Reinhard P. Gruber
APA/PRIVAT/DORIS GRUBER
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Kultur

Der „Heimatentheoretiker“: Reinhard P. Gruber ist 75

Reinhard P. Gruber hat eine literarische Figur geschaffen, die mit zu den prominentesten Steirern zählt: den „Hödlmoser“. Am Donnerstag feiert der Schriftsteller, der kritisch und ironisch Heimatbegriff und gesellschaftliche Zustände hinterfragt, 75. Geburtstag.

„Steirerblut ist kein Himbeersaft“ heißt es in dem 1973 erschienenen Roman „Aus dem Leben Hödlmosers“: Mit dieser Satire, in dessen Mittelpunkt ein Obersteirer mit Hang zu Gewalt, stark ausgelebter Sexualität und Alkoholismus steht, hat Reinhard P. Gruber seinen literarischen Durchbruch geschafft. In ihm hat der aus der Obersteiermark stammende, damals 26-jährige Student der Theologie und Philosophie gegen das angestaubte Genre des Heimatromans angeschrieben und emotional und ideologisch aufgeladene Heimat-Diskurse ins Lächerliche gezogen.

Parodistisch-satirisch

Die parodistisch-satirische Grundausrichtung seines Schreibens trat schon 1971 mit seinem Debüt „Alles über Windmühlen“ zutage: In diesem Traktat über unter anderem „die windlose landschaft und ihre prinzipien den windmühlen gegenüber“ nimmt der damals 24-Jährige Wissenschaftsdiskurse satirisch aufs Korn. Die Sprach- und Wissenschaftskritik, die Anfang der 70er-Jahre bei den jungen Autoren der „Grazer Gruppe“ eine zentrale Rolle spielte, war auch bei Gruber ein Hintergrund, wie Daniela Bartens und Gerhard Fuchs – die Herausgeber des im Grazer Droschl-Verlag erschienenen Dossier-Bandes zu Reinhard P. Gruber – schon 2011 zusammenfassten.

„Die Heimat ist dort zuhause, wo ich wohne“

„Die verschiedenen wirklichkeiten, die mit verschiedenen sprachen erlernt werden, müssen lächerlich gemacht werden, zerstört werden – um zu zeigen, daß die sprache, die die herstellerin dieser wirklichkeiten ist, keine sicherheiten bieten kann, bloß fiktive wirklichkeiten erzeugen kann“, fordert er in einem undatierten Typoskript aus dem Vorlass im Besitz des Landes Steiermark. „Die Heimat ist dort zuhause, wo ich wohne. Wenn ich sie verlasse, ist sie allein“, unterminierte er beispielsweise 2002 in „Vollständige Beschreibung der Welt und Umgebung“ gängige Heimatkonzepte. Der Grazer Germanist Kurt Bartsch hat auf ihn in diesem Zusammenhang den Begriff „Heimatentheoretiker“ zugeschrieben.

Reüssierte auch als Bühnenautor

Zuspitzung, Übertreibung, Sprachspielerei und das parodistische Spiel mit Textsorten und Gattungen waren von Beginn an die Stilmittel von Reinhard P. Gruber, dessen Lebensweg vom obersteirischen Fohnsdorf über Wien und Graz schließlich in die Weststeiermark bei Stainz führte. Diese Region rund um die Schilcher-Weinstraße wurde immer wieder Schauplatz seiner Satire. Neben dem „Hödlmoser“ machte ihn das „Schilcher-ABC“ (1988) zu einem viel gelesenen Autor. Mit „Heimatlos – eine steirische Wirtshausoper in einem steirischen Rausch“ (1985) und der „Geierwally“ (1996) reüssierte er auch als Bühnenautor.

Von Asterix bis zum „Kochbuch für harte Zeiten“

Neben den in über 30 Jahren publizierten Romanen, Erzählungen, Essays, Glossen und Gedichten findet sich auch ein Kinderbuch („Fritz das Schaf“). Daneben hat Gruber „Asterix und der Avernerschild“ und „Asterix bei den Olympischen Spielen“ in die steirische Mundart übersetzt. Er hat ein „Piefke-Wörterbuch“ (2006) und ein Comic über den Schilcherwein („Der Schilcherkrieg“, 2009) vorgelegt und mit „Einfach essen!“ (2010) ein „Kochbuch für harte Zeiten“ geschrieben: In ihm hat er neben Rezepten auch seine Gedanken über das Kochen, die Küche, den Hunger und die Globalisierung festgehalten.

Reinhard P. Gruber feiert 75. Geburtstag

Am Donnerstag feierte Literat Reinhard P. Gruber seinen 75. Geburtstag. Bekannt wurde er mit „Aus dem Leben Hödlmosers“ im Jahr 1973. Auch die Asterix-Übersetzung ins Steirische stammt von ihm.

Neben weiteren Auszeichnungen wurde Gruber der „manuskripte“-Preis (1995) sowie der Österreichische Würdigungspreis für Literatur (2002) zuteil. 1997 wechselte Gruber vom Salzburger Residenzverlag zum Grazer Droschl-Verlag, der seither auch sukzessive sein Gesamtwerk neu verlegt – bereits 2011 hat der Verlag einen Materialien-Band zum Autor in seiner „Dossier“-Reihe präsentiert.

Zuletzt zunehmend direkter und ernster

In seinem vorerst letzten Band „Anders denken“ (2020) ist der Sprachwitz und die Ironie in den Hintergrund getreten: In ihm prangerte er unter anderem Gier und Luxus, die Ignoranz gegenüber der Klimaerwärmung wie auch die Ausbeutung der Menschen durch Arbeit und Ökonomie an, schrieb aber auch von der Sehnsucht nach Solidarität und schlug neue Wege des Denkens und Handelns vor.

„Der Kampf ums Überleben – das ist geblieben vom gloriosen Fortschritt, von der Wissenschaft, der Technik, vom Kapitalismus. An die Wand gefahren, die Systeme des Wachstums. Jetzt muss aber noch eine Wende kommen: nicht nur der Überlebenskampf steht vor uns, das Übrigbleiben als Dahinvegetierende, sondern ein Überleben, das sich auch auszahlt, für das es zu kämpfen gilt: das Überleben in Freiheit. (…) Nicht ein Überleben brauchen wir, sondern ein Leben mit Sinn“, liest man da sehr ernste Worte.

Weltlage „regt nicht an, sondern auf“

Gruber verbringt seinen Alltag vor allem unter der schönen Adresse „Wald-Süd“ in der weststeirischen Gemeinde Stainz. Zu den täglichen Gewohnheiten zählen Spaziergänge mit dem Hund und die Beobachtung der Weltlage auf verschiedenen Kanälen. Diese rege ihn aktuell „nicht zum Schreiben an, sondern vielmehr auf. Es wird immer banaler, die Herausforderungen liegen auf der Hand, doch die Politik weltweit reagiert nicht“, wie er im Gespräch mit der APA sagte.

Keine Lust auf große Feiern

Wer ihn vormittags anruft, kann im Hintergrund durchaus auch klassische Musik zu Gehör bekommen: „In der Studentenzeit habe ich mich sehr mit Jazz beschäftigt und die klassische Musik ausgeklammert, das versuche ich jetzt nachzuholen“, so Gruber, der dazu durchaus auch längere Wege zu Konzerten in die Landeshauptstadt in Kauf nimmt. Den Geburtstag will er „ohne große Feierlichkeiten“ verbringen: „Ich freue mich sehr, dass ich ihn erlebe, aber ich habe keine Lust, ihn groß zu feiern und werde ihn im familiären Kreis zubringen“, verriet der Schriftsteller.