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Landtagssitzung im Zeichen des Ukraine-Kriegs

Die Sitzung des Landtages am Dienstag war maßgeblich vom Ukraine-Krieg mitbestimmt: Alle Fraktionen verurteilten den russischen Angriff, Lob gab es für die Hilfsbereitschaft der Steierinnen und Steirer.

Zunächst nahm Landtagspräsidentin Manuela Khom (ÖVP) zur „Ist-Situation“ Stellung: „Das Austauschen von Meinungen hier ist für uns oft selbstverständlich, Frieden ist offenbar keine Selbstverständlichkeit“, sagte Khom: „Krieg ist immer ein Bruch mit der Menschlichkeit, sie aufrecht zu erhalten bedingt einiger Mühen aber dies alles ist es wert, und keine Zeit dafür ist zu schade.“

Der ÖVP-Abgeordnete Lukas Schnitzer sagte, „mit dem 24. Februar hat sich die Welt und Europa verändert, in erster Linie für die Menschen in der Ukraine. Wir dachten, das gehört der Vergangenheit an“. Es sei ein „verbrecherischer Angriffskrieg“ ausgelöst worden durch den „verbrecherischen Aggressor“ (russischen Präsidenten Wladimir, Anm.) Putin. Das sei auch ein Angriff auf „unsere liberale Demokratie und unser westliches Lebensmodell, wofür sich die Ukraine 1991 entschieden hat.“ Danach attackierte Schnitzer den Abgeordneten Werner Murgg (KPÖ), dem er eine „fragwürdige Reisepolitik und ein Schönreden 2021 im belarussischen Staats-TV“ vorwarf, in Bezug auf die selbst ernannten „Volksrepubliken“ und die Situation in Belarus. Murgg möge sich distanzieren und entschuldigen – mehr dazu in KPÖ: TV-Auftritt von Murgg bleibt folgenlos (6.10.2021).

„Aus trügerischem Traum gerissen“

Landesrat Christopher Drexler (ÖVP) erklärte in Vertretung des an Covid erkrankten Landeshauptmanns Hermann Schützenhöfer (ÖVP) – mehr dazu in Landeshauptmann Schützenhöfer CoV-positiv –, mit dem 24. Februar seien viele aus einem trügerischen Traum gerissen worden, dass Europa ein Kontinent des Friedens, der Freiheit und Demokratie sei – nun seien die für ausgetrieben gehaltenen Geister des 20. Jahrhunderts wieder da. „Wir haben mit den steirischen Partnerregionen in Polen und der Ukraine Kontakt zur Unterstützung aufgenommen. Und wir haben die Beziehungen zu russischen Partnerregionen sistiert, denn es darf keine Missverständlichkeit gegenüber einem verbrecherischen Krieg geben“, so Drexler.

Soziallandesrätin Doris Kampus (SPÖ) berichtete von bisher weit über tausend in der Steiermark angekommen ukrainischen Flüchtlingen und enormer Hilfsbereitschaft der Steirer: Rund 500 Geflüchtete seien privat untergekommen, rund 400 vom Bund in die Steiermark geschickt worden; über 4.000 Quartiere seien von steirischen Familien gemeldet worden – mehr dazu in Zahl der ankommenden Flüchtlinge steigt.

Landesverteidigung, „die diesen Namen verdient“

Der frühere Verteidigungsminister und jetzige FPÖ-Klubchef Mario Kunasek sagte, die Verletzung des Völkerrechts und der territorialen Integrität der Ukraine sei selbstverständlich auf das Schärfste zu verwerfen. Er warne davor, vor Betroffenheit in Schockstarre zu gehen: „Was es nicht sein kann, ist, unsere Neutralität aufgrund kriegerischer Auseinandersetzung über Bord zu werfen oder weiter auszuhöhlen, das müssen wir parteiübergreifend außer Streit stellen und uns zu einer umfassenden Landesverteidigung bekennen, die diesen Namen verdient.“

„Langen Atem behalten“

Grünen-Klubchefin Sandra Krautwaschl sagte: „Putins furchtbarer Angriffskrieg zeigt uns eine Fratze, die wir uns – meine Generation – niemals hätten vorstellen können. Es wird wichtig sein, einen langen Atem zu behalten. Die Ereignisse führen uns unsere Abhängigkeit vom System Putin vor Augen. Es ist die Folge von kurzsichtigen Entscheidungen seit Jahrzehnten, schon vor 15 Jahren hatten meine Grünen Kolleginnen im Nationalrat ‚Pellets statt Putin‘ gefordert.“ Dennoch hänge man immer noch an der Gas-Spritze Putins, das sei unerträglich: „Der Ausweg ist sehr klar – der Ausbau erneuerbarer Energien, der maßvolle und effiziente Einsatz von Energie. Wir können das tote Pferd fossile Energie nicht länger reiten“, so Krautwaschl.

