Karl Nehammer
APA/GEORG HOCHMUTH
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Politik

ÖVP: 100 Prozent für Karl Nehammer

Beim ÖVP-Bundesparteitag am Samstag in Graz ist Karl Nehammer offiziell zum ÖVP-Parteichef gewählt worden – und das mit 100 Prozent der abgegebenen Stimmen. In seiner Rede zuvor sprach der Bundeskanzler von einer „Dienerschaft für Österreich“.

Es sind unruhige Zeiten für die Volkspartei, geprägt durch ständige Skandale und schlechte Umfrageergebnisse. Beim Parteitag in der Grazer Helmut-List-Halle versuchte man nun, Geschlossenheit zu demonstrieren und gute Stimmung zu verbreiten.

Viel Partei-Prominenz

Zahlreiche bekannte Gesichter, von den türkisen Regierungsmitgliedern über die Landeshauptleute bis zu ehemaligen Parteichefs wie Wolfgang Schüssel und Josef Pröll, waren zugegen, auch steirische Prominenz wie der Ex-Präsident von Sturm Graz, Hannes Kartnig, beehrte das Event.

Parteigranden beim ÖVP-Parteitag in Graz
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ÖVP-Granden beim Bundesparteitag in Graz: Waltraud Klasnic, Wilhelm Molterer, Sebastian Kurz, Günther Platter, Andreas Khol, Wolfgang Schüssel, Johanna Mikl-Leitner und Hermann Schützenhöfer

Nehammer wurde dann zu Beginn mit stehenden Ovationen begrüßt, dementsprechend gut gelaunt gab sich der Bundeskanzler: „So viele in so einem kleinen Raum heißt auch, so viele Viren, aber jetzt kümmert es uns nicht mehr – schön, dass ihr da seid!“, rief er der Menge zu. „Die Stimmung ist gut. Wenn wir die auch noch in Stimmen umwandeln, kann uns nichts mehr passieren“, meinte auch der steirische Landeshauptmann Hermann Schützenhöfer.

ÖVP wählt Nehammer mit 100%

Mit überraschenden 100%, also allen 524 Stimmen, ist Karl Nehammer vor kurzem am ÖVP-Bundesparteitag in Graz zum Parteichef gewählt worden.

„Man muss Karl Mut und Entschlossenheit geben“

An die Delegierten appellierte er in Hinblick auf die Wahl zu bedenken, dass Nehammer Rückhalt brauche – „in einer Situation, die nicht die beneidenswerteste ist, da müssen wir realistisch bleiben“, und in einer Situation, in der Politik Freiwild geworden sei, wogegen man sich mehr wehren müsse. Man müsse „Karl Mut und Entschlossenheit geben“, so Schützenhöfer.

Eine Übersicht der Helmut-List-Halle anl. des 40. außerordentlichen Bundesparteitags der ÖVP.
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Dann ergriffen die beiden Ex-Kanzler Sebastian Kurz und Wolfgang Schüssel das Wort.

Kurz: „Ratschläge gibt es von mir keine“

Kurz stellte sich offensiv hinter Nehammer und lobte diesen als einen, „der 100 Prozent gibt in jeder Aufgabe, die er übernimmt“. Kurz machte auch rasch klar, dass er seine zwei Jahrzehnte in der Politik als abgeschlossen erachtet: Es sei eine unglaubliche Ehre gewesen, nach der Zeit der Übermacht anderer die Wahlen 2017 gewinnen und 2019 noch zulegen zu dürfen. „Ich wünsche mir aus vollem Herzen, dass die Volkspartei weiter erfolgreich ist“, sagte er: „Vielen vielen Dank für diese gemeinsame Zeit.“

Sebastian Kurz
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Sebastian Kurz

Über seinen erzwungenen Abgang sagte Kurz nichts. Nehammer wünschte er, dass er die Freude an der Politik nicht verliere. Tipps für seinen Nachfolger hat er hingegen nicht parat: „Also Ratschläge gibt es von mir nicht, vor allem nicht öffentlich.“

Schüssel: „Wir müssen lernen, wieder zu kämpfen“

Zuvor hatte Schüssel seine angriffige Seite hervorgekehrt und Nehammer nicht nur gute Nerven, sondern auch ein „kampffähiges Team“ gewünscht: „Wir müssen lernen, wieder zu kämpfen“, so der Ex-Kanzler, „es heißt Wahlkampf, liebe Freunde“. Auch mutlos dürfe man sich nicht machen lassen, und man müsse optimistisch sein, denn: „Der Pessimist ist der einzige Mist, auf dem nichts wächst“, bemühte Schüssel ein Zitat von Theodor Heuss.

Wolfgang Schüssel
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Wolfgang Schüssel

Nehammer gab sich dann in seiner Rede programmatisch: „Ich lerne von euch und mit euch, und wir werden gemeinsam diese Herausforderungen nehmen“, beschwor er das Miteinander in der Partei, das – wie er betonte – in deren DNA liege.

