Elke Kahr
APA/ERWIN SCHERIAU
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Politik

Elke Kahr: Erste Grazer KPÖ-Bürgermeisterin

Die Grazer KPÖ-Chefin Elke Kahr hat etwas geschafft, was über Österreich hinaus für Aufsehen gesorgt hat: Die 60-Jährige wurde am Mittwoch zur ersten kommunistischen Bürgermeisterin der steirischen Landeshauptstadt gewählt.

Elke Kahr hatte mit der KPÖ bei der Grazer Gemeinderatswahl am 26. September überraschend den Langzeitbürgermeister der ÖVP, Siegfried Nagl, gestürzt und mit deutlichem Vorsprung Platz eins geschafft – mehr dazu in Wahlkarten ändern nichts: KPÖ auf Platz eins (26.9.2021) – zwei Wochen nach ihrem 60. Geburtstag wurde sie am Mittwoch zur Grazer Bürgermeisterin gewählt – mehr dazu in Elke Kahr zur Grazer Bürgermeisterin gewählt.

Steht vor großer Aufgabe

Bei einem ersten Statement nach der gewonnenen Wahl am 26. September wirkte Kahr ihrem Wesen gemäß nicht triumphierend, aber deutlich überrascht, mit einem Anflug von Unbehagen, und in der Tat wartet eine Monsteraufgabe auf sie – einem fast 20 Jahre regierenden Bürgermeister nachzufolgen ist nie leicht. Dazu müssen etliche verkrustete Strukturen aufgebrochen werden, etwa die deutlich große Einflussnahme der ÖVP in Stadtverwaltung und städtischen Unternehmen und Beteiligungen, wobei die KPÖ bereits gesagt hat, dass sich „niemand fürchten muss“.

Kahr wird ihren Schwerpunkt wohl auf das Leibthema Wohnen und Soziales legen und nach dem wahlbedingten Aus für Nagls U-Bahnpläne auf einen Ausbau von Trams und S-Bahn setzen – mehr dazu in Graz: Ressortverteilung fixiert (9.11.2021).

Zwischen Druck und Hoffnung

Auch wird sie liefern müssen, sowohl in Repräsentations-Hinsicht als Stadtoberhaupt und auch als Trägerin wohl unpopulärer Entscheidungen, und alles unter den Argusaugen einer erwartungsvollen Wählerschaft und einer wieder auf ihre Chance lauernden ÖVP. Doch verkörpert Kahr auch Hoffnung auf einen Wandel in Graz – zu respektvollerem Umgang, eventuell einem neuen Stadtpolitik-Stil und echter Änderung in Klima- und Verkehrspolitik, was für Kahr auch gleichzeitig Sozialpolitik ist. Graz: Dunkelrot-Grün-Rot steht (12.11.2021).

Elke Kahr
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Elke Kahr am Wahlabend

Zuletzt war Kahr – neben den zeitaufwendigen Verhandlungen, dies aber in gutem Klima mit Grünen und SPÖ – starkem Rechtfertigungsdruck ausgesetzt: Überregionale Medien hatten immer wieder die Frage gestellt, wie Kahr und ihre Grazer KPÖ denn zu Verbrechen kommunistischer Parteien weltweit seit 1917 stünden – mehr dazu in Elke Kahr zwischen Tito, Nostalgie und Ideologie (15.10.2021).

Soziales Engagement, Fleiß, Beharrlichkeit

Kahr war es jedenfalls schon 2012 gelungen, aus dem Schatten des über Österreich hinaus bekannt gewordenen früheren Stadtparteichefs Ernest Kaltenegger heraus zu treten und an das Sensationsergebnis von 2003 anzuschließen – mit den für die Grazer bzw. steirischen Kommunisten mittlerweile weitbekannten und typischen Eigenschaften: nachvollziehbares soziales Engagement, Fleiß, Bescheidenheit, Spenden eines Teil des eigenen Gehalts für gute Zwecke („Tag der offenen Konten“ immer am 28. Dezember jedes Jahres, Anm.) und einer jahrelangen Beharrlichkeit bei bestimmten Themen wie Sozialcard oder Kautionsfonds.

Die Grazer KPÖ-Chefin gilt als integer, gelassen, engagiert und in Sozial- und Wohnfragen kompetent. Das Wohnressort war jahrzehntelang eine KPÖ-Domäne gewesen und Teil der Kernkompetenz, bis 2017 die neue ÖVP-FPÖ-Koalition auf die Idee kam, einen Tausch vorzunehmen: Mario Eustacchio (FPÖ) übernahm das Wohnressort, Kahr wurde dafür „sein“ Verkehrsressort zugeteilt – wohl in der Hoffnung, die Kommunistin zu entzaubern. Das Kalkül ging aber angesichts des Wahlerfolgs nicht auf. Kahr ließ sich jedenfalls nicht beirren und führte weiterhin Mieterberatungen durch. Mittlerweile sind Bürgermeister Nagl durch die Wahlniederlage und Vizebürgermeister Eustacchio durch eine Extra-Gagen-Affäre Geschichte.

Seit 1993 im Grazer Gemeinderat

Die im Alter von drei Jahren adoptierte Grazerin Kahr (geb. 2.11.1961) war als Sekretärin in der Kontrollbank beschäftigt, machte nebenbei die Abendhandelsakademie und ist seit fast 30 Jahren Parteimitglied. Die Grazerin lebt seit 1988 in einer Lebensgemeinschaft mit dem früheren KPÖ-Landesparteivorsitzenden Franz-Stephan Parteder und hat einen erwachsenen Sohn. In den Gemeinderat zog Kahr 1993 ein, 1998 übernahm sie die Führung im KPÖ-Klub. In den Jahren 2003 bis 2004 bekleidete sie den Posten einer stellvertretenden Bundesvorsitzenden der KPÖ.