Verbund Kraftwerk Mellach
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Politik

Keine Mehrheit für Mellach-Reaktivierung

Das Kraftwerk Mellach wird vorerst nicht auf Kohle rückgebaut. Eine Verordnung, die dafür nötig gewesen wäre, und am Dienstag dem Hauptausschuss im Nationalrat vorgelegt wurde, wurde von den Oppositionsparteien abgelehnt.

Das Fernheizkraftwerk Mellach soll nach Plänen der Bundesregierung so umgerüstet werden, dass dort im Notfall wieder aus Kohle Strom und Wärme erzeugt werden können – mehr dazu in Kraftwerk Mellach wird wieder auf Kohle umgerüstet (19.6.2022). Rechtliche Grundlage dafür ist eine so genannte Lenkungsmaßnahmen-Verordnung, die am Dienstag im Hauptausschuss des Nationalrates beschlossen werden sollte.

SPÖ sieht ihre Bedingungen nicht erfüllt

Dort fand die Notverordnung aber nicht die nötige Zweidrittel-Mehrheit. Die Stimmen von ÖVP und Grünen allein reichten nicht aus. Die SPÖ hatte bereits im Vorfeld bekannt gegeben, der Erdgas-Lenkungsmaßnahmenverordnung nicht zustimmen zu wollen und bereits vergangene Woche ihre Zustimmung an mehrere Bedingungen geknüpft – etwa dass zusätzliche Kosten, die durch die Umrüstung von Gas auf Kohle und Öl entstehen, nicht auf die Energiekunden überwälzt werden dürfen; außerdem wurde gefordert, dass Unternehmen die hohe Gewinne aufgrund der Energiekrise lukrieren, keine Förderungen im Rahmen der Erdgas-Lenkungsmaßnahmen-Verordnung erhalten – mehr dazu in SPÖ knüpft Zustimmung zu Mellach an Preisstopp (news.ORF.at; 17.8.2022).

„Wir sind jederzeit bereit, zu diskutieren“, sagte der stellvertretende SPÖ-Klubvorsitzende Jörg Leichtfried am Dienstag bei einer Pressekonferenz in Wien im Vorfeld des Hauptausschusses. Sollte es substanzielle Änderungen geben, könne man „nächste oder übernächste Woche die Verordnung beschließen“, so Leichtfried.

„Geben keinen Blankoscheck“

Für SPÖ-Energiesprecher Alois Schroll sind die kolportierten Reaktivierungskosten für das frühere Kohlekraftwerk Mellach „nicht nachvollziehbar“: Zuerst seien 20 Mio. Euro genannt worden, nun würden 160 Mio. Euro im Raum stehen. „Wir haben keine definitive Zahl bekommen“, kritisierte Schroll bei der Pressekonferenz, „deswegen wird es keinen Blankoscheck für Gewessler geben“. Außerdem bräuchten Energiekonzerne, die Krisengewinner seien, „keine Förderung aus Steuergeld“, so der SPÖ-Energiesprecher.

Auch FPÖ und NEOS stimmten dagegen

Auch die NEOS stimmten der Verordnung nicht zu: „Energieversorger wie EVN oder Verbund machen gerade so hohe Gewinne wie nie, sie brauchen aktuell sicher kein Steuergeld“, so NEOS-Energiesprecherin Karin Doppelbauer am Dienstag in einer Aussendung. Die Verordnung sei „komplett auf die Bedürfnisse der Energieversorger zugeschnitten“.

Die FPÖ ließ bis zuletzt offen, ob sie der Verordnung zustimmen wird und tat es letztlich ebenfalls nicht. Der freiheitliche Energiesprecher Axel Kassegger bezeichnete die Energiepolitik der türkis-grünen Regierung bereits im Vorfeld als „chaotisch und vollkommen verfehlt“; auch seien die Sanktionen gegen Russland ein „Knieschuss“.

Gewessler kritisiert SPÖ

Scharfe Kritik, vor allem an der SPÖ, übte Energieministerin Leonore Gewessler (Grüne): „Ich finde das Verhalten der SPÖ komplett unverantwortlich“, sagte Gewessler im Ö1-Mittagsjournal. Ein reaktiviertes Kohlekraftwerk Mellach könne im Notfall 260.000 Haushalte mit Strom und Wärme versorgen.

„Ich mache die SPÖ verantwortlich, wenn Wohnungen von Familien und Kindern kalt bleiben.“ Laut Gewessler wurden Gespräche mit beiden Oppositionsparteien geführt: „Es hat aufgrund der Verhandlungen und Rückmeldungen der SPÖ eine Veränderung der Verordnung gegeben.“ Auch die Klubobleute August Wöginger von der ÖVP und Sigi Maurer von den Grünen kritisierten das geplante Abstimmungsverhalten der SPÖ als „grob verantwortungslos“.

Kahr: „Versorgung der Haushalte an erster Stelle“

Die Grazer Bürgermeisterin Elke Kahr (KPÖ) und Vizebürgermeisterin Judith Schwentner (Grüne) riefen den Nationalrat dazu auf, eine schnelle Lösung angesichts der möglicher Energieengpässe im Herbst und Winter zu finden. Kahr betonte in einer Aussendung: „Bei allem Für und Wider steht für mich die Versorgung der Grazer Haushalte an erster Stelle. Wir müssen auch für Notfälle gerüstet sein, deshalb brauchen wir eine schnelle und konstruktive Lösung.“

Vizebürgermeisterin Judith Schwentner erklärte: „Für Graz ist eine schnelle Einigung auf Bundesebene von besonders großer Bedeutung. Denn nur so können die nötigen Vorbereitungen beim Kraftwerk Mellach gestartet werden, um im Notfall für die nächste Heizperiode Wärme für das Grazer Fernwärmenetz zu liefern und als Stabilisierung des Stromnetzes zu dienen."

Weiteres Vorgehen offen

Die Regierung hatte die Erdgas-Lenkungsmaßnahmen-Verordnung erst vergangenen Mittwoch dem Energielenkungsbeirat vorgelegt. In der Verordnung werden Energieversorger und große Industriebetriebe aufgefordert umzurüsten, um im Fall eines Gasmangels oder russischen Lieferstopps andere Brennstoffe wie Kohle, Öl oder Biomasse einzusetzen. Die Verordnung betrifft aber nicht nur das stillgelegte Kohlekraftwerk des Verbunds in Mellach, sondern auch Fernwärmekraftwerke, etwa jene der Wien Energie, die von Gas auf Öl umgestellt werden sollen. Ziel ist es, Gas zu sparen, falls Russland den Gashahn ganz zu dreht – mehr dazu in Notverordnung für Kraftwerk Mellach fertig (16.8.2022).

Die von der Regierung anvisierte Reaktivierung des Kohlebetriebs in Mellach verzögert sich nun jedenfalls. „Je später diese gesetzliche Grundlage gegeben ist, umso später ist auch ein Einsatz im Notbetrieb umsetzbar“, hieß es vom Verbund auf APA-Anfrage. „Die Reaktivierung der Kohleverstromung am Standort Mellach beinhaltet Umbau- und Wartungsarbeiten, Personalfragen, die Beschaffung der Kohle am Weltmarkt wie auch der Transportslots an den Standort“, so der teilstaatliche Energieversorger. Mellach würde bei einer als kompliziert geltenden Reaktivierung allerdings erst ab 2023 Energie liefern können, hieß es – mehr dazu auch in Verbund-Chef Strugl: Mellach liefert erst 2023 (9.7.2022).