Politik

ÖVP-Rücktritte: „Jetzt Zusammenhalt gefragt“

Nach den Rücktritten der ÖVP-Ministerinnen Elisabeth Köstinger und Margarete Schramböck, nur wenige Tage vor dem Parteitag in Graz, sei in der Partei nun Zusammenhalt gefragt, analysiert Politologe Thomas Hofer. Mit Neuwahlen rechnet er aber ebenso wenig, wie mit einer weiteren steirischen Ministerin.

Nach Landwirtschaftsministerin Elisabeth Köstinger hat sich am Montag auch Wirtschaftsministerin Margarethe Schramböck aus der Politik verabschiedet. Die Rücktritte gingen vor dem ÖVP-Parteitag am Samstag über die Bühne, bei dem Kanzler Karl Nehammer (ÖVP) sein Profil schärfen will – mehr dazu in „Diskrete Absetzbewegung von Ära Kurz“ (news.ORF.at; 9.5.2022).

„Heft des Handelns aus der Hand gerissen“

Der Rücktritt von Elisabeth Köstinger habe den Bundeskanzler gestern jedenfalls am falschen Fuß erwischt, sagt der Politikberater und gebürtige Steirer Thomas Hofer. Eine Rochade sei zwar geplant gewesen, aber erst einige Wochen nach seiner offiziellen Kür zum ÖVP-Chef am Bundesparteitag am Samstag in Graz: „So wurde ihm das Heft des Handelns parteiintern aus der Hand gerissen und das ist für einen Kanzler und designierten ÖVP Chef nie gut. Denn so steht er in der Öffentlichkeit da als einer, der wieder den Ereignissen hinterherhechelt, auch wenn es zehnmal geplant war; dass wirkt natürlich chaotisch und destabilisierend in den Augen vieler, die ohnehin schon den Überblick verloren haben, was die politischen durchaus auch sachpolitischen Ereignisse der vergangenen Wochen angeht.“

„Entschlossener Zusammenhalt“ gefragt

Im Gegensatz zu Köstingers Rückzug sei jener von Schramöck nicht freiwillig gewesen, meint Hofer, der für die ÖVP am Parteitag nur eine Option sieht, nämlich Karl Nehammer mit großer Mehrheit zu wählen: „Da wird es schon einige geben, die mit geballter Faust im Hosensack abstimmen, das kann schon sein, aber es wird ein Ergebnis weit über 90 Prozent sein müssen, denn denken sie sich die Alternative: Was wäre, wenn er da unter 90 oder gar unter 90 Prozent bekommt, das wäre für ihn ein ganz schlechter Start und das kann ihm die Partei nicht antun.“ Am Bundesparteitag am Samstag in Graz brauche es daher einen entschlossenen Zusammenhalt, so Hofer.

Hofer erwartet trotz allem ein aus Parteisicht gutes Ergebnis für Nehammer. Denn obwohl auch in der Partei Unsicherheit und Unmut herrschten – so sei Nehammers Ansage, Gewinne von Firmen mit Staatsbeteiligung abschöpfen zu wollen, „starker Tobak“ für den Wirtschaftsbund gewesen –, wüssten in der Volkspartei alle, dass man den neuen Obmann nicht beschädigen dürfe.

Schmiedtbauer als Nachfolgerin unwahrscheinlich

Indessen gibt es bereits Spekulationen, dass die steirische EU-Abgeordnete Simone Schmiedtbauer als neue Landwirtschaftsministerin nachfolgen könnte – mehr dazu in Schmiedtbauer könnte Köstinger nachfolgen. Hofer aber würde es überraschen, wie er sagt, wenn neben Bildungsminister Martin Polaschek ein zweiter Ministerposten in die Steiermark gehen würde: „Natürlich muss man darauf achten, dass nicht nur das parteiinterne, sondern auch das Geschlechter-Gleichgewicht irgendwo gewahrt bleibt. Mich würde es überraschen, wäre ein zweiter Steirer oder eine Steirerin in der Pole-Position. Ich gehe schon davon aus, dass es möglicherweise jemand aus Tirol sein wird, der ein Amt bekommt.“ Näheres dürfte Nehammer noch am Dienstag in einer Pressekonferenz bekannt geben.

Hofer rechnet nicht mit Neuwahlen

Zu den Rufen der Opposition nach Neuwahlen, sagt der Politikberater, er rechne nicht damit, für die ÖVP würde zu viel am Spiel stehen: „Das kann man nicht wollen, man kommt ja von 37,5 Prozent, da ist man im satten zweistelligen Verlustbereich, was die Prozentpunkte betrifft, was man jetzt ablegen würde; und bei den Grünen ist es soviel anders gar nicht, denn sie wissen auch in einer künftigen Regierung ist es unklar, ob sie mitregieren können.“

Noch kein Ablaufplan für Samstag bekannt

Einen konkreten Ablaufplan für das Event am Samstag war die Parteizentrale noch nicht imstande bekannt zu geben. Der Parteitag findet kommenden Samstag ab Mittag in der Grazer Helmut-List-Halle, einem ehemaligen Industriegebäude, statt. Auf der Tagesordnung steht die „Wahl des Bundesparteiobmannes“ im Mittelpunkt.