Dschihadistenprozess in Graz – Polizisten vor dem Grazer Straflandesgericht
APA/Erwin Scheriau
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Chronik

Dschihadistenprozess: Urteile nach Bombendrohung

In Graz hat am Montag die bereits dritte Auflage eines Prozesses um vier mutmaßliche Dschihadisten mit Urteilen geendet. Der Prozessauftakt musste nach einer Bombendrohung aber kurzfristig unterbrochen werden – es war nicht die einzige Drohung dieser Art in Österreich.

Am Montag gingen in ganz Österreich zahlreiche Bombendrohungen ein: Diese richteten sich neben dem Straflandesgericht in Graz auch gegen Gerichte in Wien und St. Pölten, gegen die Israelitische Kultusgemeinde und gegen die MA 56 (Schulen) in Wien – mehr dazu in Bombendrohung gegen Schulen, Gerichte, IKG (wien.ORF.at). „Hintergrund dürften aktuelle Prozesse bzw. auch polizeiliche Amtshandlungen gegen Personen sein, die der Islamistenszene zuzuordnen sind“, hieß es aus dem Innenministerium.

E-Mail: „Heute leiden Sie“

Auch am Grazer Straflandesgericht ging eine Drohung per E-Mail ein: „Heute leiden Sie. Und Bomben werden hochgehen.“ steht in dem Droh-E-Mail, das die Servicestelle des Landesgerichts Graz am Montag erhielt: "Sie sind schuldig für Blut unserer tschetschenischen Brüder.“

Der Autor ist offenbar Anhänger des prorussischen tschetschenischen Präsidenten Ramsan Kadyrow, der auch in dem E-Mail erwähnt wird. Und er kritisiert in dem Schreiben die westliche Hilfe für die Ukraine.
Das Innenministerium geht aufgrund von Hinweisen in dem Mail außerdem von einem Zusammenhang mit dem Dschihadistenprozess aus, der heute in Graz begonnen hat.

Vorübergehende Räumungen

Der Gerichtssaal wurde vorübergehend geräumt, von Sprengstoffexperten und Hunden durchsucht, dann konnte weiter verhandelt werden, so Gerichtssprecherin Barbara Schwarz.
Das Landesgericht St. Pölten wurde sogar komplett evakuiert, so Gerichtssprecherin Birgit Eisenmagen: „Das Gebäude wurde von den Einsatzkräften durchsucht. Es sind Hunde im Gebäude gewesen, die nach Sprengstoff gesucht haben. Kurz vor 11:30 Uhr konnte dann das Gebäude wieder freigegeben werden Es wurde nichts gefunden und es ist auch niemand zu Schaden gekommen.“

Der Chef der Direktion Staatsschutz und Nachrichtendienst, Omar Haijawi-Pirchner, hatte zuletzt vor einer erstarkten jihadistischen Szene und allgemein vor zunehmendem Extremismus gewarnt.

Prozess begann 2019

Der Prozess, der am Montag im Grazer Straflandesgericht fortgesetzt wurde, begann ursprünglich am 8. November 2019, von 13 Angeklagten erschienen nur elf; alle standen irgendwie mit dem Grazer Glaubensverein Taqwa in Verbindung. Die schwersten Vorwürfe galten einem 45-jährigen Prediger, der starken Einfluss auf die Moschee genommen haben soll.

Aus diesem Grazer Verein zogen 2014 insgesamt 38 Personen nach Syrien: Die Spur der ersten „Auswanderer“ hat sich verloren, es ist nicht bekannt, ob diese Familien noch leben. Die zweite Partie kehrte nach wenigen Monaten wieder zurück und wurde teilweise bereits rechtskräftig in Österreich verurteilt.

Im März 2020 wurde der Prediger wegen der Verbrechen der terroristischen Vereinigung, der kriminellen Organisation und der staatsfeindlichen Verbindung zu fünf Jahren Haft verurteilt. Der Vereinskassier und der Obmann wurden zu je vier, eine Frau zu drei Jahren Haft verurteilt, sieben Personen wurden freigesprochen – mehr dazu in Dschihadistenprozess: Fünf Jahre Haft für Prediger (12.3.2020).

Strafen schon einmal drastisch erhöht

Der Anklagepunkt „staatsfeindliche Verbindung“ musste aber nach einer teilweisen Urteilsaufhebung im Juli 2021 neu verhandelt werden, die Verurteilungen in Bezug auf terroristische Vereinigung und kriminelle Organisation waren rechtskräftig. Die Strafen wurden dabei deutlich erhöht: Beim Prediger waren es nun acht statt bisher fünf Jahre, der Vereinskassier bekam sieben Jahre, der Obmann sechs Jahre, und bei der Frau des Kassiers verdoppelte sich die Strafe von drei auf sechs Jahre – mehr dazu in Dschihadistenprozess: Strafen für Angeklagte erhöht (22.7.2021).

Wieder „staatsfeindliche Verbindung“

Aber auch dieses Urteil hielt nicht – mehr dazu in Urteil in Dschihadisten-Prozess erneut aufgehoben (13.4.2022) –, und so mussten sich am Montag die verbliebenen vier Angeklagten erneut im Gericht einfinden – es muss auch diesmal in erster Linie der Anklagepunkt „staatsfeindliche Verbindung“ neu verhandelt werden, die Verurteilungen in Bezug auf terroristische Vereinigung und kriminelle Organisation waren rechtskräftig. Die Strafen wurden deutlich erhöht: Beim Prediger waren es nun acht statt bisher fünf Jahre. Der Vereinskassier bekam sieben Jahre, der Obmann sechs Jahre, und bei der Frau des Kassiers verdoppelte sich die Strafe von drei auf sechs Jahre.

Zwischen sieben und drei Jahren Haft

Aber auch dieses Urteil hielt nicht, und so mussten sich die verbliebenen vier Angeklagten erneut im Gericht einfinden. Am Montag entschied man sich in Graz dafür, den Anklagepunkt „staatsfeindliche Verbindung“ vorerst auszuscheiden und extra zu verhandeln.

Dazu musste aber ein neues Urteil über die verbleibenden Delikte gefällt werden. Die Strafen wurden wieder herabgesetzt: Der Prediger bekam sieben Jahre und drei Monate, die beiden anderen Männer je fünf Jahre und drei Monate, die Frau wurde zu vier Jahren und drei Monaten verurteilt. Sollten die Beschuldigten auch in Bezug auf die staatsfeindliche Verbindung schuldig gesprochen werden, könnten sich die Strafen wieder erhöhen. Keiner der Beteiligten gab eine Erklärung ab, das Urteil ist nicht rechtskräftig.