Landwirtschaft, Maisernte im Innviertel
Daniel Scharinger
Daniel Scharinger
Landwirtschaft

Kostenexplosion: Bauern fordern Entlastungen

Neben der Industrie schlägt auch die Landwirtschaft angesichts der Energiepreise und Lieferschwierigkeiten Alarm. Die steirische Kammer und Agrarlandesrat Hans Seitinger (ÖVP) legten am Mittwoch sieben Maßnahmen vor, die Bauern entlasten sollen.

Der Präsident der Landwirtschaftskammer Steiermark, Franz Titschenbacher, sieht ein existenzbedrohendes Problem: Die Agrarwirtschaft soll auf der einen Seite Ernährungssouveränität garantieren, aber auf der anderen Seite sei diese kaum zu erfüllen, weil Bauern beispielsweise auf um 200 Prozent teurere Düngemittel angewiesen sind und selbst mit den steigenden Kosten kämpfen müssen.

Massive Kostensteigerungen auf allen Gebieten

Titschenbacher nannte Beispiele für die Kostensteigerungen innerhalb des vergangenen Jahres: Mit Erdgas erzeugter Stickstoffdünger wurde um 201 Prozent teurer (von 32,43 Cent/kg auf 97,75 Cent/kg), das Futter für die Geflügelmast um 66 Prozent (statt 44,64 Cent/kg nun 74,02 Cent/kg); Diesel kostet nun um 56 Prozent mehr (von 116 Cent/l auf 181 Cent/l), und der Preis von Eiweißfutter stieg um 45 Prozent (von 44,64 Cent/kg auf 74,02 Cent/kg). Gleichzeitig beträgt der durchschnittliche Stundenlohn für Landwirte nach Abzug der Sozialversicherungsbeiträge nur mehr 7,50 Euro.

Bauern fordern Entlastung

Neben der Industrie schlägt auch die Landwirtschaft angesichts der Energiepreise und Lieferschwierigkeiten Alarm. Die steirische Kammer und Agrarlandesrat Hans Seitinger (ÖVP) legten am Mittwoch sieben Maßnahmen vor, die Bauern entlasten sollen.

Kosten auf Erzeugerpreise umlegen

Darum wurde nun ein sieben Punkte umfassendes Entlastungspaket vorgestellt: Die gestiegenen Kosten müssen auf die Erzeugerpreise umgelegt und auch bezahlt werden. Der Handel und die Lebensmittelverarbeiter seien da gefordert.

„Ernährungs-Souveränitäts-Hunderter“

Weiters sei der „Ernährungs-Souveränitäts-Hunderter“ vom Bund nötig: Konkret sollen 100 Euro pro Hektar bewirtschafteter Fläche zur Abmilderung der Kostenexplosion bereitgestellt werden. Zudem soll es für die Mineralölsteuer für agrarisch verwendeten Diesel eine maximale Rückerstattung geben. Landwirtschaftliche Produktionskapazitäten sollen voll ausgeschöpft werden dürfen: „Wir wollen damit die Biodiversität nicht aufgeben, aber die Produktion muss gesichert werden“, so Titschenbacher.

Düngemittel selbst produzieren und Bioenergie ausbauen

Weiters müsse Europa Düngemittel wieder selbst produzieren und die Russland-Abhängigkeit aufgeben. In Anlehnung an die Lagerhaltung von Öl und Gas als Krisenvorsorge sollten zur sicheren und zuverlässigen Versorgung mit Lebensmitteln entsprechende Getreidelager angelegt werden. Letzter Punkt ist der raschere Ausbau der Bioenergie: Mit Holzenergie und Biogas könnten Erdgaslücken in Zukunft gefüllt werden. „Das sind keine utopischen Forderungen, sondern realistische Ansätze“, sagte der Kammerpräsident.

Auch die Bevölkerung ist gefordert

Agrarlandesrat Seitinger forderte auch die Mithilfe der Bevölkerung ein: „Jede Kaufentscheidung ist eine Garantie oder Nicht-Garantie für die Versorgung in Notzeiten.“ Die Bauern würden sich bemühen, den „Tisch auch in schwierigen Zeiten zu decken“, aber die Produktions- und Baukostensteigerungen treffen auch sie. „Der Konsument will nicht hören, dass Lebensmittel teurer werden, aber anders wird es nicht machbar sein.“ Mit Engpässen würden Lebensmittel aber auch wieder einen neuen Wert bekommen: Dass viele Lebensmittel im Müll landen, werde der Vergangenheit angehören müssen, so Seitinger.

„Auch freie Märkte brauchen Regeln“

Damit die Preise für Lebensmittel nicht zu hoch steigen, brauchen nach Ansicht des Landesrats die Bauern die Hilfe des Staats – daher stehe er hinter den Forderungen der Kammer. „Auch freie Märkte brauchen Regeln – vor allem im Lebensmittelbereich.“

Kritik gab es am Verhalten von Ungarn, dass Getreideexporte eingeschränkt hat: Das entspreche nicht den Regeln des EU-Binnenmarkts. Seitinger war auch mit dem zwei Mrd. Euro schweren Hilfspaket der Bundesregierung nicht zufrieden: Davon würden nur 20 Mio. Euro für die Landwirtschaft abfallen – also nur ein Prozent: „Das ist unfair, weil wir füllen die Regale. Da müssen wir uns wehren, und es muss eine zweite Runde mit Hilfsmaßnahmen geben – und die wird es auch geben“, meinte er nach einem Gespräch mit Kanzler Karl Nehammer (ÖVP).