Wirtschaft

Graz nun Teil der „Neuen Seidenstraße“

Das Cargo-Center Graz bei Werndorf ist seit Montag Teil der „Neuen Seidenstraße“: Über neue Verbindungen will China hier Warenaustausch mit Europa betreiben. Am Montag kam der erste „Chinazug“ an.

Durch die CoV-Krise bedingte Preisrekorde und Kapazitätsengpässe bei der Containerschifffahrt zwischen China und Europa haben der „Seidenstraßen“-Bahn einen regelrechten Boom beschert. Von China bisher hoch subventionierte Güterzüge, die in der Vergangenheit auch nahezu leer ihren Weg Richtung Europa zurücklegten, sind inzwischen fast ebenso ausgebucht wie der Transport auf Schiffen.

Nun ist auch Graz Teil dieser „Neuen Seidenstraße“: Der Zug, der am Montag im Cargo-Center Graz bei Werndorf ankam, brachte rund 40 sehr bunte Container, die auf 20 Waggons standen; auf mehr als 500 Metern Länge war er beladen mit einer Fülle an Waren aus China.

Zug aus China
ORF

„Aus China kommt alles, was man sich denken kann, jede Ware, die große Supermarktketten aus China bekommen“, so Thomas Kargl von den ÖBB: Dazu gehöre von Porzellan bis zu Lebensmitteln alles dazu. Auf dem umgekehrten Weg sei es „ein wenig rarer“, so Kargl, „vorwiegend Automotive, aber auch consumer goods und Luxuswaren – denn in China steigt der Bedarf hier sehr stark.“

Willkommene Nische

Die „Neue Seidenstraße“ sei somit auch für Graz eine willkommene Nische, so Kargl: „Früher war das Schiff, dann kam das Flugzeug, dazwischen gab es bisher nichts. Jetzt kommt der Zug dazu.“ Um das zu transportieren, was der Zug am Montag auf der Schiene gebracht hat, brauchte man sonst 40 Lkws.

Mehr Direktzüge auch aus Österreich

Die österreichische Rail Cargo Group (RCG) ist seit 2017 auf allen Routen der „Seidenstraße“ aktiv. Eine zukünftige regelmäßige Direktverbindung sei durchaus realistisch – der Trend zeige weiter nach oben, sagte Oliver Wagner, Geschäftsführer beim Zentralverband für Logistik und Spedition, gegenüber ORF.at.

Peking ist der Ausbau des Zugsverkehrs nach Europa im Rahmen der „Neue-Seidenstraße-Initiative“ (Belt and Road Initiative) als strategische Alternative schon seit Jahren ein Anliegen. Zum einen wurde der Transport über die Schiene subventioniert, zum anderen investierte China viel in den Ausbau eines modernen Hochgeschwindigkeitsnetzes und der Infrastruktur. Zuletzt kamen neue Routen etwa von Chengdu nach Rotterdam und von Xian nach Neuss in Deutschland dazu. Wurden anfangs über die Bahn vor allem Elektronikartikel aus China nach Europa gebracht, sind es inzwischen mehr als 200 Produktgruppen.

Die „neue Seidenstraße“
Grafik: Map Resources/ORF.at; Quelle: ÖBB RCG

Der Gütertransport wurde in den vergangenen Jahren von China mit etwa 40 Prozent subventioniert. Bis 2022 war ein Ende der finanziellen Unterstützung für Gütertransporte auf Schiene geplant, und dieser Plan könnte aufgehen, so Andreas Breinbauer, Rektor der FH des BFI Wien und Leiter der Studiengänge „Logistik und Transportmanagement“ gegenüber ORF.at, denn mit der steigenden Nachfrage sei auch der Güterschienentransport lukrativer geworden – mehr dazu in Pandemie gibt „Seidenstraße“ neuen Schub (news.ORF.at, 13.2.2021).

Ein Schiff, 300 Züge

Wie die Containerschifffahrt kämpft auch der Güterverkehr auf Schiene derzeit vor allem mit einer extremen Unpaarigkeit – es fehlen in China Container, die sich in Europa häufen. China will daher künftig nur noch Hin- und Rückfahrten mit dem Zug subventionieren und den Fokus auf hochwertige Güter und Kühltransporte legen; auch bei den Trassen gebe es aufgrund der großen Nachfrage derzeit Engpässe, so die RCG.

Nicht mithalten kann die Bahn beim Transportvolumen: Ein Zug schafft je nach Gewicht eine Kapazität von bis zu 82 20-Fuß-Containern (TEU), so Logistikexperte Breinbauer. Containerschiffe haben inzwischen ein Fassungsvolumen von mehr als 23.000 TEU – so viel, wie in fast 300 Güterzüge passt.

Bahn punktet mit Zeit

Schiffe sind aber bei der zeitlichen Komponente im Nachteil: Bis Waren per Schiff aus China in Europa ihren Bestimmungsort erreichen, dauert es inzwischen rund 40 Tage, so Breinbauer. Das habe sich in den vergangenen zehn Jahren aufgrund häufiger Stopps sogar noch verlängert. Per Bahn erreichen die Waren im Schnitt nach ihrer mindestens 9.000 Kilometer langen Reise sogar bereits nach 14 Tagen ihr Ziel.

Noch schneller geht es nur per Flugzeug, aber auch hier sind die Kapazitäten CoV-bedingt stark ausgedünnt und die Preise exorbitant gestiegen – diese Lücke füllt die Bahn. Zudem eignet sich die Luftfracht nicht für jedes Produkt.

Experte: EU unterschätzte „Neue Seidenstraße“

Seit 2013 werden Projekte im Rahmen der „Neue-Seidenstraße-Initiative“ gebündelt – insbesondere was Infrastruktur und Handelsrouten betrifft. Der Name knüpft an die alte Seidenstraße an, die China mit dem Westen verbunden hatte. Immer wieder gab und gibt es Vorwürfe mangelnder Transparenz vonseiten Chinas und fehlender Offenheit.

„China verfolgt bei der Seidenstraße seine eigenen Interessen“, ist Wagner überzeugt. Aber die Initiative sei ein großes Thema auch für Europa, wenn es seine eigene Position finde. Die EU habe die Dimension der „Neuen Seidenstraße“ bisher völlig unterschätzt, argumentierte auch Breinbauer. Das ändere sich langsam: „Als Absatzmarkt und zum Abbau von Überkapazitäten habe Europa auch keine andere Alternative.“ Entsprechend gebe es auch beim Bahnverkehr zwischen China und Europa noch mehr Potenzial.