Chronik

Test im Freien: „Instrumentalisierung“

Der Fall eines Voitsberger Volksschülers, der einen Schultest im Freien geschrieben hat, sorgt weiter für Aufregung. Der Bub hätte nie in diese Situation gebracht werden sollen, heißt es nun es von der Kinderanwaltschaft, die von „Instrumentalisierung“ spricht.

In sozialen Netzwerken sorgt seit Donnerstag der Fall eines neunjährigen Schülers einer Volksschule in Voitsberg für Aufregung: Er hatte seinen Sachunterrichtstest bei minus ein Grad Celsius im Freien vor dem Klassenraum geschrieben; auf dem Foto – das seine Eltern gemacht haben – sitzt der Bub nach vorne gebeugt in Winterkleidung am offenen Fenster vor der Klasse.

Das Foto
APA/zVg
Das betreffende Bild

Die Teilnahme an dem Test war freiwillig, betonte die Bildungsdirektion. Der hauptverantwortliche Jurist und stellvertretende Bildungsdirektor Bernhard Just sagte, es wäre um einen kurzen Lernbeweis gegangen, den der Bub selbst abgeben wollte: „Dieses Kind hat diesen Test mit Zustimmung der Eltern freiwillig durchgeführt, gleich am ersten Tag nach den Weihnachtsferien. Das Kind sollte von der Schule abgemeldet werden, die Eltern haben aber darauf bestanden, er hat über die Ferien so viel im Sachunterricht gelernt, dass er diese eine Lernzielkontrolle, diesen einen Lernbeweis noch erbringen möchte. Die Lehrerin hat sich überreden lassen, die Unterlagen durch ein Fenster rauszugeben, so ist das zustande gekommen.“

Attest von Impfskeptiker abgelehnt

Die Eltern hatten ein Maskenbefreiungsattest vorgelegt, das „musste erst geprüft werden, das war Montagvormittag noch nicht so weit“, so Just. Laut einem Bericht der „Kleinen Zeitung“ waren die Eltern in den Weihnachtsferien bei einem Arzt, um ein Attest für ihren Buben ausstellen zu lassen. Bei dem Arzt handelt es sich um den Impfskeptiker Klaus Bielau, der nach einer Impfgegnerdoku 2019 von der Ärztekammer angezeigt worden war; gegen ihn läuft ein Disziplinarverfahren – und genau damit begründet die Bildungsdirektion Steiermark ihre letztliche Entscheidung, das Attest zur Maskenbefreiung abzulehnen.

Vater: „Es wird sich wohl ein Platzerl finden lassen“

Markus Fischer, der Vater des Buben, sagte zum ORF Steiermark, die Eltern hätten sich eine Überprüfung im Freien nicht gewünscht: „Ich hab zu den Lehrerinnen am Telefon gesagt, es wird sich wohl irgendwo ein Platzerl finden lassen in Voitsberg, wo er den Test schreibt, dass das dann im Freien war, das hab ich mir nicht gewünscht.“ Damit widerspricht er der Bildungsdirektion, die in einer Aussendung deutlich machte, dass der Vater den Vorschlag machte, dass „das Kind im Freien arbeiten solle, wenn ein Betreten des Schulhauses nicht möglich sei“.

Test im Freien: „Instrumentalisierung“

Das Foto eines Buben, der bei der eisiger Kälte im Freien vor seiner Schule sitzt und offenbar dort einen Test schreibt, sorgt nicht nur in den sozialen Medien für Aufregung – laut den Eltern durfte ihr Kind trotz Maskenbefreiung nicht in die Schule. Dort heißt es, man habe den Eltern nur entgegenkommen wollen, sie hätten gewünscht, dass der Neunjährige am Test teilnimmt.

Fischer seinerseits kritisierte die Schulleitung: „Wenn die Direktorin wirklich Wert darauf gelegt hätte, dass das Ganze ein Ende hat oder gar nicht anfängt, hätte sie wenigstens bei der Bildungsdirektion anrufen können und den Sachverhalt abklären.“

Kinderanwaltschaft spricht von „Instrumentalisierung“

Die Eltern nahmen den Neunjährigen mittlerweile aus der Schule. Das Foto haben sie selbst gemacht, sie hätten es allerdings nicht in die sozialen Netzwerke gestellt; wie das zustande kam, ist unklar.

Diesbezüglich schaltete sich am Freitag aber auch die Kinderanwaltschaft ein – denn was nicht passieren dürfe, sei, dass Kinder instrumentalisiert würden, hieß es von der steirischen Kinder- und Jugendanwältin Denise Schiffrer-Barac: Es sei die Pflicht der Eltern, dafür zu sorgen, dass ihr Kind nicht in eine derartige Situation wie dieser Volksschüler gebracht werden.

