden vermieden werden können: Selbst nach dem Frühjahr 2018 wurden weiter Spiralen der betroffenen Charge bei unwissenden Anwenderinnen von unwissenden Ärzten eingelegt. Damit hat die beklagte Partei selbst verschuldet, dass sich der (potenzielle) Geschädigtenkreis wesentlich erhöhte“, begründen die Kläger.

Rückrufe durch Veröffentlichungen etwa in Zeitungen oder als „Rote-Hand-Briefe“ seien notwendig gewesen. Das Unternehmen habe jedoch nicht alles unternommen, um Anwenderinnen zu schützen – im Gegenteil: Eurogine habe sich der Verantwortung entziehen wollen, so der Vorwurf. Die Firma dagegen wies bisher die Schuld von sich und ist der Meinung, dass die Distributoren der Spiralen sowie die nationalen Behörden, die sehr wohl informiert worden seien, die Ärzte und Anwenderinnen hätten warnen sollen; Eurogine seien weder die Ärzte, die das Produkt eingesetzt haben, noch die betroffenen Frauen bekannt gewesen.

Bei dem Fall, der in Fürstenfeld verhandelt wird, forderte Eurogine zudem einen Nachweis, dass die Frau überhaupt eines ihrer Produkte verwendet ha,t und aus welcher Charge dieses gewesen sein soll – es sei weder die vermeintlich fehlerhafte Spirale noch eine Chargennummer übermittelt worden.

Oststeirerin verlangt Schadenersatz

Am ersten Verhandlungstag hieß es, dass die Patientin – sie fordert Schadenersatz –, ihr Frauenarzt sowie ein Vertreter des geklagten Unternehmens beim zweiten Prozesstag im September befragt werden; außerdem wird ein Sachverständiger bestellt, dessen Gutachten im September wohl aber noch nicht vorliegen werde, zudem will das Gericht einen Gynäkologen aus Tirol per Videokonferenz zuschalten.

Musterprozess für Sammelklage

Neben den Klagen gegen den Hersteller muss sich auch die Republik Österreich auf dem Wege einer Amtshaftungsklage verantworten: Die Bundesagentur für Sicherheit im Gesundheitswesen (BASG) habe nämlich fast zwei Jahre gebraucht, bis sie – nach Verständigung durch den Hersteller im Jahr 2018 – erst im Herbst 2020 erstmals auf ihrer Website vor den Materialfehlern gewarnt hätten – zuvor hielt man laut VSV Rückrufe des Herstellers selbst für ausreichend.

Auch bei der steirischen PatientInnen- und Pflegeombudschaft gingen Anfragen ein, bestätigte deren Leiterin Michaela Wlattnig. Laut ihren Angaben habe das Bundesamt Informationen an Frauenärzte herausgegeben, dass es hier Probleme gebe und sie ihre Patientinnen zur Kontrolle einberufen sollen. Generell sei das Thema rechtlich sehr komplex, so die steirische Patientenanwältin, es gehe einerseits um die Produkthaftung und andererseits um einen möglichen Schadenersatz. Der steirische Fall ist eine Einzelklage und gilt als Musterprozess für eine österreichweite Sammelklage durch den Verbraucherschutzverein.