Pressegespräch – handgeschriebene Tafel
APA/INGRID KORNBERGER
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Politik

Graz: Dunkelrot-Grün-Rot so gut wie fix

Der Richtungswechsel in Graz ist so gut wie fix: Die Grazer KPÖ hat am Samstag offiziell die Koalitionsverhandlungen mit den Grünen und der SPÖ begonnen. Elke Kahr dürfte die erste kommunistische Bürgermeisterin der Stadt werden.

Kahr hatte mit der KPÖ bei der Gemeinderatswahl am 26. September in Graz überraschend den Langzeitbürgermeister der ÖVP, Siegfried Nagl, gestürzt und mit deutlichem Vorsprung Platz eins geschafft – mehr dazu in Wahlkarten ändern nichts: KPÖ auf Platz eins (26.9.2021). Schon in den Tagen danach zeichnete sich eine linke Mehrheit für eine Zusammenarbeit ab, obwohl SPÖ-Klubchef Michael Ehmann das erklärte Ziel, den Wiedereinzug in den Stadtsenat, nicht geschafft hatte – mehr dazu in Graz: KPÖ will Dunkelrot-Grün-Rot (13.10.2021).

SPÖ macht mit

Dennoch zeigte sich bei den Sozialdemokraten offenbar die Bereitschaft, eine linke Mehrheit im Gemeinderat mitzutragen. KPÖ, Grüne und SPÖ haben zusammen 28 Sitze im 48-köpfigen Gemeinderat – ohne die SPÖ wären es nur 24 und damit zu wenig gewesen; im sieben Personen umfassenden Senat haben KPÖ und Grüne ohnehin zusammen vier Sitze. Freitagabend traf sich die SPÖ noch einmal zu parteiinternen Gesprächen, und dabei wurde beschlossen, in finale Koalitionsverhandlungen einzusteigen.

Kahr: „Es schaut gut aus“

Elke Kahr zeigte sich am Samstag sehr zuversichtlich: „Es schaut gut aus, wir sind im Fahrplan vollkommen in der Zeit – es ist noch genügend Zeit, um ganz konkret in die Detailplanungen zu gehen. Wo wir uns schon einig sind, dass wir auf jeden Fall ein Budgetprovisorium machen möchten, weil einfach noch sehr vieles im Dunkeln ist vor allem bei den Tochtergesellschaften und bisher doch eher eine intransparente Budgetpolitik war, und wir möchten das Budget für die kommenden Jahre doch auf gute und solide Beine stellen, und da werden wir uns die nötige Zeit geben. Und wir sind uns auch bei großen Themenblöcken einig wie Demokratie, Soziales, Wohnen und Klimaschutz.“

Judith Schwentner, Elke Kahr und Michael Ehmann
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Judith Schwentner (Grüne), Elke Kahr (KPÖ) und Michael Ehmann (SPÖ)

Auf die Frage, was sich nun verändern werde, sagte Kahr: „Genau das, was wir gesagt haben, dass man auf keinen Menschen vergessen soll, das ist ganz zuoberst, und das passt gut in diese großen Blöcke – mehr Demokratisierung, mehr Soziales, mehr bezahlbarer Wohnraum und vor allem klimaschutzfreundliche Maßnahmen, da passt das alles gut hinein, und da bin ich mir sicher, dass wir in den kommenden Jahren Schritte setzen werden, die den Menschen helfen, weil es einfach sehr viele schwer haben. Uns geht es da nicht um Großprojekte oder Leuchtturmprojekte, sondern oft um kleine Sachen, denn das hat oft gefehlt.“

„Bäume, Bäume, Bäume“

Schwentner unterstrich beim Thema Transparenz, dass es auch bei den Aufsichtsräten in den Tochtergesellschaften der Stadt mehr Öffnung und Demokratisierung geben müsse: „Da war nicht immer nachvollziehbar, wie es zu Entscheidungen gekommen ist. Wir wollen eine engere Bindung zum demokratisch gewählten Gemeinderat.“ Weiters soll die Sozialcard für noch mehr Menschen zur Verfügung stehen, „und wir wollen mehr Grünraum schaffen: Bäume, Bäume, Bäume“.

