Fünf Tage vor seinem 81. Geburtstag ist Ivica Osim am Sonntag in Graz gestorben. Am Sonntag fand auch das Gründungsfest des SK Sturm auf dem Schöckl statt – es wurde abgebrochen.
Sturms Jahrhunderttrainer
Dem SK Sturm öffnete Osim neue Welten, der Bosnier schenkte den Grazern den ersten Meistertitel (1998) und dessen Verteidigung (1999), drei Cupsiege (1996, 1997, 1999) und drei rauschende Teilnahmen an der Champions League (1998, 1999, 2000), die in Österreich bis heute unerreicht sind. Als einziger heimischer Club stieß Sturm in der Königsklasse als Gruppensieger in die Zwischenrunde vor (2000).
Sein Haus im Grazer Stadtteil St. Peter verließ Sturms Jahrhunderttrainer inmitten der CoV-Pandemie kaum, seine Mobilität war schon länger eingeschränkt – von einem Schlaganfall im Alter von 66 Jahren hatte sich vor allem sein Körper nie mehr ganz erholt.

Zu seinem 80. Geburtstag im Vorjahr meinte seine Frau Asima, er schlafe zu viel. „Ich bin 80, und für 80 geht es mir gut“, entgegnete damals der Gatte. „Alles geht langsam, alles braucht seine Zeit.“ – mehr dazu in Ivica Osim ist 80 (steiermark.ORF.at; 6.5.2021).
Kritischer Blick auf Fußball
Der Horizont des studierten Mathematikers und Philosophen war immer breit und doch auf ein im Schnitt 105 Meter langes und 68 Meter breites Rechteck konzentriert. „Jeder Tag ohne Fußball ist ein verlorener Tag“, hat Osim einmal gesagt, und danach lebte er. Er verfolge im TV „alles, was es im Fußball gibt“, sagte er, obwohl er die fortschreitende Kommerzialisierung und Bestrebungen wie die Super League zutiefst bedauere. „Der heutige Fußball ist FIFA und Real Madrid. Alles geht ums Geld. Schade.“

Fußball-Weiser
Er hat den Fußball um die Jahrtausendwende mit Bescheidenheit und Intellekt geprägt. Ivan „Ivica“ Osim war einer der erfolgreichsten Trainer, die jemals in Österreich arbeiteten und dennoch mehr als das – seine philosophische Herangehensweise an den populärsten Sport der Welt und das ständige Ringen um Frieden in seiner Heimat brachten ihm den Ruf eines Fußball-Weisen ein, der weit über den Tellerrand hinausblickte.

„Der Größte von Sturm ist gegangen“
„Der Größte von Sturm ist gegangen. Er war eine Persönlichkeit nicht nur im Fußball und im Sport, sondern weit darüber hinaus. Die Sturm-Familie trauert“, sagte Sturm-Präsident Christian Jauk am Sonntag.
„Die Sturm-Familie wird Ivica Osim gebührend ehren“, so Jauk. „Wenn wir gemeinsam trauern, macht es die Sache leichter.“ Osim schenkte den Grazern unzählige Bonmots, darunter die für viele Fans schönste: „Sturm deckt alles, was schwarz ist in meinem Leben, alles was weiß ist auch.“
„Osim war und ist für alle Zeiten der ‚Jahrhunderttrainer‘ unseres SK Sturm, eine Legende, die wie aus einer anderen (Fußball-) Welt nach Graz zu Schwarzweiß kam. Die Liebe aller Generationen von Sturmfans ist ihm gewiss“, hieß es am Sonntag auf der Homepage des SK Sturm.

