Gericht

Prozess um „Gammelfleisch“ wieder vertagt

In Graz ist am Donnerstag der „Gammelfleisch“-Prozess gegen einen Ex-Geschäftsführer eines südsteirischen Schlachthofes erneut vertagt worden. Es wurden mehrere Zeugen gehört, darunter auch der Geschäftsführer einer Tierkörperverwertungsfirma.

Der Fall wurde im Herbst 2019 bekannt: Im Zuge des Ermittlungsverfahrens der Staatsanwaltschaft Graz und in weiterer Folge der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) wurde damals bei einer Razzia inklusive Hausdurchsuchung in dem südsteirischen Schlachtbetrieb der Betriebsleiter festgenommen – mehr dazu in Gammelfleisch: Betriebsleiter verhaftet (23.10.2019) und in Gammelfleisch: Betriebsleiter enthaftet (19.11.2019).

Fleisch war für die Tierkörperverwertung gedacht

Der Beschuldigte soll von April 2009 bis Oktober 2019 mehrere Fleischereien mit „Gammelfleisch“ beliefert haben: Konkret soll er das von amtlichen Fleischbeschauern als genussuntauglich erklärte Fleisch nicht über die Tierkörperverwertung entsorgt, sondern in zerlegtem Zustand unter einwandfreie Ware gemischt und dann weiterverkauft haben.

Dem Betriebsleiter wird außerdem vorgeworfen, im September 2012 einen Tierarzt, der die Fleischuntersuchungen vornehmen wollte, beschimpft zu haben: Er soll ihn gedrängt haben, das Fleisch von 30 Schweinen ohne Beschau für genusstauglich zu erklären. Ein Zeuge belastete den Angeklagten schwer – mehr dazu in „Gammelfleisch“: Angeklagter schwer belastet (1.3.2021).

Angeklagter war sich bislang keiner Schuld bewusst

Wie schon an den ersten Prozesstagen war sich der Angeklagte auch am Donnerstag keiner Schuld bewusst: Das Ganze sei auf eine defekte Waage an einem Tag zurückzuführen, die ein Chaos in den Abläufen verursacht haben soll, rechtfertigte er sich; dadurch seien möglicherweise die Fleischteile durcheinander geraten. „Es wurde nie etwas verkauft, das gesundheitsschädlich war“, betonte wiederum der Verteidiger – mehr dazu in Prozess um „Gammelfleisch“ angelaufen (11.2.2021).

Außerdem versicherte er einmal mehr, dass es – auch bei anderen Schlachthöfen – bis damals üblich war, dass vom Tierarzt aussortierte Schweinehälften zu den Knochen geworfen wurden, die wiederum von der Tierkörperverwertung (TKV) abgeholt und dann weiterverarbeitet wurden.

Wie werden Tierkörper ordnungsgemäß entsorgt?

Dabei gingen die Aussagen über die Abläufe bei der Tierkörperverwertung auseinander. Vorgesehen ist, dass alle Schlachtabfälle der Kategorie 1 thermisch entsorgt werden – dazu gehören beispielsweise Hirn und Rückenmark, aber auch komplett genussuntaugliche Schweine. In die Kategorie 2 fallen unter anderem ungewaschene Därme und Material, das nicht in die Kategorie 1 fällt. Kategorie 3 gilt als die wertvollste Kategorie, denn darin enthalten sind Knochen, Häute und auch Schlachtkörperteile, die nach dem Gemeinschaftsrecht als genusstauglich eingestuft werden. Vieles davon landet bei der Tierfuttererzeugung.

Während der Angeklagte sagte, dass aussortierte Schweinehälften üblicherweise und offenbar jahrelang in den Container für die Kategorie 3 geworfen wurden, schreibt das Gesetz der Tierkörperverwertung vor, dass diese aus den Knochen aussortiert und getrennt entsorgt werden müssen, wenn sie nicht dezidiert als Kategorie 3 eingestuft wurden. Das Problem an der Sache: Die TKV holt den Containerinhalt und lädt ihn in ihren Hallen wieder ab. Lediglich was oben auf liegt und sichtbar ist, kann per Kran entnommen und anders entsorgt werden. Außerdem ist auf den Schlachtkörpern natürlich keine Markierung, ob sie Kategorie 3 oder 1 sind – somit kann das bei der TKV auch nicht mehr nachvollzogen werden.

So könnte es laut manchen Aussagen von Befragten gängige Praxis gewesen sein, dass aussortierte Schweinehälften einfach zu den Knochen und damit in die Kategorie 3 geworfen wurden. Davon profitierten vorerst alle Beteiligten, denn der Schlachthof erhielt für die Knochenmenge eine Vergütung, und die TKV wiederum verkaufte die Kategorie 3 ebenfalls als Ware höherer Klasse weiter. Wie genau daher alle Beteiligten aussortiert haben, blieb dahingestellt.

TKV-Geschäftsführer: Widersprüchliche Aussage

Der Geschäftsführer der TKV-Firma sagte nun am Donnerstag zwar aus, dass einerseits alle sichtbaren Schweine aus den Knochen herausgefischt und getrennt entsorgt wurden; andererseits unterstrich er aber auch, dass man sich bei der TKV darauf verlasse, dass etwas im Container der Kategorie 3 auch tatsächlich Kategorie 3 ist.

Dokumentation geändert

Die Dokumentation über bei der TKV abgegebene Schweinehälften wurde erst nach Bekanntwerden des Falls geändert: Seither müssen aussortierte Tiere in eigene Container entsorgt werden, wodurch auch die Nachvollziehbarkeit besser gegeben sein soll.

Der Verteidiger sah damit seine Argumentation bekräftigt, denn wenn es bis Herbst 2019 keine genauen Aufzeichnungen über die Verwertung von aussortierten Tieren gab, könne man seinem Mandanten diese auch nicht anlasten. Der Ankläger – er wirft dem Beschuldigten gewerbsmäßigen schweren Betrug, Vergehen gegen das Lebensmittelgesetz und Anstiftung zum Amtsmissbrauch vor – hatte den Schaden mit 5,7 Millionen Euro beziffert, wofür es aber laut dem Verteidiger „keine konkreten Unterlagen“ gebe.

Am Donnerstag wurden weitere Zeugen beantragt. Der Prozess wurde daher auf den 13. Dezember vertagt – dann könnte auch ein Urteil fallen.