„Aus unserer Sicht, und wir haben ja ganz klar den Zugang der Kinderrechte, ist es absolut eine Instrumentalisierung von einem Kind, das mit neun Jahren die Tragweite dieser ganzen Geschichte ja überhaupt nicht abschätzen kann. Und es ist nicht im Sinne des Kindswohls, dass man Kinder oder auch Jugendliche in solche Situationen bringt“, so Schiffrer-Barac.

Erschwerend sei, dass das Kind aus dem ländlichen Raum stamme und durch die Fotos leicht erkannt und stigmatisiert werden könne, so Schiffrer-Barac weiter – hier werde eben nicht im Sinne des Kindeswohls gehandelt, „sondern missbraucht oder instrumentalisiert“.

„Stückweise von den Eltern positioniert“

„Diese Bilder wurden auch ein Stück weit durchaus von den Eltern positioniert, um ein Kind öffentlich und über Facebook bloßzustellen; auch wenn das Gesicht vielleicht nicht gezeigt wird auf gewissen Bildern, dann ist das eine Bloßstellung, und das darf einfach nicht im Sinne der Kinderrechte und des Kindeswohl passieren“, so die Kinderanwältin.

Bei der Kinder- und Jugendanwaltschaft verwies man darauf, dass es bereits ähnlich gelagerte Urteile des Obersten Gerichtshofes über Postings in sozialen Medien gibt, wonach die Persönlichkeitsrechte des einzelnen Kindes höher wiegen als das öffentliche Interesse, mögliche Missstände aufzuzeigen.

Keine Konsequenzen für Lehrerin und Direktorin

Eine Konsequenz des Falls war ein Dienstgespräch für die Verantwortlichen in der Volksschule Voitsberg mit der Bildungsdirektion – ein Gespräch, das laut Aussendung aber keine weiteren Konsequenzen nach sich zieht: Demnach wurde „keinerlei dienstrechtliches Fehlverhalten festgestellt. Der Schüler war zum Zeitpunkt der Fotoaufnahme entschuldigt, es bestand keine Aufsichtspflicht durch die Schule. Auch wenn keine dienstrechtliche Verfehlung vorliegt, ist die Vorgangsweise im vorliegenden Fall sehr unglücklich gewählt. Die Schulaufsicht wird ein aufklärendes Gespräch mit dem Kollegium am Standort führen, um weiterhin das hohe Niveau der Covid-Sicherheitsmaßnahmen zu gewährleisten und gleichzeitig einen angemessenen, sensiblen Umgang mit Sonderfällen sicherzustellen“, hieß es in der Aussendung vom Freitag.

Drohungen gingen „weit über die Grenzen hinaus“

Sehr wohl Konsequenzen gebe es aber „für diejenigen, die da Falschmeldungen verbreiten, Drohungen aussprechen. Da ist die Polizei, soweit ich weiß, schon involviert, um Leute auch zur Rechenschaft zu ziehen, die aus einer möglicherweise verständlichen Erregung – wenn man so ein Bild sieht – weit über jede Grenze gehen“, so Jurist Just. Das Ausmaß der Falschmeldungen, Beschimpfungen und auch Drohungen in Richtung der Schule sei erschreckend.

Der Beitrag mit dem Foto auf Facebook wurde bis Freitagmittag schon mehr als 12.000-mal geteilt, wobei da im Text davon die Rede ist, dass der Schüler den Test hätte schreiben müssen – und nicht, dass es sein eigener Wunsch war und die Eltern auch einverstanden waren. In den Kommentaren waren daher unterschiedliche Reaktionen zu finden: Die einen fühlten sich in ihrer impfkritischen Haltung bestätigt und fragten nicht nach Hintergründen. Andere wiesen darauf hin, dass der Test freiwillig war.

Kein Einzelfall

Überhaupt dürfte die Situation kein Einzelfall sein: Immer wieder müssen Lehrerinnen und Lehrer bei Maskenbefreiungen von Schülerinnen und Schülern Situationen lösen. „Es mehren sich Fälle, in denen Lehrer anfragen, wenn Eltern Corona-Maßnahmen ablehnen“, hieß es seitens der Bildungsdirektion gegenüber der APA.

Die Gründe für die Maskenpflichtbefreiung für den Buben sind übrigens nicht bekannt, diese würden laut dem Vater „der ärztlichen Schweigepflicht unterliegen“. Laut Bildungsdirektion wurde der Schüler mittlerweile an seiner neuen Schule gut aufgenommen und hält die Covid-Bestimmungen ein.