Ameisen unter Lupe
dpa/Andreas Arnold
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Wissenschaft

Ameisen heilen sich bei Pilzinfektion selbst

Wissenschaftler aus Graz und Finnland haben herausgefunden, dass Ameisen effektive Strategien entwickelt haben, um sich vor Infektionskrankheiten zu schützen. Im Falle einer Pilzinfektion etwa stellen sie ihre Ernährung um und heilen sich damit selbst.

Viren, Bakterien, Insektizide und Pilzpathogene bedrohen die Gesundheit von Insekten. Ameisen, deren Kolonien oft Hunderttausende oder sogar Millionen von Individuen umfassen können, sind besonders der Gefahr ausgesetzt, solche Krankheiten zu übertragen, wie Dalial Freitak schildert. Die assoziierte Professorin am Institut für Biologie an der Universität Graz und zugleich an der Tvärminne Zoological Station der University of Helsinki in Finnland ist spezialisiert auf Insektenphysiologie und Immunität.

Wasserstoffperoxid als „Gegenmittel“

Ihre Arbeit konzentriert sich auf die Mechanismen hinter der Immunabwehr bei Insekten, speziell Bienen und Ameisen. Anders als der Mensch haben diese Insekten Strategien entwickelt, um mit der Bedrohung durch Krankheitserreger fertig zu werden.

Die grauschwarze Sklavenameise, die auch in österreichischen Wäldern stark vertreten ist, wendet eine besondere Taktik an: Kommt es zur Ausbreitung eines Pilzes, der etwa gegen die Weiße Fliege oder Kartoffelkäfer eingesetzt wird, ergänzen sie ihre Ernährung mit einer sonst für sie schädlichen Substanz: „Wird eine Infektion in der Kolonie festgestellt, ergänzen die Tiere ihr Futter mit Wasserstoffperoxid, das grundsätzlich giftig ist“, schildert die aus Estland stammende Forscherin. Diese flüssige Verbindung aus Wasserstoff und Sauerstoff kommt in vielen Haushalten unter anderem als Desinfektions- und Bleichmittel zum Einsatz. Bei Ameisen dient es offenbar durch die von ihm produzierten freien Sauerstoffradikale als wirksames Gegenmittel.

Dosierung je nach Befall

Ameisen holen sich Wasserstoffperoxid aus den Kadavern von Blattläusen sowie aus Pflanzen, die Blattläuse haben. Die Forschergruppe rund um Freitak hat festgestellt, dass die Insekten – je nach Ausmaß der Infektion – die Substanz auch sehr gut dosieren können. In Laborstudien mit 133 Versuchskolonien mit jeweils einer Königin und hundert Arbeiterinnen hat das Team herausgefunden, dass sich die Stärke der Selbstmedikationsreaktion einer Kolonie mit zunehmender Krankheitsprävalenz ändert. „In unserem Experiment fanden wir heraus, dass die Stärke der Selbstmedikationsreaktion plastisch ist und zunimmt, wenn ein größerer Teil der Kolonie mit einem Pilzerreger infiziert ist“, hielten die Autorinnen und Autoren fest, die diese Ergebnisse jüngst in „Frontiers in Insect Science“ publiziert haben.

Prophylaktische Behandlung

Dass Ameisen ihr Nahrungssuchverhalten ändern, hänge allerdings nicht nur von der Verbreitung von Krankheitserregern in ihren Kolonien ab, sondern auch von der Qualität der verfügbaren „medizinischen“ Nahrung und möglicherweise von der Schwere der Krankheit. Wie die Forscher erkannten, geben die für die Fütterung zuständigen Arbeiterinnen die desinfizierend wirkende Nahrung nicht nur an die erkrankten, sondern an alle Artgenossinnen weiter.