Der Schwabe aus Sarajewo
Ivan „Ivica“ Osim wurde am 6. Mai 1941 geboren, genannt wurde er Svabo, der Schwabe, wegen seiner blonden Haare und deutschen Wurzeln. Der Bürgerkrieg wurde zur Tragödie seines Lebens, auch weil Sarajevo zerstört wurde. „Ich kann mich nicht mehr freuen. Freude gibt es nach all dem, was in meiner Heimat passiert ist, nicht mehr. Wenn es nicht mehr funktioniert, bin ich auch bereit zu gehen“, sagte der „Strauß von Zeljo“ damals.
Trainerlegende Ivica Osim ist tot
Der ehemalige Sturm-Trainer Ivica Osim ist tot. Er starb am Sonntag kurz vor seinem 81. Geburtstag, am Gründungstag des SK Sturm vor 113 Jahren. Mit Sturm holte der gebürtige Bosnier zweimal die Meisterschaft, dreimal den Cup.
Für Jugoslawien erzielte Osim acht Tore in 16 Teamspielen. Als Trainer wirkte er bei Željezničar Sarajevo, Partizan Belgrad, Panathinaikos Athen, Sturm und United Ichihara Chiba. Er war der letzte Teamchef Jugoslawiens, am Ende war er japanischer Teamchef.
Am 113. Geburtstag von Sturm
Ivica Osim hinterlässt seine Ehefrau und drei Kinder. Osim war Träger des Großen Ehrenzeichens des Landes Steiermark. Sein Tod am 1. Mai – gleichzeitig der 113. Geburtstag von Sturm – kam für viele trotz langjähriger Krankheitsgeschichte dennoch überraschend – mehr in Trainerlegende Ivica Osim ist tot (sport.ORF.at).
Sportwelt verneigt sich
Sportminister und Vizekanzler Werner Kogler (Grüne) twitterte: „Kaum jemand hat den SK Sturm so geprägt wie Ivica Osim. Mit ihm als Trainer wurden die Schwoazn zweimal Meister und schafften es dreimal in die Gruppenphase der Champions League. Als Grazer habe ich seine Wirkung über den Fußball hinaus gespürt und die Gespräche mit diesem bedeutenden ‚Fußballphilosophen‘ sehr geschätzt. Ein großer Mensch, der uns heute verlassen hat!“ – mehr dazu in Sportwelt verneigt sich vor Ivica Osim (sport.ORF.at).

Landeshauptmann Hermann Schützenhöfer (ÖVP) sagte: „Ich bin tief betroffen über das Ableben der Fußball-Ikone und Sturm-Legende Ivica Osim. Die Steiermark ist dankbar für das menschliche Lebenswerk in seiner seine Haltung zum Jugoslawienkrieg und zur Belagerung von Sarajevo, die ihn zu einer großen Persönlichkeit macht. Seine sportlichen Leistungen, mit denen er Sturm Graz zu einem Jahrhundert-Hoch verhalf, sind unvergessen. Die Spiele in Graz Liebenau unter seiner Trainerschaft haben historischen Charakter für die Fußballwelt!“
Die Grazer Bürgermeisterin Elke Kahr (KPÖ) sagte: „Ivica Osim hat Graz entscheidend geprägt. Nicht nur seine Leistungen als Trainer des SK Sturm, sondern auch seine zutiefst menschliche Haltung haben ihn zu einer Persönlichkeit gemacht, die uns allen in Graz viel bedeutet.“
„Grandios und einfach genial“
Mario Haas, Spieler unter Osim zollte dem Jahrhundertrainer ebenfalls Respekt. „Er war grandios und einfach genial – als Trainer und Mensch. Er hat bei Sturm eine ganze Generation geprägt. Unter Osim haben sich alle weiterentwickelt. Er war streng, hat uns aber auch viele Freiheiten gelassen. Wir alle bei Sturm werden ihn vermissen“, so Haas.
SK Sturm trauert um Ivica Osim
Die österreichische Fußballwelt hat mit Bestürzung auf den Tod Ivica Osims reagiert. „Steiermark heute“ hat Reaktionen von Mitgliedern der Sturm-Familie von heute und von damals eingeholt.
Auch Herbert Prohaska, Jahrhundert-Fußballer Österreichs, reagierte auf den Tod von Ivica Osim. „Für mich als junger Trainer war natürlich jemand wie Osim ein Vorbild. Seine Erfolge, die er mit Sturm hatte, sprechen für sich. Menschlich durfte ich ihn auch kennenlernen, ein großartiger Man“, so Prohaska.
Und Ex-Sturm Spieler Roman Mählich sagte: „Was hat Osim ausgemacht – das würde zu lange dauern. Ich kann nur sagen, er war ein großartiger Trainer und ein noch viel großartigerer Mensch. Es tut mir wirklich sehr, sehr leid und macht mich sehr traurig.“