Mensch hält Modell des Gehirns in Händen
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Wissenschaft

Experten: Gehirn gezielt fördern und fordern

Zunehmende Vergesslichkeit oder gar eine Demenzerkrankung sind gefürchtete Begleiterscheinung des Alterns. Was man alles dafür tun kann, um das Gehirn möglichst lang fit zu halten, war Thema eines Symposiums an der Uni Graz.

Rund ein Dutzend Experten aus der Gehirnforschung versammelten sich in der Aula der Grazer Universität und gaben in Vorträgen zum Thema „Neuronale Plastizität im Gehirn“ Einblicke in ihre Arbeit.

„Kognitive Reserve ausbauen“

Ziel der Tagung sei es gewesen zu beleuchten, wie wir unser Hirn gezielt fördern und fordern können, erklärte der Initiator des Symposiums und Leiter der Abteilung Neurologie an der Med Uni Graz, Christian Enzinger: „Dafür haben wir Experten aus den steirischen Universitäten, die uns beispielweise sagen, wie das mit Lese-, Schreib- und Rechentraining der Fall ist, wie Sport hier eine Rolle spielt und Bewegung und wie die Neuro-Rehabilitation neue Wege geht. Wie wir letzten Endes alle gemeinsam die kognitive Reserve aufbauen können.“

Diese kognitive Reserve ist nichts anderes als die Fähigkeit des Gehirns, sich etwa gegen altersbedingte Schädigungen zu wappnen. Konkret geht es darum, die Gehirnaktivitäten zu fördern, damit das Gehirn möglichst lang fit bleiben kann.

Über viele Jahre fit bleiben

Auch wenn es kein Muskel ist, gibt es nämlich viele Möglichkeiten, das Gehirn zu trainieren, so Enzinger: „Das Gehirn hat zwischen 70 und 100 Milliarden Nervenzellen, die sind wiederum mit tausend weiteren Nervenzellen verbunden. Und das entscheidende ist, dass wir an dieser sogenannten kognitiven Reserve bauen über viele Jahre.“

Das kann man etwa, indem man einen komplexen Beruf ausführt, neue Hobbys erlernt, musiziert oder sozial interagiert, erklärte der Experte: „Dann erhöht sich die Fähigkeit des Gehirns in Gegenwart von Hirnerkrankungen auszugleichen. Das heißt wir bauen sozusagen vor.“

Mit Musizieren und Tanzen Gehirn stärken

Auch als Erwachsener noch ein Musikinstrument zu lernen, ist eines der Beispiele, die der Grazer Neurologe in diesem Zusammenhang nennt. Vom Kennenlernen des Instruments bis zum Notenlesen gilt es hier, neue Abläufe zu koordinieren – ein perfektes Training zur Stärkung des Gehirns. Aber auch die sozialen Kontakte der Menschen sind aus Sicht der Gehirnforschung ein wichtiger Punkt.

Ein wichtiger Punkt für die Gesunderhaltung der Gehirnaktivitäten ist auch die körperliche Bewegung: „Wir wissen beispielsweise aus dem Erlernen komplexer Vorgänge wie tanzen oder auch am Seil gehen, balancieren und jonglieren, dass es tatsächlich dazu führt, dass das Gehirn an gewissen Stellen an Volumen und Leistungsfähigkeit zunimmt, darauf deuten moderne bildgebende Studien.“

Auch Ernährung spielt eine Rolle

Insgesamt sei es ein Zusammenspiel aus mehreren Faktoren, die das Gehirn stärken und gegen altersbedingte Erkrankungen wappnen, so Enzinger: Lebenslanges Lernen gehört ebenso dazu, wie ein ausgefülltes Sozialleben, der Verzicht auf Rauchen und Alkohol, Bewegung – und eine gesunde Ernährung – wobei es hier auch auf die Menge ankommt: „Interessanterweise haben gerade jene Menschen, die einen höheren Leibesumfang haben, dickleibig sind, eine beschleunigte Hirnalterung einerseits und anderseits einen Verlust an Hirnvolumen, der höher ist als bei Normalgewichtigen.“

Funktionsweise erst in Ansätzen erforscht

Viel ist bereits über die Funktionsweise des menschlichen Gehirns bekannt, und doch bleibt vieles rätselhaft: „Die Grenzen der Gehirnforschung sind sicher, dass das Gehirn ein äußerst komplexes Organ ist und wir die funktionsweise nur ansatzweise verstehen. Und die Gehirne auch – glücklicherweise – sehr unterschiedlich funktionieren. Und wir im technischen Zugang zum Teil immer noch beschränkt sind, weil wir das Gehirn, während wir es beobachten, nicht schädigen wollen.“

Enzinger glaubt aber, dass man mithilfe der technischen Entwicklungen in den nächsten Jahren an weiterem Wissen gewinnen werde, wie man das Hirn gezielt fördern und fordern kann.