Barbara Stelzl-Marx
APA/HERBERT NEUBAUER
APA/HERBERT NEUBAUER
„Sonntagsgespräch“

Stelzl-Marx: „Nichts unter Teppich kehren“

Das Thema Krieg sei angesichts der Ukraine-Krise vielen Menschen wieder bewusster geworden, sagt die Historikerin Barbara Stelzl-Marx im ORF Steiermark-„Sonntagsgespräch“. Doch auch in Bezug auf Österreichs Zeitgeschichte warnt die Historikerin davor, Geschehenes „unter den Teppich zu kehren“.

Die Grazer Historikerin Barbara Stelzl-Marx ist überzeugt, dass Österreichs Neutralität und damit der bevorstehende Nationalfeiertag zuletzt wieder an Bedeutung gewonnen habe. Denn die Themen Krieg und Frieden seien präsenter den je: „Krieg war gefühlt sehr weit weg, auch wenn es in den letzten Jahren immer Kriege auch gegeben hat. Plötzlich durch den Überfall Russlands auf die Ukraine ist das Thema Krieg und Frieden viel bewusster geworden. All das hat plötzlich wieder eine ganz andere Relevanz bekommen.“

Offener Umgang mit dunklen Themen

Im Zusammenhang mit dem Thema Krieg warnt die Historikerin aber auch davor, den Nationalsozialismus in der Geschichte Österreichs „unter den Teppich zu kehren“. Wichtig sei es vielmehr, immer aufs Neue darüber zu sprechen: „Wenn man über etwas nicht spricht, heißt das nicht, dass das keine Auswirkungen hat – das weiß man aus der Psychologie, aber auch aus der historischen Forschung, dass diese Dinge irgendwann an die Oberfläche kommen oder im Verborgenen weiterwirken. Und meine Erfahrung, ist: Je offener man mit diesen dunklen, belastenden Themen aus der Zeitgeschichte, aus dem Kriegsende, umgeht, desto besser kann man damit auch umgehen.“

Barbara Stelzl-Marx im „Sonntagsgespräch“

Die Historikerin spricht im Interview mit ORF Steiermark Chefredakteur Wolfgang Schaller über die Bedeutung des bevorstehenden Nationalfeiertages, über Krieg und Frieden, aber auch darüber, warum es so wichtig ist, auch „dunkle Themen“ der Zeitgeschichte aufzuarbeiten.

Lager Liebenau ein Teil der Geschichte

Die Historikerin nennt als Beispiel etwa das Lager in Liebenau, das im zweiten Weltkrieg das größte Zwangsarbeiterlager in Graz gewesen sei: „Im April 1945 war es eine Zwischenstation auf den Todesmärschen von ungarischen Juden. Der Grund, wieso es jetzt an die Oberfläche im wahrsten Sinne des Wortes gekommen ist, ist ein Zusammenspiel von mehreren Faktoren – der ganz große Auslöser, warum es das öffentliche Interesse auch geweckt hat, das war der Bau des Murkraftwerks in unmittelbarer Nähe des ehemaligen Lagers und in dem Zusammenhang sind auch archäologische Spuren, Reste, Fundamente zum Vorschein gekommen.“ Mehr zur Geschichte des NS-Lagers und den Ausgrabungen in Liebenau in Lager Liebenau: Tagung beleuchtet Prozess (3.10.2022).