KPÖ-Stadträtin Elke Kahr
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Graz-Wahl

Kahr freundet sich mit „Bürgermeisterin“ an

Elke Kahr freundet sich mit dem Gedanken an die Grazer Bürgermeister-Funktion an. Die KPÖ-Spitzenkandidatin will als erstes auf die zweistärkste Partei – die ÖVP – zugehen, und sie will mit Noch-Bürgermeister Siegfried Nagl (ÖVP) sprechen: „Das ist mir wichtig“.

Sie sei nach der Wahlfeier im Volkshaus bereits um 1.00 Uhr im Bett gewesen und habe gut geschlafen, wenngleich sie vor dem Einschlafen und dem Aufwachen viel nachgedacht habe. „Bereits um 6.30 Uhr hat dann das Telefon zu klingeln begonnen“, so Kahr im Gespräch mit der APA. Seither sei es ein Tag wie viele Arbeitstage, mit dem Empfang einer Delegation von grünen und sozialdemokratischen Verkehrspolitikern aus Zürich; dazwischen kümmerte sich Kahr um Menschen, die Rat und Unterstützung brauchen, vor allem in Wohnfragen – mehr dazu auch in Kahrs Wahlerfolg: Auch Medien im Ausland staunen (news.ORF.at).

„Größtmöglicher Konsens“

„Mir geht es um den größtmöglichen Konsens, und wir werden schauen, welche Überlegungen die ÖVP aus den Geschehnissen zieht“, so die Verkehrsstadträtin zu den Sondierungen. Es sei der Wunsch der Wähler gewesen, die KPÖ zur stärksten Partei zu machen, und dies sei ja auch ein Auftrag: „Ich habe jedenfalls gute Lust fortzufahren“, so Kahr, die am 2. November 60 Jahre alt wird.

Die Bürgermeisterfunktion sei ja nie ihr erklärtes Ziel gewesen, sie habe sich aber immer engagiert, wenn sie Aufgaben übertragen bekommen habe. Bei einer solchen Wahlentwicklung kann man erwarten, dass am Ende die Bürgermeister-Funktion steht. „Viele Leute glauben vielleicht, ich möchte das gar nicht – aber dazu muss ich sagen, wir sind ja kaum dazu gekommen, denn bei einem Wahlerfolg wurden wir sofort immer eingedämmt“, erklärte Kahr.

Viele Ziele für die nächsten fünf Jahre

Die wichtigsten Dinge, die es in den nächsten fünf Jahren anzupacken gelte, seien unter anderem mehr Personal für öffentliche Bereiche wie im Sozialamt oder auch im Pflegebereich, da arbeiteten viele Kräfte am Limit. Ein weiterer Punkt sei, dass die Objektivierungsrichtlinien bei Jobs der Stadt oder im stadtnahen Bereich endlich ihren Namen verdienen müssten. „Der oder die Beste soll genommen werden, andere Rathausfraktionen sollten bei Hearings oder Bestellungen keine Statisten sein“, so die Stadträtin. Dazu wolle sie auf mehr Übergangswohnungen schauen oder auch auf stadtnahe Unternehmen einwirken: „Zu Stromabschaltungen soll es nicht mehr kommen.“ Einmalige Soforthilfen wie etwa bei Beerdigungen müssten schneller abgewickelt werden: „Jemand, der trauert, hat keinen Kopf für lange Behördenwege.“

Im Verkehrsbereich sei nun die Chance, Weichenstellungen für ein gutes Konzept mit Tramausbau umzusetzen. „Ich bin da sehr optimistisch, da mehrere Parteien diese Haltung haben, wie Grüne, SPÖ oder NEOS“, so Kahr. Der Ausbau müsse zusammen mit dem Land und dem Bund geschehen.

Dazu komme auch eine verstärkte Wiederaufnahme von Stadtteilarbeit und „spürbar mehr Grün“. Da könne die Stadt schauen, wo sie selbst Liegenschaften erwerben könne, „für Entsiegelung und für leistbares Wohnen. Es ist ja nicht jedes verbaute Grundstück grundsätzlich negativ“. Man müsse im Bereich ungezügeltes Bauen jedenfalls sehen, wo man eine Bremse anziehen könne, das werde schwierig und gehe nicht mit einem Fingerschnippen, denn viele Investoren hätten ja bereits die Grundstücke. Sie werde sich demnächst mit dem Stadtbaudirektor treffen.

Keine Sorge vor „Umfärbungen“

„Niemand muss Sorge haben, es ist jetzt nicht so, dass da eine neue Partei kommt, und alles ist anders“, zerstreut Kahr Befürchtungen von „Umfärbungen“. Sie wolle in diesem Zusammenhang den öffentlich Bediensteten ihren Dank aussprechen, die mit einem enorm niedrigen Personalstand wichtige Aufgaben für die Menschen erledigten.

„Keine große Freundin von Fünf-Minuten-Gesprächen“

Interesse hätte sie am Sozialressort, die Gesundheits- und Pflegeagenden seien von ihrem Kollegen Robert Krotzer gut verantwortet worden. Ob sich ihr Herangehen an Politik ändern würde, mit den vielen etwa repräsentativen Verpflichtungen eines Stadtoberhaupts? „Ich bin keine große Freundin von Fünf-Minuten-Gesprächen.“ Den Parteienverkehr und die Sprechstunden wolle sie sich auf jeden Fall erhalten, „auch, damit ich meinen Kompass nicht verliere. Ich muss das ja nicht so anlegen wie bisherige Politiker. Vieles an Repräsentationspflichten können ja auch die jeweiligen Stadträte übernehmen. Ich möchte gerne auch dort hingehen, wo bisherige Bürgermeister nicht waren.“

Nagl „unaufgeregt, sachlich, mit gewissem Humor“

Darauf angesprochen, was ihr vom scheidenden Bürgermeister Nagl in Erinnerung bleibe – mehr dazu in Nagl-Rücktritt: Eine Ära geht zu Ende – und was bewahrenswert sei, sagt Kahr: „Er hat unter anderem die Stadtsenats- und die Gemeinderatssitzung ausgezeichnet geführt, wenngleich es zum Schluss an Einbindung der anderen Fraktionen gefehlt hat. Siegfried Nagl hat unaufgeregt und sachlich agiert, auch mit einem gewissen Humor, was sehr wichtig ist“, antwortet Kahr ohne zu zögern.