Eine psychisch erkrankte Frau sitzt mit gefaltenen Händen auf einem Sessel.
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Coronavirus

Psychische Erkrankungen nehmen weiter zu

Dass uns die Pandemie so lange begleiten wird, das hat vor knapp zwei Jahren wohl kaum jemand angenommen. Seit Monaten nehmen Fälle von psychischen Problemen oder Erkrankungen zu – und Experten rechnen mit einem weiteren Anstieg.

Bereits im ersten Lockdown habe man einen Anstieg an Therapieanfragen festgestellt, sagt Lukas Wagner vom steirischen Landesverband für Psychotherapie – er spricht von einer Verdoppelung, in schwierigen Zeiten wie etwa rund um Weihnachten oder im Winter sogar von einer Verdrei- oder Vervierfachung.

Therapien dauern länger

Zudem dauern die Therapien länger als vor der Krise, „weil Corona einfach eine andauernde Zusatzbelastung ist und man so viel schwieriger zu dem kommt, sich um die eigentlichen Themen zu kümmern, wenn es Corona nicht in der Form gäbe“, so Wagner.

CoV als Brennglas

Die Themen der Klienten seien breit gestreut: CoV wirke da wie ein Brennglas – Probleme, die die Menschen vorher schon hatten – wie soziale Zurückgezogenheit oder Probleme in der Familie – würden sich nun weiter verstärken. Viele würden aber auch stark durch die Krise kommen und erst danach einen Einbruch erleiden, sagt der Leiter der Abteilung für Psychiatrie und Psychotherapie am LKH Graz 2, Michael Lehofer.

Anstieg an Spitalspatienten wird erwartet

Er rechnet nach der Pandemie mit einem Anstieg an Spitalspatienten – das kenne man von anderen Epidemien oder auch Kriegen, „dass sich das Traumagedächtnis das merkt, sodass wir durch die Krise einerseits verletzt sind, aber auch durch die Krise geschützt sind, und ich rechne in Zukunft mit einer erhöhten Inzidenz von psychischen Erkrankungen auch im Spital“, so Lehofer.

„Jetzt wurschteln wir uns durch“

Eine Befürchtung, die auch Psychotherapeut Lukas Wagner teilt: „Ich glaube, dass viele in einem ‚Funktionieren-Modus‘ sind. Aber Aufarbeitung wird beginnen, wenn das überstanden ist, und dann, glaub ich, wird eine große Welle an Traurigkeit kommen. Jetzt wurschteln wir uns durch, aber irgendwann werden wir uns damit beschäftigen müssen, als Gesellschaft, als Individuen, als Familien, dass jahrelang ein Ausnahmezustand war.“

Der Appell lautet: Hilfe von Psychotherapeuten oder Psychiatern in Anspruch nehmen, sobald man das Gefühl hat, es könnte allein nicht mehr gehen.