Eiskrippe Graz
APA/Graz Tourismus – Harry Schiffer
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Religion

Weihnachtsansprache von Superintendent Wolfgang Rehner

Weihnachten – alle Jahre wieder erklingt die uralte Geschichte

Es begab sich aber zu der Zeit, dass ein Gebot von dem Kaiser Augustus ausging, dass alle Welt geschätzt würde. Und diese Schätzung war die allererste und geschah zu der Zeit, da Quirinius Statthalter in Syrien war. Und jedermann ging, dass er sich schätzen ließe, ein jeder in seine Stadt.

Jahr für Jahr staune ich, dass in der alten Geschichte Aktuelles mitschwingt. Im Jahr 2021 höre ich von den Steuerlisten zur Zeit des Kaisers Augustus und muss an die Listen der Geimpften bei uns denken. Den einen werden die Listen nicht schnell genug lang genug. Andere fühlen sich mehr und mehr verunsichert: Sind Zahlen verlässlich oder werden sie als Machtinstrument missbraucht?

Da machte sich auf auch Josef aus Galiläa, aus der Stadt Nazareth, in das jüdische Land zur Stadt Davids, die da heißt Bethlehem, weil er aus dem Hause und Geschlechte Davids war, damit er sich schätzen ließe mit Maria, seinem vertrauten Weibe; die war schwanger.

Maria und Josef konnten sich dem nicht entziehen, dass sie in die Liste eintragen werden. Andere aus ihrem Dorf haben sich zum Widerstand zusammengeschlossen. Über viele Jahre gab es gewalttätige Auseinandersetzungen zwischen dieser Gruppe und der Staatsmacht.

Und als sie dort waren, kam die Zeit, dass sie gebären sollte. Und sie gebar ihren ersten Sohn und wickelte ihn in Windeln und legte ihn in eine Krippe; denn sie hatten sonst keinen Raum in der Herberge.

„Kein Raum in der Herberge“… Wie oft wird in rührenden Weihnachtsspielen die Herbergssuche thematisiert, und die Darstellung hat einen Nachgeschmack wie Zuckerguss… Wie oft muss die Herbergssuche neu gelesen werden? In diesem Winter wieder. Man kann nicht ausblenden, dass in den Wäldern an der polnischen Ostgrenze Kinder erfrieren; im Mittelmeer Menschen ertrinken, die eine Herberge suchen, von der sie sich Schutz versprechen vor Verfolgung und Krieg. Bitterer Nachgeschmack.

Und es waren Hirten in derselben Gegend auf dem Felde bei den Hürden, die hüteten des Nachts ihre Herde. Und der Engel des Herrn trat zu ihnen, und die Klarheit des Herrn leuchtete um sie; und sie fürchteten sich sehr.

Warum fürchten sich die Hirten vor dem Licht? Vor einem halben Jahr haben wir alle erleichtert aufgeatmet und der Botschaft vom Licht am Ende des Tunnels gerne geglaubt. Hoffnungsschimmer. Licht als Zeichen für Leben. Die Hirten in der Heiligen Nacht haben wohl in der Klarheit und dem Licht Gottes die Realität ihres Lebens ausgeleuchtet gesehen. Und da kommt eben manches recht schonungslos ans Licht: Die Schmuddelecken werden sichtbar, die Versäumnisse und das Versagen. Deswegen also ihre Furcht. Und ehrlich: Wer von uns möchte, dass das eigene Leben ganz ausgeleuchtet wird? Die Vorstellung, dass jedes Detail meines Lebens ans Licht der Öffentlichkeit gezerrt wird, macht Angst. Weil dann alle über mich urteilen können. Da fürchte auch ich mich sehr – wie die Hirten auf dem Feld von Bethlehem.

Und der Engel sprach zu ihnen: Fürchtet euch nicht! Siehe, ich verkündige euch große Freude, die allem Volk widerfahren wird; denn euch ist heute der Heiland geboren: Christus, der Herr, in der Stadt Davids.

„Heiland“ – das meint: „Erlöser“. „Christ, der Retter ist da“ – danach sehnen wir uns. Vor einem Jahr gab es die erlösende Botschaft: Ein Impfstoff ist da! Das wird die Rettung sein! Und ja: Wie froh bin ich, dass meine alte Mutter geimpft ist und ich als Geimpfter sie besuchen kann. Wie froh bin ich, dass ich mit unseren Enkerln Weihnachten feiern kann und weiß, dass wir das tun, was getan werden kann, um sich und die anderen bestmöglich zu schützen. Dennoch sind Impfung und Rettung nicht gleichzusetzen.

Die rettende Botschaft ist: Gottes Liebe ist wirksamer als das starke Licht, welches mein Leben mit seinen Schmuddelecken ausleuchtet.

Und das habt zum Zeichen: ihr werdet finden das Kind in Windeln gewickelt und in einer Krippe liegen.

Gottes Liebe kommt nicht in festlicher Verpackung. Sie ist unscheinbar wie die Futterkrippe im Stall. Sie ist verletzlich wie das Jesuskind. Dennoch ist Gottes Liebe hochgradig wirksam. Die Botschaft davon soll heute aufleuchten. Obwohl Jesus Christus als Heiland und Retter niemandem eingeimpft werden kann, glaube ich zutiefst, dass er für alle Menschen, für unseren Planeten und die gesamte Schöpfung Heil und Rettung bereit hält.

Maria aber behielt alle diese Worte und bewegte sie in ihrem Herzen. Und die Hirten kehrten wieder um, priesen und lobten Gott für alles, was sie gehört und gesehen hatten, wie denn zu ihnen gesagt war.

Gesegnete Weihnachten!