„Aus dem Gegenwind kann Rückenwind werden“

Er berichtete von stürmischen Zeiten, doch man sitze auch bei rauem Sturm gemeinsam in einem Boot. Die Opposition kämpfe mit allen Mitteln: „Es gibt ganz viele Angriffe unter Gürtellinie. Wisst ihr, warum das so ist? Weil sie es auf Augenhöhe nicht schaffen.“ Aus dem Gegenwind könne aber auch wieder Rückenwind werden, jede Veränderung biete auch Chancen.

Als solche wertete Nehammer die jüngste, durch den Abgang von Elisabeth Köstinger ausgelöste Umbildung im ÖVP-Regierungsteam. Er betonte auch, dass der ÖVP Transparenz und eine redliche Politik wichtig sei. Korruption könne einem überall begegnen, selbst im Vatikan sei man davor nicht gefeit gewesen. Er versprach Reformen, „da brauchen wir keine Hinweise der linken Reichshälfte“. Auch das Informationsfreiheitsgesetz werde kommen, ein Lahmlegen der Gemeinden durch Querulanten wolle man jedoch verhindern.

„Freiheit ist unsere DNA“

Dann nahm sich Nehammer Zeit, auf das „Wertefundament“ der ÖVP einzugehen: Dieses sei christlich-sozial, liberal sei man aber auch. „Freiheit ist unsere DNA“, so der designierte Bundesparteichef. Im Unterschied zu „den Linken“ schreibe man den Menschen nicht vor, wie sie zu leben hätten. Er verglich die Haltung seiner Gesinnungsgemeinschaft mit dem heiligen Martin, der der Legende nach einem Armen geholfen hatte: „Er hat seinen Mantel geteilt, nicht den eines anderen“, denn letzteres, „das ist Sozialismus.“

Karl Nehammer mit seiner Gattin Katharina
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Karl Nehammer und seine Ehefrau Katharina

Dann sprach er von den zwei großen Krisen, die man derzeit erlebe, nämlich die CoV-Pandemie und den Angriffskrieg Russlands. Er bekannte sich zur Neutralität und unterstrich die Notwendigkeit, dass sich Österreich selbst verteidigen könne. „Wir brauchen ein starkes Bundesheer. Ja, da sind Versäumnisse passiert.“ Häme über seine Reisen in die Ukraine und nach Moskau wies er zurück: „Besser man tut etwas als tut nichts und schaut nur zu.“

Zum Ausstieg aus der Abhängigkeit aus fossilen Energien versprach er einen milliardenschweren Transformationsfonds, auch weitere Antiteuerungsmaßnahmen werde es geben. Bei der Pflege erinnerte er an die kommende Reform („Besser jetzt fangen wir an als zu spät“) und lobte den guten Draht zwischen Klubchef August Wöginger und dessen grünem Gegenüber Sigrid Maurer. Beim Migrationsthema blieb er mit EU-Außengrenzschutz, Rückführungsabkommen und europäischem Asylsystem auf der unter Kurz eingeschlagenen harten Linie.

524 Stimmen abgegeben – 524 für Nehammer

Für sein Wahlergebnis hatte sich Nehammer die Latte nicht allzu hoch gelegt: Als Ziel gab er im Vorfeld nur launig aus, dass „alles, was besser ist als das Parteitagsergebnis für Pamela Rendi-Wagner“ ein „Erfolg“ wäre – die SPÖ-Chefin musste sich mit 75,3 Prozent begnügen. Für Karl Nehammer wurde es schließlich 100 Prozent: 524 Delegierte gaben ihre Stimme ab, alle Stimmen waren gültig und für Nehammer als ÖVP-Bundesparteichef – mehr dazu in Nehammer zum ÖVP-Parteichef gewählt (news.ORF.at).

Günther Platter verkündet das Ergebnis

Tier- und Umweltschützer-Protest

Im Vorfeld des Parteitages protestierten auf den Zufahrtsstraßen der Helmut-List-Halle Tier- und Umweltschützer. Am Gebäude gegenüber vom Eingang zur Halle hatten es Aktivisten außerdem geschafft, ein wenig schmeichelhaftes Transparent anzubringen: „Herzlich Willkommen zum 40. Parteitag der Huren der Reichen!“, war dort in Anspielung an veröffentlichte Chats zu lesen.

Protest im Vorfeld des 40. außerordentlichen Bundesparteitags der ÖVP in Graz
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FPÖ-Chef Kunasek wiedergewählt

Beim Landesparteitag der steirischen Freiheitlichen am Samstag ebenfalls in Graz stand wiederum die Wiederwahl von Landesparteichef Mario Kunasek an – und er wurde bestätigt, wenngleich 96,6 Prozent sein bisher „schlechtestes“ Ergebnis darstellen: Bei seiner ersten Wahl erhielt Kunasek 98,2 Prozent, 2016 dann 99,3 Prozent und 2019 betrug die Zustimmung 99,6 Prozent. In seiner Rede kritisierte Kunasek vor allem die beiden Regierungsparteien ÖVP und Grüne und forderte Neuwahlen – mehr dazu in FPÖ-Landesparteitag: Kunasek fordert Neuwahlen.