Ärztin bei der Untersuchung mit einem Stetoskop
APA/HELMUT FOHRINGER
APA/HELMUT FOHRINGER
Soziales

Medizinstudium: Pflegepraktikum statt Aufnahmetest

Ein Pflegepraktikum und dafür kein Aufnahmetest, um Medizin studieren zu können: Mit diesem Vorschlag lässt der steirische Primar Reinhold Kerbl aufhorchen. Aber nicht nur die Ärztekammer sieht den Vorschlag kritisch, sondern auch der Rektor der Grazer Med-Uni.

1.850 Studienplätze gibt es pro Jahr, 12.000 junge Menschen bewerben sich dafür, oft nach monatelangen teuren Kursen; zu wenig Ausbildungsplätze und falsche Schwerpunkte stellten zuletzt auch die Gesundheitslandesräte fest – mehr dazu in Ausbildungsoffensive für Sozialberufe gefordert (7.10.2022).

„Hochmotivierte junge Menschen gehen nach Hause“

Reinhold Kerbl, Primar am LKH Hochsteiermark in Leoben, hält die Aufnahmetests für den falschen Weg: „Ich maße mir nicht an zu sagen, dass die Falschen kommen, was ich aber sehr wohl sehe, ist, dass Jahr für Jahr hochmotivierte junge Menschen nach Hause gehen, weil sie diesen Test nicht bestanden haben. Ich glaube, es wäre viel gescheiter, sich im Alltag anzuschauen, wie gehen sie an Menschen heran als wie können sie irgendwelche Formeln oder irgendwelche Texte richtig interpretieren.“

„Revolutionärer“ Vorschlag

Kerbls Vorschlag, den er in der „Presse“ als „revolutionär“ bezeichnete, lautet: Man soll zum Studium zugelassen werden, wenn man nach einem verpflichtenden einjährigen Pflegepraktikum in einem Spital als geeignet betrachtet wird. „Ich glaube, dass hier mehrere zusammentreten müssen, um die Qualifikation der Einzelnen, des Einzelnen zu beurteilen, aber nicht nur die fachliche, theoretische Qualifikation, sondern vor allem auch die humanitäre Qualifikation, ob er, sie wirklich zum Arzt berufen ist“, so Kerbl.

Ärztekammer: „Keine Lückenbüßer“

Die Ärztekammer sieht den Vorschlag dagegen kritisch: Die künftigen Medizin-Studentinnen und Studenten sollten nicht genutzt werden, um Lücken in der Pflege zu stopfen. „Ich glaube, dass man angehende Medizinstudenten jetzt nicht einfach als Lückenbüßer im System einsetzen kann, weil man die ganze Zeit eine verfehlte Pflegepolitik gehabt hat. Pflege ist ein hochqualifizierter Beruf, und man kann jetzt nicht einfach in dem Sinne unqualifizierte AHS-Abgänger in diesen Beruf ‚hineinjagen‘“, sagt der Präsident der Ärztekammer, Johannes Steinhart.

Samonigg: „Vorschlag verfehlt Ziel“

Das selbe Gegenargument bringt Hellmut Samonigg, Rektor der Med-Uni Graz: Laut ihm würde die Umsetzung dieser Idee die Spitäler und Pflegeheime zusätzlich überfordern. Außerdem verfehlt der Vorschlag laut Samonigg das Ziel: So sei der medizinische Aufnahmetest lediglich zur Erkennung der Studienfähigkeit vorgesehen und nicht für die Feststellung der Eignung als späterer Arzt bzw. Ärztin.

„Das sind exzellente Ärzte!“

Die Idee sei eine gute Chance, um über die Reform der Medizin-Aufnahmetests zu reden, sagt wiederum Ärztekammerpräsident Steinhart, „weil manchmal Fähigkeiten wie zum Beispiel Auswendiglernen abgefragt werden, und das ist zu wenig“.

Medizinstudium: Pflegepraktikum statt Aufnahmetest

Ein Pflegepraktikum und dafür kein Aufnahmetest, um Medizin studieren zu können: Mit diesem Vorschlag lässt der steirische Primar Reinhold Kerbl aufhorchen. Aber nicht nur die Ärztekammer sieht den Vorschlag kritisch, sondern auch der Rektor der Grazer Med-Uni.

Der Aufnahmetest werde ständig weiterentwickelt, erklärt dagegen Samonigg, „und ich erlaube mir die böse Feststellung, vielleicht ist auch die Verwandtschaft mit dem dort Prüfenden ein Thema, ob ich Arzt werden kann oder nicht. Wir sollten nicht so tun, als wären die Studenten, die jetzt, seit das Aufnahmeverfahren fertig ist und als Ärzte tätig sind, nicht exzellente Ärzte sind – die sind exzellente Ärzte!“

ÖH: „Wir brauchen die Zeit“

Auch die Vorsitzende der ÖH der Med-Uni Graz, Johanna Brehmer, lehnt den Vorschlag ab: „Wir brauchen einfach die Zeit, die wir haben in den sechs Jahren und um wirklich in unsere Aufgaben, die wir dann übernehmen als Ärzte und Ärztinnen, hineinwachsen zu können.“

Bogner-Strauß begrüßt Vorschlag

Begrüßt wird der Vorschlag hingegen von Gesundheitslandesrätin Juliane Bogner-Strauß (ÖVP): Die damit verknüpfte Praxis sei als erster Erfahrungsort von Pflege und Medizin wichtig.