Ukraine-Krieg

Benedek: „Anzeichen“ für Kriegsverbrechen

Ein Team der OSZE – unter steirischer Beteiligung – hat zahlreiche Anzeichen für Grausamkeiten russischer Soldaten in der Ukraine festgestellt – dazu zählen laut Bericht zielgerichtete Angriffe auf Zivilisten sowie Vergewaltigungen, Hinrichtungen oder Plünderungen.

Untersucht wurde die Entwicklung der Menschenrechte seit Kriegsbeginn in der Ukraine, und die Experten kommen zu einem schwerwiegenden Ergebnis, sagt der Grazer Völkerrechtler Wolfgang Benedek, der die Untersuchung Mitte März, gemeinsam mit einem Schweizer Kollegen, geleitet hat – mehr dazu in OSZE listet russische Verbrechen auf (news.ORF.at).

„Lange Liste“ an Gräueltaten

Die Anzeichen auf Kriegsverbrechen von Seiten Russlands seien demnach groß: „Unser Bericht enthält mehr als Anzeichen, dass es hier ein Muster an Verletzungen des humanitären Völkerrechts, also von Kriegsverbrechen gibt, aber auch gravierende Menschenrechtsverletzungen.“

Konkret gehe es um zahlreiche Verstöße gegen das Völkerrecht und das Kriegsrecht, so Benedek, „etwa dass eine sehr große Zahl von Zivilisten durch die Form der Angriffe bisher zu Schaden gekommen ist, dass man Wohnhäuser beschießt, dass man Kliniken und andere Gesundheitseinrichtungen unter Feuer genommen hat, dass man Formen von Munition verwendet hat – Streumunition –, die besonders viele Opfer verursacht. Und es gab außergerichtliche Exekutionen, es gab Vergewaltigungen, Verschwindenlassen von Personen. Also eine ganze lange Liste.“

Völkerrechtsexperte und Jurist Wolfgang Benedek
ORF
Der Grazer Völkerrechtler Wolfang Benedek leitete die Untersuchung

Weitere Untersuchungen laufen noch

Insgesamt seien mehr als 50 Gesundheitseinrichtungen attackiert worden, so Benedek. Ob Russland mit diesen Taten eine bewusste Taktik verfolge, lasse sich nur vermuten „Tatsache ist, dass es in einem Ausmaß passiert ist, der sich durch militärische Ziele nicht mehr erklären lässt". Im Fall von Butscha, wo laut der Ukraine gefesselte Menschen gezielt durch Kopfschüsse getötet worden sein sollen, würden die Untersuchungen noch laufen, so Benedek. Aktuelle Vorwürfe – wie ein möglicher Giftgaseinsatz und Angriffe von Zivilisten an Bahnhöfen – wurden bei den bisherigen Untersuchungen noch nicht berücksichtigt.

Verstöße auch auf ukrainischer Seite

Abgesehen von den „deutlichen Anzeichen“ für russische Verstöße ist im knapp 100-seitigen Bericht aber auch die Rede von Verstößen und Problemen auf ukrainischer Seite, insbesondere im Umgang mit Kriegsgefangenen. Im Zusammenhang mit einem Video, das vermeintlich Schüsse auf gefangene russische Soldaten zeigte, schrieben die Autoren von einem konkreten Verdacht auf ein Kriegsverbrechen, das von ukrainischen Behörden untersucht werden sollte.

Die Experten, die aus Sicherheitsgründen die jeweiligen Schauplätze nicht besuchen konnten, kritisierten ebenso Ankündigungen Kiews, russische Kriegsgefangene für ihre bloße Teilnahme an Kampfhandlungen strafrechtlich zu verfolgen; bemängelt wurde zudem die öffentliche Vorführung gefangener Soldaten. Zugleich wird im Bericht aber betont: „Die Verstöße durch die Russische Föderation sind viel schwerwiegender und größer.“