Justizanstalt Graz-Jakomini
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Chronik

Missstände in Grazer Justizanstalt „bekannt“

Wachbeamte der Justizanstalt Graz-Jakomini machten in einem Brief auf zunehmend massive Probleme mit Inhaftierten aufmerksam. Die Gewerkschaft ist darüber im Bilde, beklagt aber die Untätigkeit des Justizministeriums.

In einem Brief der Justizwachbeamten von der Justizanstalt Graz-Jakomini heißt es, dass die Inhaftierten den gesetzlich vorgegebenen Anordnungen sanktionslos nicht mehr Folge leisten würden und auch, dass Beleidigungen und Beschimpfungen zunehmen, berichtet die Kronen Zeitung in ihrer Mittwochausgabe.

Vandalenakte und Tablettenhandel

In dem Schreiben werden die Missstände auch beispielhaft beschrieben. Beim Ausrücken zum Aufenthalt im Freien würden von den Häftlingen etwa Tabletten vor den Augen der Beamten getauscht oder verteilt werden – offenbar wissend, dass es wenige bis gar keine Konsequenzen gebe. Ein Bediensteter sei von einem Insassen sogar schwer verletzt worden, doch es habe mehrere Tage gedauert, bis der Angreifer in eine andere Anstalt überstellt wurde.

Ein weiterer Inhaftierter schreie abends ständig beim Fenster hinaus, sodass sich die Anrainer beschweren würden. Ein anderer Insasse habe die Wände beschmiert und sei aufgefordert worden, die Kritzelei zu beseitigen, doch er habe sich einfach geweigert, denn außer einer Abmahnung gebe es keine Konsequenzen.

„Jahrelang schon eine Führungsschwäche“

Der Gewerkschaft ist dieser Aufschrei nicht neu, denn diese Missstände seien bereits seit Jahren bekannt. Es sei daher kein Wunder, dass die Betroffenen Justizbeamtinnen und -beamten in Graz-Jakomini solche Vorwürfe äußern, von der Anstaltsleitung würden die Sicherheitsbedenken nicht ernst genommen, sagt der sozialdemokratische Gewerkschafter Christian Kircher im Ö1-Mittagsjournal. Er bestätigt, „dass es dort unseres Erachtens jahrelang schon ein Führungsschwäche gibt und das haben wir auch zur damaligen Justizministerin immer wieder herangetragen, nur ist nichts passiert.“

20 Versetzungsgesuche am Tisch

Immer wieder wurde laut Kircher darauf hingewiesen, dass das Personal kein Vertrauen in die Anstaltsleitung habe. Dieses Führungsproblem bestätigt auch Christgewerkschafter Albin Simma: „Wir haben vor Jahren schon gefordert – die gesamte Personalvertretung, unabhängig davon, welche Fraktion –, dass dieser Leiter abgesetzt gehört und diese Forderung bleibt weiterhin bestehen.“ Denn es gebe ein klares Indiz, dass die Leute weg von dort wollen: „Wir haben dort 20 Versetzungsgesuche, also das alleine schon spricht Bände.“

Immer mehr psychisch kranke Häftlinge

Neben den Problem mit der Anstaltsleitung in Graz-Jakomini müsse zudem auch dringend die Sicherheit erhöht werden, sagt Kircher: „Es fehlt dort in Jakomini absolut eine Sicherheitsabteilung, die Sicherheitshafträume hat, wo man genau diese renitenten Insassen unterbringt, die ja prozentuell nicht so groß sind, aber diese kleine Anzahl macht uns massivst Probleme, verschafft uns auch viel Arbeit und Schwierigkeiten.“

Auch die Zahl an psychisch kranken Häftlingen habe in den letzten Jahren stark zugenommen: „Das ist einfach ein Klientel, mit dem man in Österreich nicht zusammenkommt und wenn ich das so salopp sagen darf: In den Nervenkliniken haben sie oft ‚bessere‘ Leute als im Strafvollzug untergebracht oder geparkt werden, weil man einfach in der Gesellschaft nicht weiß, wohin mit den Leuten.“

50 offene Stellen in der Steiermark

Der Gewerkschafter wünscht sich daher mehr Personal. Derzeit sind 100 Planstellen aber unbesetzt, allein 50 offene Stellen gibt es in der Steiermark. Die Sicherheit in den Gefängnissen sei unter diesen Bedingungen daher nur Abstrichen aufrechtzuerhalten: „Die Justizwache bemüht sich das System, das solche Probleme hat, mit Geld, mit Personal aufrecht zu erhalten, aber es wird immer schwieriger diese Löcher zu stopfen. Daher bräuchten wir eine ganz massive Unterstützung.“

Ministerium will Kritik „ernst nehmen“

Im Justizministerium kennt man das Problem mit dem Maßnahmenvollzug ebenfalls – bereits im Februar hat Ministerin Alma Zadic (Grüne) daher Verbesserungen angekündigt. Ein entsprechender Gesetzesbeschluss lässt aber noch auf sich warten.

Zu den konkreten Vorwürfen über Missstände in Graz-Jakomini heißt es aus dem Justizministerium wörtlich: „Die Justizanstalt Graz-Jakomini hat, wie alle anderen Justizanstalten auch, im Rahmen unseres Monitoring Auftrages keine Auffälligkeiten, erscheinen lassen, die zu Dienst oder fachaufsichtsbehördlichen Maßnahmen Anlass geben.“ Man nehme die Kritik der Bediensteten aber ernst und werde gemeinsam mit Anstaltsleitung und Personalvertretung Maßnahmen treffen, um die Zufriedenheit der Bediensteten zu verbessern, heißt es.

SPÖ-Justizsprecherin: „Nicht mehr tragbar“

Am Dienstagnachmittag reagierte auch SPÖ-Justizsprecherin Selma Yildirim auf die aufgezeigten Misstände: „Die eklatanten Personalmängel in der Justizwache sind nicht mehr tragbar. In den Haftanstalten herrschen Zustände, die offenbar schon eine massive Sicherheitsgefährdung des Personals darstellen.“ Man fordere daher seit Jahren klare Führungskonzepte in den Justizanstalten, die Schaffung und bessere Bewertung neuer Planstellen sowie strukturelle Verbesserungen, weil die Bediensteten „am Zahnfleisch gehen“ – die aktuellen Berichte würden die schlimmsten Befürchtungen bestätigen, so Yildirim.