Wissenschaft

Grazer forschen an Hautpflege mit Mikroorganismen

Ein natürlicher mikrobieller Film, das Hautmikrobiom, schützt unsere Haut vor schädlichen äußeren Einflüssen. Ein steirisches Konsortium will nun Hautpflegeprodukte entwickeln, die das Hautmikrobiom gegen krankmachende Umweltfaktoren stärken.

Bakterien, Pilze, Viren: Billionen von Mikroben leben im und auf unserem Körper und spielen eine wichtige Rolle für Gesundheit und Krankheit ihrer Träger. Wissenschaftler zeigten bereits, dass sie mit dem Immunsystem interagieren und die Entwicklung normaler Immunfunktionen unterstützen – gerät die Wohngemeinschaft auf der Haut aus dem Gleichgewicht, kann es die Haut jedoch nicht mehr ausreichend schützen und die Gesundheit negativ beeinflussen.

Natürliche bakterielle Besiedelung stärken

Im Projekt „TopBiotics“ haben sich Grazer Wissenschaftler zum Ziel gesetzt, die natürliche bakterielle Besiedelung der Haut zu stärken, damit sie gegen ungünstige bakterielle Angriffe besser gewappnet ist. Gelingen soll das mithilfe einer äußerlichen Anwendung in Form von probiotischen Cremen – darin kommen lebensfähige natürliche Bakterien zum Einsatz.

Bisher werden die meisten probiotischen Produkte oral eingenommen; die Haut probiotisch zu versorgen, sei allerdings weitaus schwieriger als etwa den Darm. Das liege daran, dass in vielen Kosmetika mit hohem Wasseranteil Konservierungsstoffe zur längeren Haltbarkeit enthalten seien, die auch die probiotischen Bakterien abtöten, wie Katrin Susanna Wallner von der Interdisziplinären Gesellschaft für Sozialtechnologie und Forschung (ISGF) in Graz erklärt.

Bakterien sollen wässrige Suspension überleben

„Unser Ziel ist es, Bakterien, welche sehr hohe Ansprüche haben, so einzuschließen, dass sie in einer wässrigen Suspension überleben können“, hält Bernd Nidetzky vom Austrian Centre of Industrial Biotechnology (acib) fest. Das Forschungszentrum bringt Know-how im Bereich Enzymologie und Bioprozesstechnik ein.

„Zur Stabilisierung haben wir ein neuartiges Verfahren erschaffen – die Art und die Kombination der Bakterien haben natürlich einen Einfluss auf die Stabilität“, führt Projektleiterin Wallner aus. An der Medizinischen Universität Graz werden erfolgversprechende Laktobazillen bereits auf ihre gewünschten Eigenschaften hin getestet: „Die Laktobazillen müssen sich einerseits gegen Krankheitserreger wie Bakterien und Pilze durchsetzen können und sollen andererseits die Hautbarriere stärken“, erläutert Beate Rinner von der Med-Uni.

Neue Techniken und neue Mikrobenstämme

Neben der Stabilisierungstechnik werden auch neue Mikrobenstämme erforscht – je nach Stamm und Stammkombination seien verschiedene Wirkungen zu erwarten, und es ergeben sich verschiedene Anwendungsfelder. Wallner sieht besonders im Bereich der Körperpflege von Babys und Kleinkindern einen Bedarf: Das Hautmikrobiom von Babys sei besonders empfindlich, da es sich erst im Aufbau befinde. So seien beispielsweise etwa zwei von drei Kindern mindestens einmal im Leben von Windeldermatitiden betroffen – hier spielen Pilz- oder Fehlbesiedelungen mit schädlichen Bakterien eine Rolle. Auch im Bereich der Neurodermitis könne Abhilfe geschafft werden, zeigt sich Wallner optimistisch.

Ziel: Serienreifes Produkt

Im Forschungskonsortium haben sich das acib mit der IGSF, der Medizinischen Universität Graz und der Kapfenberger Firma Lactosan – ein Hersteller von Produkten auf Basis lebender Milchsäurebakterien – zusammengeschlossen. Das Projekt ist laut der Projektleiterin im unteren sechsstelligen Bereich dotiert. Initiiert wurde es vom steirischen Human Technology Styria Cluster (HTS), Förderungen kommen auch vom Inkubationsprogramm aws First Inkubator und von der FFG. Das Projekt ist auf zwölf Monate angelegt. Man will ein serienreifes Produkt entwickeln und mit diesem so bald wie möglich auf den Markt gehen.