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APA/dpa/Hendrik Schmidt
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Wissenschaft

„Training“ soll Laborfleisch wachsen lassen

Fleisch im Labor wachsen zu lassen ist eine Vision, die einen Weg in Richtung nachhaltige und ethischere Nahrungsmittelproduktion ebnen könnte. Um das Wachstum anzuregen, simulieren Grazer Wissenschaftler dem Laborfleisch nun Sport.

Die Viehzucht und damit die Fleischproduktion zeichnen für extrem hohe Treibhausgasemissionen verantwortlich – der Ausstoß ist in etwa so hoch wie der des Verkehrssektors. Für den Anbau von Tierfutter und die Nutztierhaltung selbst braucht es riesige landwirtschaftliche Flächen, was Naturlandschaften zurückdrängt und das Artensterben beschleunigt. Eine Alternative für das Stillen des weltweit wachsenden Fleischhungers sind Ansätze, Muskelfleisch in größerem Maßstab zuerst im Labor und in der Folge in größeren Produktionsanlagen wachsen zu lassen – damit würde auch das Tierleid maßgeblich verringert, so die Idee.

Ziel: Wenig Gewebe – viel Fleisch

Erfolge in dem Bereich verzeichnen Forscher und Unternehmen bereits seit rund zehn Jahren, mittlerweile gibt es erste Initiativen, die in Richtung Markt schielen – allerdings lag der Preis für ein Kilogramm derart kultivierten Fleisches vor rund zwei Jahren noch bei in etwa 5.000 Dollar (rund 4.800 Euro).

Das Team um Aleksandra Fuchs vom Austrian Centre of Industrial Biotechnology (acib) und Viktorija Vidimce-Risteski vom Institut für Molekulare Biotechnologie der Technischen Universität (TU) Graz will diesen mittelfristig deutlich absenken: Dazu muss es möglich werden, kleine Fleischproben in einer Nährlösung so zu vermehren, dass aus wenigen Millimetern Gewebe letztlich bis zu zwei Tonnen Fleisch werden.

Zwei Ansätze

Dabei konzentriere man sich „einerseits auf die Herstellung alternativer Fleischprodukte und andererseits auf die Produktion tierischer Proteine wie die wichtigen Eisenträger Myoglobin und Hämoglobin, welche ebenso für alternative Fleischprodukte benötigt werden“, so Vidimce-Risteski.

„Hippo-Pathway“ austricksen

Bei Ersterem setzt man auf entwicklungsgeschichtlich tief verwurzelte biologische Mechanismen, mit denen das Muskelwachstum angeregt werden soll. So geht es einerseits um die Hemmung eines Informationsweges in den Zellen, der verhindert, dass sie sich quasi ungehemmt teilen. Der sogenannte „Hippo-Pathway“ ist eigentlich dafür zuständig, das Wachstum in der begrenzten Umgebung im Körper einzuhegen.

Die Grazer Forscher suchen seit eineinhalb Jahren nach vielversprechenden Wirkstoffen, mit denen der Signalweg gehemmt werden kann. Mittlerweile habe man vielversprechende Kandidaten identifiziert, die in sehr geringen Mengen die gewünschte Entwicklung anregen. „Mit drei Wirkstoffen haben wir bisher extrem gute Ergebnisse erzielt“, so Fuchs. Tests weiterer Kandidaten seien noch ausständig.

Muskelkater vorgaukeln

Im nächsten Schritt gaukeln die Wissenschaftler dem Gewebe dann einen Muskelkater vor, indem sie Botenstoffe – sogenannte Myokine – zusetzen, die auch nach körperlicher Anstrengung, respektive sportlichem Training ausgeschüttet werden. Das regt das Wachstum zusätzlich an. Eingebettet sind diese Moleküle dann in jene Nährlösung, mit der die lebenswichtigen Moleküle wie Aminosäuren, Mineralien und weitere Nährstoffe zu den Zellen gelangen. Die Forscher konnten auch die für die Entwicklung des Fleischgeschmacks und -geruchs wichtigen tierischen Myoglobine und Hämoglobine bereits schonend herstellen. Die Zutaten zu dem Cocktail will man künftig möglichst vollständig in modifizierten Hefezellen herstellen, „um einen niedrigen Preis zu ermöglichen“, sagte Fuchs.

Nur Fisch funktioniert anders

Die biologischen Abläufe, auf die hier gezielt wird, seien derart grundlegend, dass sich damit Zellen verschiedenster Fleischlieferanten anregen lassen, auch in Richtung Geflügel könne man denken. Bei Fisch sind die Mechanismen allerdings recht anders, räumte Fuchs ein.

Forschungsergebnisse sollen frei zugänglich sein

All die Verfahren und Methoden, die nun in der Steiermark entwickelt werden, wird man nach Ablauf des Projekts Ende 2023 frei zugänglich der weltweiten Forschungsgemeinde zur Verfügung stellen – das ist eine Vorgabe der DFK-Privatstiftung, die das Vorhaben finanziert. Damit könnte jeder potenzielle Produzent die Erkenntnisse aufgreifen.

„Das ist ziemlich einzigartig“, weil viele andere Akteure mit Informationen zu ihrem Forschungsstand geizen, so Fuchs. Das Team selbst ist noch auf der Suche nach Partnern, die die Umsetzung zum Beispiel hier in Österreich anstreben. Obgleich vieles im Dunkeln liege, glaubt die Forscherin, dass man mit dem Ansatz in Sachen „kultiviertes Fleisch“ international vorne mit dabei ist.