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Wissenschaft

Studie: Filterblasen verhindern konstruktiven Diskurs

Filterblasen in Sozialen Medien würden verhindern, dass Menschen konstruktiv diskutieren, wie man globale Katastrophen in den Griff bekommt – zu diesem Ergebnis kommt ein Grazer Forscherteam in einer Studie am Beispiel des Klimawandels.

Ein Team um Astrid de Wijn von der Universität Stockholm und Andrew Ringsmuth vom Wegener Center für Klima und Globalen Wandel der Universität Graz und vom Complexity Science Hub (CSH) Wien untersuchte mit einem mathematischen Modell, wie solche Filterblasen entstehen, wirken und wie man man gegen sie vorgehen könnte – diese Studie ist im Fachjournal „Scientific Reports“ erschienen.

Wirkung anhand des Klimawandels erklärt

Die Filterblasen werden durch Algorithmen gestärkt, die den Leuten mehr Werbung zeigen sollen. Bei globalen Problemen wie dem Klimawandel gibt es demnach in der sozialen Dynamik zwei Stadien, erklärt Ringsmuth: „Zunächst polarisiert sich die Gesellschaft rasch in zwei Gruppen von Menschen: Jene, die mit den nötigen Maßnahmen einverstanden sind und kooperieren, und jene, die sich den Veränderungen widersetzen“.

Dann gibt es ein lange andauerndes „Seilziehen“ zwischen ihnen – Anstrengungen der einen Gruppe bewirken dabei nur steigenden Widerstand der anderen. Die Mitglieder der beiden Gruppen mit jeweils recht einförmigen Ansichten bestärken sich gegenseitig in ihrer Meinung: Sie teilen selektiv Informationen untereinander aus, die zu ihrem Weltbild passen und blenden gegenteilige Argumente und Fakten großzügig aus.

„Soziale Netzwerke sprechen primitive Instinkte an“

Einen Gewinner könne es eigentlich nur geben, wenn sich eine der Gruppen größtenteils auflöst bzw. können Filterblasen nur durch konstruktive Diskussion an den Rändern angegriffen werden, erklären die Forscher.

„Wir glauben, dass hier die sozialen Mediennetzwerke eine entscheidende Rolle spielen“, so Forscherin Astrid de Wijn: „Um uns länger zu beschäftigen und mehr Werbung zeigen zu können, verwenden sie Algorithmen, die primitive Instinkte ansprechen – sie verstärken entweder unser Zugehörigkeitsgefühl durch Inhalte, mit denen wir bereits einverstanden sind, oder empören uns mit Dingen, die wir einer konträren Gruppe zuordnen.“

Dadurch entstünden „Meinungsblasen“ von beispiellosem Ausmaß und ein aufgeheizter öffentlicher Streit, der genau das Gegenteil von dem ist, was man bräuchte: einen sachlichen Diskurs, wie man das Problem lösen könnte.

„Blasen“ sollten miteinander in Kontakt treten

Sachlichen Austausch kann es eigentlich nur an den Rändern dieser Meinungsblasen geben, so die Forscher: Demnach sollten einzelne Mitglieder der einen Blase mit exponierten Mitgliedern der anderen Blase in Kontakt treten und sie mit alternativen Ansichten konfrontieren, zum Beispiel, dass es vielleicht doch nötig sei, rasch gegen den Klimawandel anzukämpfen.

„Man muss dabei oft sehr schwierige Konversationen durchziehen, denn niemand will seine Weltansicht angegriffen wissen, und wir alle ignorieren gerne unbequeme Evidenz“, meint Ringsmuth: „Unsere Forschung zeigt aber, dass diese Interaktionen unerlässlich sind, um den Klimawandel im nötigen Ausmaß und mit der nötigen Geschwindigkeit abzuschwächen.“

Blasen zum Platzen bringen

Die gute Nachricht aus den Modellläufen sei, dass es manchmal sehr schnell gehe, eine Blase zum Platzen zu bringen; außerdem können kleine Änderungen etwa in den sozialen und politischen Rahmenbedingungen große Auswirkungen haben, ob „das System zur kompletten Kooperation oder Ablehnung kippt“, erklären die Forscher.

Sehr hilfreich wäre es freilich, wenn aus den Filterblasen generierenden, nicht wirklich „sozialen“ Medien solche würden, die konstruktiven Austausch zwischen den einzelnen Gruppen fördern: „Diese könnten ein starker Motor für gemeinsame Anstrengungen sein“, so Ringsmuth.