Lob für Soforthilfen

KPÖ-Klubchefin Claudia Klimt-Weithaler nannte den Einmarsch völkerrechtswidrig und schärfstens zu verurteilen. „Ich zitierte den Ex-Landesvorsitzenden der KPÖ, Franz Stephan Parteder: ‚Putin ist weiter weg von der KPÖ als von der russisch-orthodoxen Kirche‘“. Klimt lobte alle finanziellen und strukturellen Soforthilfen in der Steiermark. Auf die Vorwürfe gegen ihren Abgeordneten-Kollegen Werner Murgg – denen sich NEOS anschloss – ging die Klubchefin nicht ein.

Rücktrittsaufforderungen an Werner Murgg

NEOS-Klubchef Niko Swatek rekapitulierte: „Vor knapp drei Wochen log Putin sein Volk und seine Soldaten an, um einen Angriffskrieg zu führen.“ KPÖ-Mandatar Murgg warf er u.a. illegales Einreisen über Russland in die selbst ernannte Volksrepublik Donezk über Russland vor: „Wer Völkerrechtsbruch feiert, hat im Landtag keinen Platz“, forderte auch er den Abgeordneten zum Rücktritt auf.

ÖVP-Abgeordneter Erwin Dirnberger verlangte daraufhin gegen Mittag die Einberufung der Landtagspräsidiale, um über die Rücktrittsforderung zu beraten. Seitens der KPÖ hieß es dazu, die Vorsitzführung sehe keinen Handlungsbedarf, dies sei eine Entscheidung auf Parteiebene. ÖVP und SPÖ teilten am Nachmittag dazu in einer gemeinsamen Erklärung mit, ihre Mandatare würden künftig aus Protest gegen Murggs Haltung bei Reden des Abgeordneten den Sitzungssaal verlassen, bis sich dieser entschuldige und distanziere.

Landtagssitzung im Zeichen der Ukraine

Die Sitzung des Landtages am Dienstag wurde maßgeblich vom Ukraine-Krieg mitbestimmt: Die Tagesordnung war dominiert von den Folgen des Krieges, von flüchtenden Menschen bis zu den steigenden Energiepreisen.

Die FPÖ warf diesbezüglich vor allem der SPÖ eine „gehörige Portion Doppelbödigkeit“ vor, wie der Abgeordnete Stefan Hermann in einer Reaktion sagte: Immerhin befinden sich die Sozialdemokraten in Graz in einer fixen Koalition inklusive entsprechendem schriftlichen Abkommen mit der KPÖ. „Wenn es die SPÖ ernst meint mit ihrer Protesthaltung gegenüber den strikt abzulehnenden kommunistischen Umtrieben in der Steiermark, dann sollte sie noch heute ihre Zusammenarbeit mit der Grazer KPÖ kündigen“, so Hermann.

„Leid von Menschen für politisches Kleingeld missbraucht“

Bei der KPÖ sah man die aktuelle Stunde und das Leid von Menschen in der Ukraine dazu missbraucht, um politisches Kleingeld zu wechseln. Murgg selbst bezog am Nachmittag schriftlich Position: Ziel der Delegation im Mai 2019 sei es gewesen, sich vor Ort ein Bild von der Lage in den selbst ernannten Volksrepubliken Luhansk und Donezk zu machen und gemäß dem Motto der Reise – und ganz im Sinne der österreichischen Neutralität – „Dialog, Demokratie, Föderalismus und Selbstbestimmung“ zu fördern.

Die Reise habe in einer Zeit stattgefunden, als der Normandie-Prozess und das Minsker Abkommen den Frieden in dieser von kriegerischen Auseinandersetzungen so stark geschundenen Region in der Ostukraine in greifbare Nähe gerückt hatten. Der Minsker Friedensprozess sollte im Kern eine starke Autonomieregelung und somit das Zusammenleben aller ermöglichen – dazu bekenne er, Murgg, sich „selbstverständlich bis heute“. Dass der Konflikt vor wenigen Tagen im Einmarsch Russlands in die Ukraine gipfelte und Putin die Waffen dem Dialog vorzog, „wird von der KPÖ Steiermark und Werner Murgg zutiefst bedauert und aufs Schärfste verurteilt“.

Eibinger-Miedl: Airpower Sache des Bundesheeres

Thema war schließlich auch die Airpower 2022: Die KPÖ fragte Wirtschaftslandesrätin Barbara Eibinger-Miedl (ÖVP), ob sie nach wie vor für eine Austragung der Airpower 2022 eintritt – die Kommunisten sehen es als unangebracht an, eine Leistungsschau von Militärflugzeugen unweit eines Krieges, der derzeit auch aus der Luft ausgetragen wird, abzuhalten. Eibinger-Miedl zeigte Verständnis für die Kritik, verwies aber an das Bundesheer bzw. das Verteidigungsministerium – dort wiederum hält man an der Airpower fest.