PV-Versuchsanlage der Wien Energie in Guntramsdorf
ORF/Nina Pöchhacker
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„Mutter Erde“

Gemeinde Stanz gründet Energiegemeinschaft

Stanz im Mürztal rückt bei der Energiegewinnung im wahrsten Sinne des Wortes zusammen. Im Rahmen der Energiegemeinschaft Stanz Plus sollen die rund 2.000 Einwohner zu aktiven Teilnehmern auf dem Energiemarkt werden.

Wie werden wir uns in Zukunft mit Energie versorgen, ohne damit der Umwelt zu schaden? Diese Frage wird nicht nur täglich wichtiger, sondern geht uns alle an – daher sollten möglichst viele, im Idealfall alle mitreden können, und genau das versucht jetzt die Gemeinde Stanz im Bezirk Bruck-Mürzzuschlag.

Das Holz liegt vor der Türe

Der Bürgermeister von Stanz, Fritz Pichler, hat die zentrale Botschaft: „Worum geht es? Es geht um die Leute.“ Die rund 2.000 Einwohnerinnen und Einwohner seiner Gemeinde sollen von bisher passiven Energiekonsumenten zu aktiven Teilnehmern auf dem Energiemarkt werden – und zwar auf mehreren Ebenen. Er möchte seine Gemeinde energetisch unabhängig machen – und zwar klimaneutral: „Wir wollen Biomasse, die Sonne und Wasserkraft nutzen“, sagte der Bürgermeister. Dafür gründete man in Stanz eine Energiegemeinschaft, die bereits 70 Mitglieder hat und an der alle Menschen in der Gemeinde teilhaben können.

In einem ersten Schritt will man vor allem den Waldreichtum der Region nutzen: „80 Prozent ist Wald, das heißt, wir haben Holz ohne Ende vor der Haustüre. Warum sollte man das nicht intelligent nutzen?“ Ein geringer Anteil des jährlichen Holzzuwachses wird von den Landwirten des Stanztales geerntet und zu Hackschnitzeln gemacht; diese liefern die Energie für das lokale Nahwärmenetz, sagte Karl Kaltenbrunner von der Betreibergesellschaft: „Somit haben es die Leute im Winter warm, aber auch die Warmwasseraufbereitung im Sommer wird von uns angeboten.“

30 Prozent des sozialen Wohnbaus mit Holz errichtet

Außerdem ist Holz der bevorzugte Baustoff für neue Häuser in der Region. Architekt Werner Nussmüller hat zum Beispiel mitten im Ort ein Multifunktionsgebäude errichtet: Unten ist ein Lebensmittelmarkt mit vielen regionalen Produkten eingezogen, darüber gibt es 16 barrierefreie und vor allem Dank diverser Förderungen finanziell günstige Wohnungen für Senioren bzw. Jungfamilien. „Ich komme gerade von Vorträgen in Riga, und ich konnte dort stolz behaupten, dass wir 30 Prozent des sozialen Wohnbaus in Holz machen. Ich glaube, da sind wir derzeit in der Steiermark europaführend.“

Obwohl Stanz noch immer eine Abwanderungsgemeinde ist, waren die Wohnungen sofort vergeben – vielleicht liege es ja auch an der zwischen den beiden Gebäudeteilen angelegten Wiese, die so etwas wie ein Tratschtreffpunkt für alle Bewohner darstellt, in Wahrheit aber das Dach des Lebensmittelmarktes darunter ist, sagte Architekt Nussmüller: „Es wäre eigentlich ein Vorbild für viele andere, dass wir diese Flächen, die überall herumstehen, auch nützen.“

Kilowattstunden wie Flugmeilen sammeln und einlösen

Ihre Dachflächen sollen in Zukunft aber auch verstärkt für Photovoltaikanlagen genutzt werden, haben die Stanzerinnen und Stanzer in mehreren Bürgerversammlungen beschlossen. Etliche kleinere, aber auch eine richtig große, gemeindeeigene Photovoltaik-Anlage sind geplant. Dazu wird ein bestehendes Kleinwasserkraftwerk am Stanzbach revitalisiert – in erster Linie zur Selbstversorgung.

Den überschüssigen Strom möchte Bürgermeister Pichler für ein alternatives, lokales Wirtschaftsmodell nutzen: Seine Mitbürgerinnen und Mitbürger sollen Kilowattstunden sammeln können. „Auf dem Handy soll es eine Art Konto geben, und wenn ich glaube, ich habe zu viel davon – so wie die Meilen beim Fliegen –, dann kann ich mir da die Kilowatt, die da oben sind, einlösen. Damit würden wir einen lokalen Wirtschaftskreislauf in Schwung bringen.“

Mit Strom Eier kaufen

Mit Strom die Eier im Lebensmittelgeschäft bezahlen, heißt die Devise, so der Bürgermeister: „Ich brauche dann zum Beispiel kein Geldinstitut mehr, das gefällt den Leuten. Warum weiß ich auch nicht, aber es ist wirklich so.“ Seit sieben Jahren macht der diplomierte Forstwirt Pichler nicht für eine Partei, sondern für die Bürgerinitiative Lebenswerte Stanz Kommunalpolitik. Bei seinen Projekten sind ihm Transparenz, Information und die Beteiligung möglichst vieler wichtig, betonte er: „Der Vorteil für alle muss größer sein als der Einzelvorteil. Das ist ein kompliziertes Thema, aber schrittweise geht das, man muss manchmal ein bisschen auf den Vorteil warten können“, so der Stanzer Bürgermeister.