Karfreitag im Jahr 2022.
Das Sterben findet vor unseren Augen statt. Es ist mit Grausamkeit und Qual verbunden. Mit Ungerechtigkeit und so viel Ohnmacht bei uns und all denen, die zwar hinschauen, aber nicht helfen können.
Heute hören wir drei Sätze, die von Jesus am Kreuz überliefert sind.
„Jesus sprach: Vater, vergib ihnen; denn sie wissen nicht, was sie tun!“
Wie kann Jesus das sagen? Klar wissen sie, dass sie töten. Sie wissen, dass sie morden, wenn sie einfach wehrlose Menschen schlachten. Sie wissen, was sie tun, wenn sie vergewaltigen. Sie wissen es.
Und sie rechnen mit dem schlimmsten. Sie rechnen damit, dass sie nicht überleben werden. Sie rechnen damit, dass sie alles leugnen müssen, wenn sie zur Verantwortung gezogen werden. Sie rechnen damit, dass sie verurteilt werden. Aber mit Gott rechnen sie nicht. Einen gerechten Gott, der vergibt, können sie sich nicht vorstellen. Einen Gott, der auch dann noch vergibt, wenn sie ihn verhöhnen und demütigen.
„Jesus sprach zu ihm: Wahrlich, ich sage dir: Heute wirst du mit mir im Paradies sein.“
Da ist einer, der wie Jesus grausam hingerichtet wird. Und er sagt, das ist gerecht, denn er ist schuldig geworden in seinem Leben. Eine Bitte spricht er aus: „Denk an mich“. So bittet er Jesus, ihn nicht zu vergessen. Er kann nicht damit rechnen, dass Jesus, der neben ihm am Kreuz hängt, mehr für ihn tun kann. Er kann sich nicht vorstellen, dass Jesus die Macht hat, ihm ein Leben ohne Blut, Staub, Schmutz und Schmerz dieser Welt zu eröffnen.
„Jesus rief laut: Vater, ich befehle meinen Geist in deine Hände!“
Jesus rechnet nicht mit denen ab, die ihn gequält haben. Er rechnet nicht auf, was war richtig und was war falsch im Leben dessen, der sich mit einer Bitte an ihn wendet. Der sterbende Jesus verschmilzt mit dem lebendigen Gott: „Vater, ich befehle meinen Geist in deine Hände!“
Karfreitag im Jahr 2022.
In der tiefsten Erniedrigung, im Schmerz und im Todeskampf redet Jesus.
Das richtet mich neu aus.
„Jesus sprach: Vater, vergib ihnen; denn sie wissen nicht, was sie tun!“
Vielleicht sollte ich mehr mit Gottes Möglichkeiten rechnen. Zum Beispiel mit Vergebung.
„Jesus sprach zu ihm: Wahrlich, ich sage dir: Heute wirst du mit mir im Paradies sein.“
Vielleicht muss ich nicht dauernd versuchen, aus meinem Leben ein Paradies zu machen. Vielleicht sollte ich mehr mit Gottes Gegenwart rechnen.
„Jesus rief laut: Vater, ich befehle meinen Geist in deine Hände!“
Das klingt nach Frieden. Frieden mit Gott. Friede auch in dieser Welt.
Superintendent Wolfgang Rehner im Gespräch
Superintendent Wolfgang Rehner im „Steiermark heute“-Gespräch mit Petra Rudolf
Der Karfreitag ermutigt, mit diesem Frieden zu rechnen. Trotz allem Sterben, aller Grausamkeit, Ungerechtigkeit und Qual.
So einen Karfreitag braucht die Welt.