Wissenschaft

Grazer Ingenieure validieren Fahrsimulation

Fahrsimulatoren werden in der Fahrzeugindustrie zunehmend wichtiger. Experten der TU Graz haben nun eine Methode entwickelt, die die Testfahrten durch die virtuelle Welt validiert.

Fahrerlose Fahrzeuge sollen künftig der Normalfall im Verkehr sein. Am Weg dorthin sind Tests mit Fahrsimulatoren hilfreich, weil Millionen an Testkilometern eingespart und ohne Sicherheitsrisiko für Menschen, Umwelt und das Fahrzeug beliebige Szenarien simuliert werden können. Die Probanden setzen sich dazu in ein Auto-Cockpit und bekommen in Rundumprojektionen Straßensituationen eingespielt.

„Mangel an Realismus“

„Im Bereich des hochautomatisierten Fahrens werden Fahrsimulator-Studien allerdings häufig wegen des Mangels an Realismus hinterfragt. Außerdem gab es bis vor kurzem keine standardisierten Prüfverfahren, mit denen komplexe Aufgaben wie etwa das wechselseitige Zusammenspiel zwischen Mensch und System überprüft werden hätten können“, schildert Arno Eichberger, Leiter des Forschungsbereichs „Automated Driving & Driver Assistance Systems“ am Institut für Fahrzeugtechnik der TU Graz die Herausforderung.

Seit Jahresbeginn sei immerhin das erste weltweite Regulativ für automatische Spurhaltesysteme (ALKS) in Kraft. „Bisher wussten Zulassungsbehörden nicht, wie sie autonome Systeme abprüfen und zulassen sollten. Die Fahrzeughersteller wussten wiederum nicht, welche Anforderungen die Systeme erfüllen müssen, um zugelassen zu werden.“

Im neuen Regulativ wurden die Kriterien hochautomatisierter Systeme (Autonomes Fahren Level 3) bis zu einer Maximalgeschwindigkeit von 60 km/h anhand eines Stauassistenten erstmals festgeschrieben: Wenn der Assistent aktiviert wird, geht die Steuerungsverantwortung auf die Maschine. Eichberger und seine Partner von Fraunhofer Austria, AVL und Joanneum Research haben eine Methode entwickelt, mit der die Übernahmebereitschaft in einem Fahrsimulator sicher, effizient sowie in hohem Grade realistisch überprüft werden, damit die Ergebnisse zur Zertifizierung von ALKS-Systemen herangezogen werden können.

Der direkte Vergleich als Grundlage

Als Grundlage diente der direkte Vergleich – Fahrsimulation und Realfahrt mussten möglichst gut übereinstimmen –, Versuchsort war die AVL-Teststrecke in Gratkorn. Hierbei war die maschinelle Wahrnehmung der Umgebung eine Herausforderung: Sie hat die Aufgabe, die Fahrzeugumgebung – von der Landschaft über Umweltobjekte bis hin zu anderen Verkehrsbeteiligten – exakt zu erfassen, damit das Fahrassistenzsystem situationsgerecht reagieren kann. „Wenn das gleich ablaufen soll wie in der Realität, müssen die Umgebungen in der Simulation bis auf den Zentimeter genau mit der realen Umwelt übereinstimmen“, schildert Eichberger.

„Digitaler Zwilling“

Diese Genauigkeit des „digitalen Zwillings“ haben die von Joanneum Research entwickelten Ultra High Definition Karten erreicht: „Mithilfe eines Mobile Mapping Systems vermessen wir die Testumgebungen. Aus den Messdaten wird schlussendlich eine lückenlose 3D-Karte mit extrem hohen Detaillierungsgrad erstellt“, berichtet Patrick Luley, Leiter des Forschungslabors für hoch automatisiertes Fahren des Instituts DIGITAL.

Neben Verkehrszeichen, Fahrbahnmarkierungen oder Leitschienen wurden auch Vegetation und Gebäude in der Karte repräsentiert. Eine vergleichbare Genauigkeit könne zwar auch mit manuellen 3D-Modellierungen erreicht werden, der automatisierte Prozess sei jedoch um ein Vielfaches kostengünstiger und schneller.

Die hochaufgelöste 3D-Umgebung hat das Team von Fraunhofer Austria in den Fahrsimulator übertragen, so Volker Settgast vom Geschäftsbereich Visual Computing: „Wir bereiten die Daten dergestalt auf, dass die 3D-Umgebung in hoher Geschwindigkeit dargestellt werden kann.“ So können selbst spiegelnde und transparente Flächen oder windbewegte Bäume und Sträucher natürlich wahrgenommen werden und je nach Testszenario weitere Fahrzeuge oder auch Personen in die virtuelle Umgebung eingefügt werden.

Erleichtert Freigabeprozess für automatisierte Systeme

Der Validierungsnachweis erfolgte anhand von Vergleichsfahrten auf der Realstrecke. „Mit unserer Methode ist es für Automobilhersteller auf einfache Art und Weise möglich, ein bestimmtes Sampling auf der Realstrecke und im Fahrsimulator zu vergleichen und zu validieren. Somit kann der Test schlussendlich von der Realstrecke in den Fahrsimulator übertragen werden“, so Eichberger. Der Forscher und sein Team arbeiten in den nächsten Monaten nun am Aufbau von virtuellen Freigabeversuchen.