Kultur

Graz Museum sucht nach Zeugnissen jüdischer Geschichte

Das Graz Museum bereitet für Herbst eine umfassende Ausstellung zum jüdischen Leben in Graz vor. Dafür werden noch Objekte und Lebensgeschichten gesucht – gefragt sind Gegenstände, Fotografien, Filme, Tonaufnahmen, Zeichnungen, Dokumente, Briefe und andere Materialien.

1880 zählte die Israelitische Kultusgemeinde 1.200 Mitglieder, diese weihte 1892 die erste repräsentative Synagoge der Grazer Gemeinde ein. Ihren Zenit erreichten die Zahlen um die Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert mit mehr als 2.000 Jüdinnen und Juden, die in der steirischen Landeshauptstadt gemeldet waren. Heute ist es rund ein Zehntel, so Projektleiter Bernhard Bachinger.

Premiere in öffentlichen Museum

Ausstellungen über die wechselvolle Geschichte des jüdischen Lebens in der Steiermark bzw. in der größten steirischen jüdischen Gemeinde in Graz gab es in den vergangenen Jahren immer wieder – die für den Herbst geplante Schau im Graz Museum wird allerdings die erste in einem öffentlichen Museum in der Steiermark sein. Bei der Planung arbeite man eng mit der Jüdischen Gemeinde, aber etwa auch dem Zentrum für Jüdische Studien an der Universität Graz oder dem Grazer Geschichtsverein Clio zusammen – immerhin gilt es einen historischen Zeitraum von nahezu 900 Jahren abzudecken.

Kontaktmöglichkeit:

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„Wir wollen die Vielfalt des jüdischen Lebens, die sich in verschiedenen Themenbereichen abbilden lässt, darstellen“, so Bachinger. Im Bezug auf materielle Zeugnisse tue man sich allerdings etwas schwer: „Wir haben im Museum zwar ein paar Streubestände, aber keine wirkliche Sammlung von Judaica“, schilderte der Historiker mit Schwerpunkt Südosteuropäische Geschichte.

Erinnerungen gesucht

„Wir suchen unter anderem noch Erinnerungsgegenstände aus Familien, die weitergegeben wurden, aber noch nie öffentlich zu sehen waren. Wir wollen die Geschichte mit konkreten Personen und Gesichtern lebendig werden lassen, sind auf der Suche nach Porträts, Fotos von Veranstaltungen aus dem Schulbereich, dem Studium, speziell auch von ehemaligen jüdischen Geschäften, dem jüdischen Frauenverein oder weiteren Vereinen“, so Bachinger. Kuratiert wird die Ausstellung von Martina Zerovnik.

Darüber hinaus möchte das Graz Museum mit jüdischen Grazerinnen und Grazern ins Gespräch kommen und ihre Geschichten erzählen: Was bedeutet es, in Graz jüdisch zu sein? Wo leben die Nachfahren vertriebener jüdischer Grazer heute? Wie war und ist es für jüdische Menschen, in Graz zu leben? Wie gestaltet sich der Alltag, welche Erfahrungen und Erinnerungen, welche Themen begleiten ihr Leben? Das seien zentrale Fragen, die man auch mit der Ausstellung thematisieren möchte. „Natürlich werden wir aber auch der Shoa einen wesentlichen Teil widmen“, wie Bachinger weiter ausführte.

Bewegte Geschichte

Der historische Bogen der Ausstellung werde von der Ansiedlung im Mittelalter über die wiederholte Vertreibung, die lange Abwesenheit jüdischen Lebens – die sogenannte Judensperre – reichen. Diese wurde erst im späten 18. Jahrhundert allmählich von einer wieder erstarkenden jüdischen Gemeinde abgelöst, die langsam wieder eine religiöse, rituelle und kulturelle Infrastruktur entwickelte.

Bereits seit den 1890er-Jahren erstarkte jedoch der Antisemitismus, der sich ab dem Ersten Weltkrieg 1914 radikalisierte und schließlich in den Novemberpogromen und der „Arisierung“ von Betrieben und der Vertreibung und Ermordung der Grazer jüdischen Bevölkerung von 1938 mündete. Erst nach dem Ende des Zweite Weltkriegs 1945 siedelten sich wieder einige jüdische Familien in Graz an. Im Jahr 2000 schließlich wurde die Grazer Synagoge wieder errichtet und eingeweiht.