Chronik

Nach Abmahnwelle: Anwalt klagt Anwalt

Ein Grazer Anwalt hat auf die massenhaften Abmahnschreiben eines niederösterreichischen Kollegen reagiert: Er hat seinen Berufskollegen bei der Staatsanwaltschaft Graz wegen des Verdachts auf Betrug angezeigt.

Eine Mandantin des Grazer Anwalts sollte 190 Euro Schadenersatz zahlen, berichtete der „Kurier“, da ihre Website gegen die Datenschutzgrundverordnung verstoße, da sie Google-Schriften verwende.

„Gefühlsschaden“

Sind diese Schriften nicht auf dem Server gespeichert, wird die IP-Adresse von Besuchern der Website an Google weitergeleitet. Die Mandantin des niederösterreichischen Anwalts sah laut diesem darin einen Kontrollverlust über ihre Daten, wodurch ein Gefühlsschaden eingetreten sei. Der Anwalt sieht den Fehler in der falschen Programmierung der Websites. Mittlerweile hätten die auf die Erstellung der Websites spezialisierten Unternehmen aber dazugelernt, merkt der Anwalt an.

Rechtanwaltskammer prüft Mahnschreiben

Zahlreiche Unternehmen bekommen derzeit Mahnschreiben von einem Anwalt aus Niederösterreich. Der Grund: Die Adressanten sollen auf ihrer Website eine Schriftart des Internetkonzerns Google verwendet und dadurch gegen Datenschutzbestimmungen verstoßen haben. Ungewöhnlich dabei: All diese Schreiben sind im Namen derselben Mandantin. Die Rechtsanwaltskammer NÖ will den Fall nun prüfen.

Medienbericht: Bis zu 10.000 Briefe verschickt

Laut dem Grazer Anwalt bestehe aber der Verdacht, dass die Websites gezielt abgesucht wurden und die Mandantin keinen „Gefühlsschaden“ erlitten habe – vor allem seien sehr viele Abmahnungen verschickt worden: Alleine bei der Wirtschaftskammer Niederösterreich meldeten sich mehr als 300 Mitgliedsbetriebe, die Post vom „Datenschutzanwalt“ bekommen haben, berichteten die „Niederösterreichischen Nachrichten“. Insgesamt sollen laut „Kurier“ mehr als 10.000 Briefe ausgeschickt worden sein.

Google: Anfrageflut nach Anwaltsbrief

Weil Kleinunternehmer, Vereine und Freiwillige Feuerwehren Google-Schriften auf ihren Webseiten benutzt haben, sollen sie nun 190 Euro bezahlen, da sie gegen den Datenschutz verstoßen haben sollen. Mehr als 1.200 Betroffene haben sich bereits bei der steirischen Wirtschaftskammer gemeldet.

„Bestimmtes, formgebundenes Verfahrens“

Der niederösterreichische Anwalt – für den die Unschuldsvermutung gilt – entgegnet, dass ein Verstoß gegen die Datenschutzgrundverordnung bereits die Abmahnung rechtfertige. Die Datenschutzbehörde wiederum merkt dazu an: „Es wird aber ausdrücklich klargestellt, dass die Feststellung von Rechtsverstößen in Datenschutzangelegenheiten in Österreich ausschließlich in die Zuständigkeit der Datenschutzbehörde oder der österreichischen Gerichte fällt, jedoch keinesfalls von privaten Einrichtungen oder Privatpersonen vorzunehmen ist. Die Feststellung einer Datenschutzverletzung kann somit immer erst nach Durchführung eines gesetzlich bestimmten, formgebundenen Verfahrens erfolgen.“

„Wunsch nach Aufklärung“

Mehrere Anwälte würden derzeit um die Empfänger der Abmahnbriefe buhlen und sich so ein zusätzliches Geschäft erwarten. Er sehe der Anzeige sowie dem angekündigten Disziplinarverfahren bei der Anwaltskammer Niederösterreich gelassen entgegen, so der niederösterreichische Anwalt, aber: „Es wundert mich nicht, dass es hier den Wunsch nach Aufklärung gibt.“