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ORF.at/Roland Winkler
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Politik

In welcher Verfassung ist Österreich?

In welcher Verfassung ist Österreich? Mit dieser mehrdeutig zu verstehenden Frage befasste sich zwei Tage lang die Konferenz „Österreich 22“ in Graz.

Das Symposium hätte ursprünglich im vergangenen Herbst angesichts der Jubiläen 100 Jahre Bundesverfassung, 75 Jahre Zweite Republik und 25 Jahre EU-Mitgliedschaft Österreichs der Frage nachgehen sollen, in welcher Verfassung sich Österreich und Europa gegenwärtig präsentieren und welche zukunftsorientierte Schritte zu setzen sind. Die Fragestellungen sind nach der pandemisch erzwungenen Verschiebung auf Herbst 2021 aber nicht nur gültig geblieben, sondern aufgrund der Erfahrungen und Entwicklungen der letzten Monate sogar noch drängender geworden

Schützenhöfer: „Die Spielregeln im Umgang einhalten“

Grundsätzlich sei Österreich in einer guten Verfassung, sagte Gastgeber Landeshauptmann Hermann Schützenhöfer (ÖVP), aber „die Polarisierung und der Ton in der Gesellschaft und in der Politik erfüllt mich mit großer Sorge. In einem vergifteten, aufgeheizten Klima der maßlosen Verbalattacken, der kursierenden Falschinformationen und Teilwahrheiten, der Respektlosigkeit kann schwerlich ein konstruktiver Dialog geführt werden. Niemand ist im Besitz der Wahrheit, niemand ist von sonstwo der Weisheit letzter Schluss.“ Der Landeshauptmann forderte, dass man sich wieder verstärkt an die Spielregeln im Umgang miteinander halten mögen.

Hermann Schützenhofer

Grabenwarter: „Mindestmaß an institutionellem Respekt“

Den Umgang mit der Justiz und die Kritik an ihrer Unabhängigkeit, machte dann Christoph Grabenwarter, der Präsident des Verfassungsgerichtshofes, zum Thema: „Auch die Justiz bedarf eines Mindestmaßes an institutionellem Respekt, damit sie ihre Aufgabe erfüllen kann, und sie muss sich gegen parteipolitische Instrumentalisierungen welcher Art auch immer entschieden verwehren.“

Christoph Grabenwarter

EU-Kommissar für mehr europäisches Selbstbewusstsein

Der österreichische EU-Kommissar Johannes Hahn forderte mehr europäisches Selbstbewusstsein. Nirgendwo sonst auf der Welt, seien Wohlstand gepaart mit persönlicher Freiheit so hoch: „Deswegen glaube ich können wir nicht nur stolz sein, sondern auch das entsprechende Selbstbewusstsein an den Tag legen, um eben auch unsere Position hier weltweit entsprechend zu vertreten.“

Rede von EU-Kommissar Hahn

Johannes Hahn

Dennoch gelte es noch einiges zu verbessern. Das würde sich auch im Kampf gegen die CoV-Pandemie zeigen, so der EU-Kommissar: „Die Bürgerinnen und Bürger verstehen zum Beispiel nicht, dass epidemiologische Situationen in den einzelnen Mitgliedstaaten unterschiedlich bewertet werden. Dass etwa die Frage, ob zwei Impfungen, sechs, neun oder zwölf Monate anhalten, dass man hier nicht zu einer Betrachtungsweise und Anwendung kommt.“

Diskussion und Streit können zu Ergebnis führen

Dass aber die Diskussion und manchmal auch ein wenig Streit zu einem guten Ergebnis führen können, habe die Diskussion innerhalb der EU über die gemeinsame Anschaffung eines CoV-Impfstoffs gezeigt, sagte der Vertreter der EU-Kommission in Österreich, Martin Selmayr: „Wenn jeder alleine Impfstoffe beschafft – das ist mehrfach angesprochen worden – was hätten wir denn dann für Impfstoffe angeschafft? Dann hätte Deutschland Curevac bestellt, Frankreich Sanofi, Österreich vielleicht Sputnik, dann hätten wir alle keinen wirksamen Wirkstoff. Gottseidank haben wir lange gestritten, lange den Kompromiss gesucht und ein großes Portfolio zusammengestellt, und davon profitieren wir jetzt als meistgeimpfter Kontinent.“