Eiskrippe Graz
APA/Graz Tourismus – Harry Schiffer
APA/Graz Tourismus – Harry Schiffer
Religion

Weihnachtsansprache von Bischof Wilhelm Krautwaschl

Weihnachten ist die Zeit der Familie. Zu zweit sind Maria und Josef zur Volkszählung in Israel aufgebrochen, zu dritt sind sie zurückgekehrt. Die Familie ist die Keimzelle unseres Lebens und damit auch Keimzelle der Gesellschaft. Sie ist der Angelpunkt, um den sich unsere Schicksale drehen. Die Familie ist der Ort, der uns Sicherheit gibt – ein Ort der Verlässlichkeit und der Liebe. Und im Idealfall ist die Familie mehr als nur die Verwandtschaft, umfasst sie Freunde und liebe Bekannte, dehnt sie sich aus in Richtung „Menschheitsfamilie“. Ja, vor Gott sind alle Menschen eine Familie – alle geschaffen nach seinem Ebenbild – alle gleichermaßen gesegnet und wertvoll. Und wir als Getaufte nennen uns ja auch „Brüder“ und „Schwestern“.

Dieses schöne Familien- und Menschenbild ist derzeit erschüttert. Das Coronavirus macht nicht nur medizinische Sorgen, sondern es schadet unserer Gesellschaft auf eine heimtückische Weise – indem es Menschen auseinanderdrängt. Die Fronten sind vielfältig: Geimpfte, Genesene, sogenannte Corona-Leugner, jene, die Angst vor der Krankheit oder vor der Impfung haben. Viele Fronten ließen sich noch nennen.

Verschiedene Meinungen in der Gesellschaft anzutreffen, ist ganz normal. Schlimm hingegen ist, wenn Sorgen, Wünsche oder Bedürfnisse anderer nicht mehr gehört und stattdessen abgetan werden, wenn das Wissen der überwältigenden Mehrheit von Expertinnen und Experten nichts mehr wert ist, wenn nur mehr die eigene Meinung oder die Meinung in der eigenen „Meinungsblase“ zählt, wenn verhärtete Fronten entstehen und Wut und Zorn alles übertönen. Vieles, das passiert, fühlt sich derzeit falsch an. Dabei eint uns doch alle eines: Die Hoffnung auf ein „gutes Leben“, dass uns im Weihnachtsfest durch Jesu Geburt zugesagt wird.

Auch wir als Kirche haben im letzten Jahr nicht alles perfekt gemacht. Viele Menschen haben sich mehr persönliche Unterstützung in der Vielfalt ihrer Nöte gewünscht. – Wer auch immer sich in der letzten Zeit von der Kirche verlassen fühlte, bei der oder dem möchte ich um Verzeihung bitten und versichern: Wir haben uns im Rahmen unseren Möglichkeiten bemüht, so gut wir das konnten. Und das werden wir weiterhin machen.

Manche haben sich da und dort auch klare Positionen erwartet zugunsten des einen oder anderen „Lagers“. Doch Glaube und Kirche bedeuten etwas Anderes und haben einen tiefergehenden Auftrag. Dieser wurzelt und gipfelt zugleich in Weihnachten. Zu Weihnachten geht es nicht um verschiedene Lager, sondern um Einheit, um das Miteinander in Familie und Gesellschaft. Für die Kirche gibt es nur eine Orientierung – nämlich jene an Jesus, dem Sohn Gottes, über dessen Geburt wir uns nun freuen. Und Jesus waren alle Menschen gleichermaßen wichtig.

Im Evangelium nach Johannes heißt es, „er kam…, aber die Seinen nahmen ihn nicht auf“. Skepsis, Sorge, ja sogar Verweigerung gab es ihm gegenüber. Das Weihnachtsfest ist Jahr für Jahr eine Chance, Gottes Sohn bei uns aufzunehmen – persönlich, in unseren Familien und in der Gesellschaft. Dann gilt diese großartige Botschaft für uns: Mit Jesus kam das Licht in die Welt und die Hoffnung, dass stets das Gute siegen wird.

Ich wünsche Ihnen, dass Sie zu Weihnachten und darüber hinaus Geborgenheit erfahren. Ich wünsche Ihnen auch, dass Sie Licht sein können – für Ihre Familien, für Freundinnen und Freunde, für Nachbarn, in der Schule, auf der Uni, bei der Arbeit und sogar für jene, mit denen Sie sich schwertun.

Wenn wir dieses Licht füreinander sind, dann werden alle Probleme klein.

Gottes Segen begleite Sie und Ihre Familien auch im nächsten Jahr. Frohe und gesegnete Weihnachten.