„Die Erwartungshaltung ist groß“, so Kahr weiter, die Sympathie ermutige sie in ihrer Arbeit. Auf ihre umstrittenen Aussagen über Tito – mehr dazu in Elke Kahr zwischen Tito, Nostalgie und Ideologie (15.10.2021) – sei sie kein einziges Mal angesprochen worden. Schwentner meinte dazu: „Es wird niemanden überraschen, dass ich keine Kommunistin bin, auch nicht werde und auch nicht werden muss. Es trennen uns Dinge, aber vieles vereint uns auch, und das ist das Wichtige.“ SPÖ-Klubobmann Michael Ehmann ergänzte: „Man muss nicht mit allen Aussagen einverstanden sein. Aber ich kenne Elke schon einige Jahre, und ich hätte da jetzt keine Angst vor einem totalitären Graz.“

Schlicht und einfach und ohne Hochglanz

Das Seddwell Center im Bezirk Gries sei bewusst als Ort für die Klausur am Samstag gewählt worden – besonders in diesem Grazer Bezirk, der einen sehr hohen Migrationsanteil hat, wolle man Positives bewirken. Die Location kann durchaus auch aus anderer Perspektive als Statement verstanden werden: schlicht und einfach, kein Hochglanz, keine Inszenierung.

Judith Schwentner, Elke Kahr und Michael Ehmann
ORF
Kahr (Mitte): „Die Erwartungshaltung ist groß“

„Ein von Vertrauen geprägtes Klima“

Sollte es in den abschließenden Koalitionsverhandlungen keine großen Überraschungen mehr geben, bekommt Graz künftig eine links-geführte Stadtregierung, an deren Spitze zum ersten Mal zwei Frauen stehen werden – Elke Kahr als Bürgermeisterin und Judith Schwentner von den Grünen als Vizebürgermeisterin. Kahr jedenfalls glaubt nicht mehr an ein Scheitern: „Aus meiner Sicht nicht. Das ist ein von Vertrauen getragenes Klima, das ist offen, das ist konstruktiv, und es ist eigentlich eine Freude, da zusammenzuarbeiten.“

Keine Rachegelüste

Die Angelobung der neuen Stadtregierung ist für den 17. November geplant, bis dahin will man nun auch die Ressortaufteilung planen – diese sei – im Gegensatz zu manchen Medienberichten – noch nicht klar. Kahr will jedenfalls auch der ÖVP und der FPÖ Bereiche zuteilen, die mit Verantwortung verbunden sind: „Wir sind auch alle drei im Austausch mit Kurt Hohensinner (ÖVP).“ Rachegelüste gegenüber der FPÖ habe man auch nicht, obwohl die Freiheitlichen direkt nach der Verkündung des Wahlergebnisses scharf gegen die KPÖ geschossen hatten.

FPÖ: „Keine Schonung“

Die erste Reaktion kam indes auch von den Freiheitlichen. Der Grazer FPÖ-Stadtparteiobmann Mario Eustacchio befürchtet „fatale Auswirkungen, wenn eine kommunistische Bürgermeisterin mit grün-roter Unterstützung ihre links-linke Agenda nahezu uneingeschränkt durchsetzen kann“. Und Landesparteichef Mario Kunasek kündigte an: „Die FPÖ wird die neue Grazer Koalition jedenfalls nicht schonen und klar aufzeigen, welche wirtschaftlichen, gesellschaftlichen und finanzpolitischen Folgen diese Art der links-linken Zusammenarbeit für die Landeshauptstadt bringen wird.“

NEOS: „Angebot an alle Grazerinnen und Grazer“

NEOS-Gemeinderat Philipp Pointner erwartet sich angesichts der niedrigen Wahlbeteiligung von nur rund 54 Prozent im Programm der zukünftigen Stadtregierung ein Angebot an alle Grazerinnen und Grazer, „um das Vertrauen in die Politik und in unsere Demokratie zu stärken“.