Klaus Poier, Heinz-Peter Wassermann
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Graz-Wahl

Auch Politik- und Wahlforscher überrascht

Die KPÖ auf Platz eins, deutlich vor der bisherigen Bürgermeisterpartei ÖVP: Das Ergebnis der Grazer Gemeinderatswahl kam auch für die Politik- und Wahlforscher durchaus überraschend.

Die KPÖ legte über acht Prozentpunkte zu und kommt auf knapp 29 Prozent; die ÖVP wiederum verlor zweistellig und sank auf unter 26 Prozent. Auch die FPÖ verliert stark und liegt nur knapp vor der SPÖ. Die Grünen legen deutlich zu, NEOS schafft erneut den Einzug in den Gemeinderat – mehr dazu in Erdrutsch in Graz: KPÖ auf Platz eins, in Bürgermeister Nagl tritt zurück und in Zwischen Freude und Niedergeschlagenheit.

Filzmaier: „Platz als sozialpolitische Partei besetzt“

Überrascht vom Erfolg der KPÖ ist auch der Politikwissenschaftler Peter Filzmaier: „Den ersten Platz hätte ich nicht erwartet, der Aufwärtstrend war aber erkennbar. Die Gründe sind, dass die KPÖ als die sozialpolitische Partei weit über die kommunistische Partei hinaus den Platz besetzt hat, ursprünglich, historisch gesehen, und da reden wir von zwei Jahrzehnten, noch mit Ernest Kaltenegger, mit dem Thema leistbares Wohnen, mittlerweile aber für immer mehr sozialpolitische Themen, und auch durch den Niedergang der SPÖ in Graz.“

Wassermann: „ÖVP war in der Defensive“

Man könne durchaus von einer politischen Bombe sprechen, sagte Politologe Heinz-Peter Wassermann: „Mit diesem Ergebnis hat, glaube ich, niemand gerechnet.“ Wassermann versuchte sich in einer Analyse der Fehler der Grazer ÖVP: „Was mir aufgefallen ist, die ÖVP hat die Verkehrspolitik als erste in den Ring geworfen, gleich mit einem Megaprojekt der Mini-U-Bahn. Es ist ihr dann aber nicht gelungen, die Themenhoheit zu behalten – im Gegenteil: Es haben sich die Themen gegen die ÖVP gerichtet. Die ÖVP ist eigentlich nie aus der Defensive gekommen“, so Wassermann.

Außerdem habe die ÖVP den Fehler gemacht, den Zweit- oder Drittstärksten hochzuheben. „Das hat die ÖVP ungewollt gemacht“, sagte Wassermann und meinte: „Die Stadtregierung ist für die Arbeit der vergangenen Jahre abgestraft worden.“

Analyse mit Politologen

Chefredakteur Wolfgang Schaller (ORF) analysiert gemeinsam mit den Politologen Klaus Poier von der KFU und Heinz-Peter Wassermann von der FH-Joanneum das Wahlergebnis in Graz.

Poier: „Hat niemand geglaubt“

Auch Wahlforscher Klaus Poier sprach von einer großen Überraschung: „Das Wahlergebnis zeigt, dass es der ÖVP nicht besonders gelungen ist zu mobilisieren. Dem Bürgermeister ist es auch nicht gelungen, einen Bürgermeister-Bonus zu generieren. Das hängt auch damit zusammen, dass niemand geglaubt hat, dass an seiner Position gerüttelt werden wird. So wird das Ergebnis eine große Überraschung sein“, so Poier.