Claudia Schönbacher und Axel Kassegger (beide FPÖ)
APA/ERWIN SCHERIAU
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Politik

Grazer FPÖ arbeitet „Sauhaufen“ auf

Nach den Turbulenzen des vergangenen Jahres hat sich die Grazer FPÖ bei einem Stadtparteitag neu aufgestellt: Claudia Schönbacher als Stadtparteiobfrau und Axel Kassegger als Geschäftsführer sollen die Partei wieder in bessere Zeiten führen.

Die Grazer FPÖ war bis zum Vorjahr zusammen mit dem ehemaligen Bürgermeister Siegfried Nagl (ÖVP) in einer Koalition. Nicht nur Nagl musste für Elke Kahr (KPÖ) seinen Platz räumen, auch der Ex-Vize Mario Eustacchio (FPÖ) musste bei der Wahl im September 2021 herbe Verluste hinnehmen.

Der Ruf nach Konsequenzen wurde damals immer lauter. Als dann auch noch Enthüllungen rund um Spesen-Ausgaben und möglicherweise illegalen Entnahmen aus der Parteikasse ans Licht kamen und der ehemalige Finanzreferent Selbstanzeige erstattete, brachen die Dämme: Eustacchio und der frühere Klubchef Armin Sippel zogen sich zurück; mittlerweile ist der ehemalige Vizebürgermeister sogar aus der Partei ausgetreten – mehr dazu in Eustacchio aus FPÖ ausgetreten (17.12.2021).

Doppelspitze mit Schönbacher und Kassegger

Binnen weniger Tage musste die Nachfolge geregelt werden: Mit Claudia Schönbacher fand sich eine langjährige Gemeinderätin, die den Job als Stadträtin antrat und nun auch beim Parteitag laut Delegiertenmappe zum „Stadtparteiobmann“ gewählt wurde. Von den 172 Delegierten stimmten 165 ab, von ihnen votierten aber nur 121 für Schönbacher – 44 waren Gegenstimmen oder enthielten sich der Stimme.

An ihrer Seite übernimmt Kassegger die Geschäftsführung. Hinzu kommen acht Stellvertreterinnen und Stellvertreter, darunter auch Michael Winter, Sohn der ehemaligen Stadträtin Susanne Winter, der 2008 mit Äußerungen zu Muslimen für Aufregung gesorgt hatte.

„Ich spüre eine Aufbruchstimmung“

In den Begrüßungsworten unter dem Motto „Zurück zur Basis – mutig, bürgernah, verbindend“ meinte Schönbacher: „Ich spüre eine Aufbruchstimmung.“ FPÖ-Landesparteisekretär Stefan Hermann blickte vor den 172 Delegierten zurück: „Die letzten Wochen und Monate waren alles andere als einfach: Es gab Niederlagen, es gab Misstrauen, und die Stimmung war nicht besonders gut. Aber es gab auch Größe: Leute haben Verantwortung übernommen und arbeiteten an der Aufklärung mit. Die Doppelspitze ist das richtige Signal, denn es geht nicht um persönliche Befindlichkeiten, sondern es geht darum, für Graz zu arbeiten und die FPÖ Graz zu alter Stärke zu bringen.“

„Stabilität, Verlässlichkeit und Transparenz“

Der neue Finanzreferent René Apfelknab versuchte in seinen Worten, Transparenz zu unterstreichen: „In der Vergangenheit ist so einiges passiert, Fehler und so manche Missstände. Die müssen wir verhindern, daher wurden Schritte mit klaren Regeln festgesetzt.“ Man habe nun unter anderem das Sechs-Augen-Prinzip eingeführt. Sein Budget stehe für „Stabilität, Verlässlichkeit und Transparenz“.

„Blumenkonten“ und „Wurmlöcher“

Der laut Klubobmann Alexis Pascuttini „niederschmetternde Bericht“ von Rechnungsprüfer Karlheinz Morré räumte mit der Vergangenheit auf: Ihm sei jahrelang lediglich das „Blumenkonto“ mit etwa 15.000 Euro zur Prüfung vorgelegt worden – „hauchdünne Ordner“ seien es gewesen. Als der Skandal ans Licht kam, tauchten nach und nach weitere Konten auf – „Wurmlöcher“, wie es Morré sagte. „Als Rechnungsprüfer fühle ich mich von gewissen Herrschaften gefrotzelt.“ Er lobte die Aufklärungsarbeit von Sippel und Roland Lohr, bei anderen habe sich offenbar „Alzheimer“ breitgemacht. „Ich verstehe eure Wut, dass manche die Parteikasse als Selbstbedienungsladen gesehen haben.“

Nach Aufarbeitung aller Konten und Bücher seien mehr als 1,1 Millionen Euro an Geldflüssen „nicht aufklärbar“ – mehr dazu in FPÖ: Höherer Schaden bei Finanzaffäre erwartet (26.2.2022): „Noch nie habe ich so einen Sauhaufen in der Gebarung vorgelegt bekommen“, kritisierte Morré weiter. Bis zu 50.000 Euro seien bar bei Banken von den Konten abgehoben und „im Plastiksackerl durch die Herrengasse“ getragen worden.

Pascuttini indessen versprach, dass es unter Schönbacher, Kassegger und ihm als Klubchef so etwas „nie mehr wieder“ geben werde und erntete dafür Applaus. Man habe bei der Aufarbeitung niemanden geschont und mit den neuen Regeln garantiere er, dass künftiger Missbrauch ausgeschlossen werden kann.

„Freunde und Mitstreiter bestiehlt man einfach nicht“

Schönbacher unterstrich, dass es nun nur mehr ein einziges Konto der FPÖ Graz gibt und sie als Stadträtin ein Verfügungskonto hat. Mit dem Sechs-Augen-Prinzip werde Missbrauch unterbunden, sagte die gelernte Friseurin „aus einer einfachen Arbeiterfamilie“. Sie meinte, dass solche Skandale passieren, „wenn man den Draht zur Basis verliert. Freunde und Mitstreiter bestiehlt man einfach nicht.“ Applaus kam auf – auch am Ende ihrer Rede, Standing Ovations blieben allerdings aus.

Nationalratsabgeordneter Kassegger sagte schließlich, dass es „keine Kämpfe“ um die neue Führung in der Partei gegeben habe: „Es gab unterschiedliche Meinungen, Team eins und Team zwei.“ Die Doppelspitze sei nun ein Kompromiss, bei dem jeder das einbringen könne, was er könne.