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APA/Hans Klaus Techt
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Graz-Wahl

Wahlforscher: „Wahlschlaf statt Wahlkampf“

Die Grazer Gemeinderatswahl am 26. September rückt näher. Der Wahlkampf kommt allerdings nur sehr langsam in die Gänge – zumindest nach der Ansicht des Grazer Wahlforschers Heinz Wassermann: Er spricht von „Wahlschlaf statt Wahlkampf“.

Bei der Wahlauseinandersetzung in Graz „handelt es sich bisher eher um einen Wahlschlaf als einen Wahlkampf“, so Wassermann – er vermisst bisher unter anderem eine Monopolisierung eines Themas durch eine Partei.

„Alle sind für noch mehr Grün“

Bisher habe sich der Wahlkampf am ehesten in Pressekonferenzen der Parteien erschöpft. Zu spüren sei auch eine gewisse Lustlosigkeit, auch eine echte Themensetzung einer Partei sei ausgeblieben, urteilt Wassermann, der auch an der FH Joanneum unterrichtet: „Alle sind für noch mehr Grün und weniger Beton. Ja eh, aber bisher hat es kaum eine Themen-Neusetzung gegeben, bei der die anderen nachziehen mussten.“

Vielleicht tue sich am rechten und am linken Rand etwas, die „Liste Erde“ als Kärnten-Wahlexport könnte den Grünen durchaus wichtige Stimmen kosten, meint der Grazer Wahlforscher. Die Festsetzung des Wahltermins am 26. September durch Bürgermeister Siegfried Nagl (ÖVP) sei jedenfalls geschickt gewesen, abgesehen vom Zusammenfallen mit den Wahlen zum Deutschen Bundestag sowie zum oberösterreichischen Landtag.

Keine linke Mehrheit zu erwarten

Grundsätzlich sei Nagl aber neben seiner Rolle als Langzeitbürgermeister seit 2003 auch ein Getriebener seines eigenen Erfolges. Aber: „Ich sehe keine Amtsmüdigkeit bei ihm, im Gegenteil“, so Wassermann.

Grazer Rathaus, Hauptplatz
ORF.at/Roland Winkler

Bisher wurden laut Wassermann wenige Umfragen veröffentlicht, und diese sagten keine großen Abstürze voraus. Am Wochenende hatte eine Stadt-Gratiszeitung eine Umfrage – ohne nähere Angaben – publiziert, wonach die ÖVP verliere und die KPÖ zulege – eine bisweilen kolportierte „linke Mehrheit“ in Graz sehe er aber nicht, so Wassermann, „da müssten SPÖ und Grüne über sich hinauswachsen“.

ÖVP-FPÖ als wahrscheinlichste Koalition

Seiner Ansicht nach sei Nagl auch bei der Wahl als Bürgermeister unbestritten – trotz verpfuschter Projekte wie die Winterolympia-Bewerbung oder die auf Eis gelegte Plabutschgondel. Koalitionsmöglichkeiten in Graz seien wohl schwierig zu finden, abgesehen von der Variante ÖVP-FPÖ, die der blaue Spitzenkandidat Mario Eustacchio bereits wieder angeboten habe – „was durchaus clever ist“. Die einzige Variante, die Nagl bisher ausgeschlossen habe, sei eine Koalition mit der KPÖ.

Nicht ganz nachvollziehbar sei für ihn gewesen, dass die Grünen Judith Schwentner so früh als Bürgermeisterkandidatin positioniert hätten – bei zuletzt 10,51 Prozent müsste man schon 20 Prozent oder mehr erreichen, um ernsthaft diesen Anspruch stellen zu können. NEOS betreffend meint Wassermann, der 8. August sei schon etwas spät gewesen für die Kür eines Spitzenkandidaten – hier tritt Quereinsteiger Philipp Pointner an vorderster Stelle an.

Sinkende Wahlbeteiligung

14 antretende Parteien seien auch für Graz sehr viel – mehr dazu in Graz-Wahl: Erstmals 14 Listen –, 2003 im Kulturhauptstadtjahr waren es acht, 2008 zehn, 2012 schon elf, und 2017 wieder zehn. Überraschend sei für ihn das Wiederantreten der Piraten, auch wenn diese 2012 mit dem einen Mandat ein „One Hit-Wonder“ gewesen seien – mehr dazu in Piraten wollen den Wiedereinzug schaffen.

Sorge bereitet Wassermann die im Trend seit einigen Graz-Wahlen leicht sinkende Wahlbeteiligung, 2017 lag sie bei 57,39 Prozent. Er verstehe in diesem Zusammenhang ja nicht, „warum die Parteien sich nicht energischer und explizit um die rund 32.000 EU-Bürger bemühen“ – diese stellen immerhin rund ein Siebentel der Wahlberechtigten, was nicht unerheblich sei, wenn etwa manche Stadtsenatssitze nur durch 100 bis 150 Stimmen Überhang abgesichert seien.