Pflegeheim – Pflegebett – Krankenbett
ORF.at/Christian Öser
ORF.at/Christian Öser
Soziales

Personalmangel befeuert Pflegenotstand

Der Pflegenotstand kommt offenbar noch schneller als befürchtet: Der Mangel an Pflegekräften führt zu freien Betten in den Heimen – und das, obwohl die Nachfrage gegeben wäre. Besonders groß ist der Personalmangel in der Steiermark.

Seit über zwei Monaten sucht die Familie eines 88-jährigen Oststeirers einen Pflegeheim-Platz: Nach einem Sturz war er im Spital, er schafft den Alltag zu Hause nicht mehr.

Neue Zimmer stehen leer

Doch im gesamten Bezirk ist kein Heimplatz frei – so lautete schon beim Entlassungsmanagement des Krankenhauses Hartberg die Auskunft, sagt seine Tochter gegenüber Ö1: „Ich habe dann bei zehn Heimen angerufen, und jedes Heim hat geantwortet, dass es im Moment kein Personal gibt. Bei einem Seniorenheim in Hartberg war dann überhaupt die Auskunft: Sie haben zwar neue Zimmer bekommen, können aber die Zimmer nicht belegen, weil eben kein Personal zur Verfügung steht.“

Tatsächlich sind im 200-Betten-Haus Menda in Hartberg an die 30 Betten frei, bestätigt der Sozialhilfeverbandsobmann Gerald Maier, der auch Landesvorsitzender der Sozialhilfeverbände ist – ein überregionales Problem, sagt er: „Es hat schon vor Corona Pflegeheime gegeben, die nicht genug Personal bekommen haben – durch Corona hat sich das ganz exorbitant verstärkt. Es hängt, glaube ich, damit zusammen, dass das Personal sehr stark körperlich und natürlich auch psychisch gefordert gewesen ist. Es ist sehr viel Personal selbst infiziert, hat Langzeitwirkungen; es war immer wieder notwendig, dass Personal einspringen hat müssen für andere, die angesteckt gewesen sind und dergleichen. Und es haben sich sehr viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus dem Pflegebereich zurückgezogen.“

Laut der Pflegeabteilung des Landes sind in der Steiermark 17 Prozent der verfügbaren Betten nicht belegt. 640 offene Stellen für Pflegekräfte gibt es, hat die Presse zuletzt berichtet. Eine Rolle spielen auch Insolvenzen von Heimträgern – als Folge von Corona – etwa des Arbeitersamariterbundes Gruppe Graz.

Österreichweites Problem

Aber Markus Mattersberger, Präsident des Lebenswelt Heim-Dachverbands von 650 Einrichtungen, sagt: Freie Betten durch Mangel an Pflegeassistentinnen sind ein österreichweites Problem. „Wir bekommen aus nahezu allen Bundesländern die Rückmeldung, dass es Leerstände in den Pflegeeinrichtungen gibt, weil das entsprechende Pflege- und Betreuungspersonal fehlt. Insofern muss man schon von einem Notstand sprechen.“ Es herrsche „Alarmstufe Rot“, heißt es – mehr dazu in „Alarmstufe Rot“ in der Pflege (news.ORF.at).

Personalmangel auch in den Krankenhäusern spürbar

Der Personalmangel ist auch in den Krankenhäusern zu merken: So gaben im September überdurchschnittlich viele Mitarbeiter KAGes ihren Beruf auf. „Die Ursachen sind wahrscheinlich vielschichtig – zum einen der ständig steigende Bedarf in einer älter werdenden Gesellschaft, andererseits möglicherweise ein Wertewandel, der dienenden und pflegenden Berufen nicht den ihnen gebührenden Stellenwert zuweist, und natürlich auch die Mehrbelastung in der Coronakrise kann eine Ursache sein“, sagt KAGes-Sprecher Reinhard Marczik.

Allerdings, so Marczik weiter, dass es gerade im September so viele Abgänge gab, sei nicht ungewöhnlich: Für die Sommermonate werde immer vermehrt Personal aufgenommen, um Spitzen in der Urlaubszeit abzufedern – diese befristeten Verträge laufen im Herbst aus. Dass aber Personal im Pflegebereich fehlt, sei nicht wegzureden, so der KAGes-Sprecher.

Generell sei der Pflegeberuf laut Marczik aber „finanziell attraktiv“, wenngleich jeder Euro hart verdient sei: "De facto ist es so, dass Einsteiger – also junge Menschen – im Pflegeberuf rund 3.000 Euro brutto verdienen und wenn man dann einmal 20 Dienstjahre hat und um die 40 Jahre alt ist, dann liegt man bei rund 4.000 Euro brutto im Monat, wenn man zum Beispiel vier Nachtdienste und ein Wochenende arbeitet.“

Pflegeberuf muss attraktiver werden

Weil eben aber auch in Spitälern Pflegekräfte fehlen, werde Personal aus Heimen abgeworben, erklärt wiederum Markus Mattersberger, der von Bundes- und Landespolitik eine Attraktivierung des Pflegeberufs und mehr Ausbildungsplätze fordert.

Die Tochter des erwähnten 88-jährigen Oststeirers sagt, er hat mittlerweile einen Übergangspflegeplatz – aber 80 Kilometer von seiner Freundin, seinen Freunden und der Familie entfernt: „Er sagt, er fühlt sich nicht wohl. Er isst schon nichts mehr, er trinkt schon nichts mehr – weil er sagt, er will da nicht bleiben. Es ist für uns, für die Angehörigen im Moment echt schwierig.“ Und das ist wohl alles andere als ein Einzelfall.