Wissenschaft

Grazer Forscher finden Ursache für Walsterben

Hunderte Wale werden Jahr für Jahr an die weltweiten Strände angespült. Laut Grazer Umweltchemikern könnte auch die Verschmutzung der Meere mit Quecksilber zu diesem Stranden beitragen.

Erst zu Monatsbeginn waren wieder Dutzende tote Schweinswale auf niederländischen Inseln angestrandet – aus Sicht des Umweltchemikers Jörg Feldmann von der Uni Graz ist das traurige Phänomen keine Seltenheit mehr. Die Ursachen dürften vielfältig sein, Feldmann und sein Team vermuten, dass dabei auch das Nervengift Quecksilber dahinterstecken könnte.

Quecksilber-Konzentration im Meer nimmt zu

„Die Vermutung liegt nahe, dass Quecksilber eine zentrale Rolle in diesem Vorgang spielt“, führt Feldmann aus: Die Konzentration des Schwermetalls im Meer – verursacht durch das Verbrennen von Kohle und industriellen Abfall – habe sich in den letzten Jahrhunderten verdreifacht. „Je höher ein Lebewesen in der Nahrungskette steht, desto größer ist die Konzentration von Quecksilber in den Zellen der Leber und des Gehirns. Und Wale stehen ganz oben“, erklärt der Grazer Forscher.

Das internationale Forscherteam hat gestrandete und verendete Pilot- und Pottwale näher untersucht, um herauszufinden, wie stark die Meeressäuger belastet sind: Mithilfe der sogenannten NanoSIMS-Methode – einer speziellen Form der Massenspektrometrie – konnten sie die Leberzellen der mächtigen Säugetiere im 50 Nanometer-Bereich genauer unter die Lupe nehmen und Quecksilberpartikel in den Leberzellen nachweisen. Die ersten Ergebnisse der neuen Analysenmethode für Quecksilber wurden jüngst im Fachjournal „Analytical Chemistry“ online veröffentlicht.

Quecksilber bindet Selen

„Die gigantischen Meeressäuger haben eine bis zu tausendmal höhere Konzentrationen als andere Meerestiere, was aber als unbedenklich eingestuft wird“, schildert der Chemiker. Das chemische Element Selen spielt dabei eine wichtige Rolle: Dieser Stoff ist für Säugetiere ein essenzielles Spurenelement, schützt die Zellen vor oxidativem Stress und ist auch für den Hirnstoffwechsel wichtig; es bindet sich leicht mit Quecksilber und schaltet zugleich dessen toxische Wirkung aus, indem es eine Verbindung mit ihm eingeht und unlöslich wird. Auch diese Verbindungen können mit der neuen Methode gut gemessen werden.

„Schutz fürs Gehirn fehlt“

„Wir haben festgestellt, dass sich die beiden Stoffe zu neugebildeten Micro- und Nanopartikeln verbinden und zu einem Quecksilberselenid werden“, hält Feldmann fest. Weil das Selen für die Detoxifizierung von Quecksilber gebraucht wird, fehlt es allerdings als Schutz fürs Gehirn. „So könnte der Mangel bei Walen zu Krankheiten wie zum Beispiel Epilepsie führen, die eine Orientierungslosigkeit auslösen und sie deshalb stranden lassen könnte“, vermutet der Umweltchemiker.

Bei sozialen Herdentieren wie den Walen könnte sich der Mangel auch auf das Verhalten der ganzen Gruppe auswirken – das wäre eine Erklärung, warum Wale meist zu mehrt stranden. Mit weiteren Analysen nach der neuen Methode möchte Feldmann die Quecksilberablagerungen in den Organen der Wale weiter untersuchen. „Vielleicht können wir irgendwann in der Zukunft mit überlegten Maßnahmen Strandungen ganzer Walgruppen gezielt entgegenwirken und sie auch verhindern. Dazu müssen wir nur wissen, was die Gründe für die Strandungen sind“, so der Wissenschaftler.