Grazer Rathaus, Hauptplatz
ORF.at/Roland Winkler
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Wirtschaft

Grazer Budget: Gegenseitige Schuldzuweisungen

Laut einem Brief des Rechnungshofes der Stadt Graz scheinen die Kassen der Hauptstadt leer zu sein, die Stadt könnte zahlungsunfähig werden. Die Koalition verwies auf steigende Energiekosten und einen „geerbten“ Schuldenberg. Die Opposition kritisierte den Finanzstadtrat.

Schon nach dem Beschluss der Voranschläge für 2022 und 2023 wies der Stadtrechnungshof in Gesprächen darauf hin, dass die vorgelegte und mittelfristige Planung nicht den festgeschriebenen Grundsätzen entspricht, heißt es in einem vertraulichen Schreiben der Rechungshofprüfer an die Stadtregierung und den Stadtsenat, das dem ORF Steiermark zugespielt wurde. Konkret zeige diese Planung, dass die Liquidität der Stadt schon im nächsten Jahr nicht sichergestellt zu sein scheint, ist in diesem Schreiben weiter zu lesen.

Stadt Graz zeigt sich bei Finanzplanung säumig

Zwischen den Zeilen ist auch Kritik zu lesen. Gespräche hätten nicht dazu geführt, die mittelfristige Haushaltsplanung dem Strategiebericht anzupassen, auch eine schriftliche Anfrage heuer im September beim zuständigen Finanzdirektor der Stadt hätte keine ausreichende Beantwortung der Frage gebracht, wie die Liquidität der Stadt sichergestellt werden soll, heißt es in dem Schreiben weiter. Laut Stadtrechnungshof soll der zuständige Finanzstadtrat Manfred Eber (KPÖ) den Rechnungshofprüfern zugesagt haben, eine für den Stadtrechnungshof nachvollziehbare, neue Mittelfristplanung bis Ende Oktober vorzulegen. Auch das sei, auch nach Verstreichen einer Nachfrist, nicht erfolgt, betonte der Rechnungshof.

Finanzstadtrat zeigt sich über Brief verwundert

Eber selbst zeigt sich im Gespräch mit dem ORF Steiermark überrascht über den Brief des Rechnungshofes: „Es hat sich natürlich aufgrund der Energiekostensteigerungen einiges getan, dennoch sind wir auf einem guten Weg. Für 2022 wird das Budget halten. Für 2023 müssen wir uns sicher noch einige Sachen anschauen. Wir haben im Budgetbeschluss von Juni ja schon Konsolidierungsmaßnahmen drinnen, die wir im Jänner präsentieren wollen.“ Bürgermeisterin Elke Kahr (KPÖ) kündigte an, am Dienstagnachmittag für Fragen bereitzustehen.

Stadt könnte unter Aufsicht des Landes gestellt werden

Der Direktor des Stadtrechnungshofes Graz, Georg Windhaber, erklärte in dem Schreiben, er „hoffe aufrichtig, dass es rasch gelingen wird, dem Gemeinderat eine gesetzeskonforme Planung vorzulegen.“ Andernfalls könnte das Land tätig werden und Aufsichtsmaßnahmen für Graz ergreifen. Sollte ein laufender Haushalt nicht geplant werden können, sei jedoch mit solchen Maßnahmen zu rechnen, heißt es in dem Schreiben. Im schlimmsten Fall hätte das die Auflösung des Gemeinderates mit einer anschließenden Neuwahl zur Folge. In so einem Fall würde ein Regierungskommissär die laufenden Amtsgeschäfte führen.

Eber meinte dazu, man habe sich bewusst Zeit genommen, da es sich um eine komplexe Materie handle. Man werde am Mittwoch dem Stadtrechnungshof die neuen Zahlen übermitteln. Man hoffe auch auf Gelder vom Bund, da die aktuelle Situation mit stark steigenden Kosten alle Städte und Gemeinden betreffe. Der Finanzstadtrat meinte aber, man könne ausschließen, dass die Stadt ihren Verpflichtungen nicht mehr nachkommen könne, und es werde auch keinen Stillstand geben. Dass die Stadt unter Aufsicht eines Regierungskommissärs gestellt werden könnte oder sogar eine Neuwahl im Raum stehe, fürchte Eber nicht.

Gegenseitige Schuldzuweisungen

„Die Stadt ist konfrontiert mit einem massiven Schuldenberg als Erbe der schwarz-blauen Koalition“, schrieb Vizebürgermeisterin Judith Schwentner (Grüne) in einer Aussendung. Die Pro-Kopf-Verschuldung sei in den Jahren 2017 bis 2021 von 3.561 auf 4.793 angestiegen. Dazu komme die weltweite Krisensituation mit Krieg, Energiekosten und Inflation. Eine verantwortungsvolle Budgetpolitik funktioniere nicht ohne wesentliche Investitionen, meinte Schwentner weiter. Gleichzeitig merkte die Vizebürgermeisterin an, dass sie mehrfach auf Koalitionspartner KPÖ eingewirkt habe, rasch eine Mittelfristplanung des Budgets vorzulegen.

Riegler rechtfertigt Schuldenberg unter Schwarz-Blau

„Seit zwölf Monaten herrscht finanzpolitischer Stillstand in Graz – in einer Zeit, in der durch Teuerung und Konjunktureintrübung dringend Haushaltskonsolidierung erforderlich wäre. Anstatt dessen hat die KPÖ die Ausgaben erhöht“, schrieb der ehemalige Finanzstadtrat Günter Riegler (ÖVP) auf dem Kurznachrichtendienst Twitter. Gegenüber dem ORF Steiermark erklärte Riegler die stark gestiegenen Schulden der Stadt in seiner Amtszeit mit dem Wachsen der Stadt: „Wir hatten die Aufgabe, Wohnungen und Straßenbahnlinien zu bauen, haben das Fernwärmenetz ausgebaut und das bis zu zwei Drittel aus eigener Kraft finanziert. Jede einzelne Investition ist sinnvoll gewesen.“

„Ausschließlich parteipolitisch motivierte Schuldzuweisungen sind angesichts dieser massiven Krisensituation fehl am Platz“, schrieb der steirische FPÖ-Finanzsprecher Stefan Hermann. Die Freiheitlichen schlagen die sofortige Einleitung von Prüfmaßnahmen, die Einberufung eines Budgetgipfels mit Stadt- und Landesrechnungshof, die Einsetzung eines längerfristig agierenden Budgetkonsolidierungsteams mit externen Experten sowie die Durchforstung sämtlicher Förderungen und Subventionen der Stadt Graz vor.

Auch Ex-Bürgermeister und ÖVP werden kritisiert

Der (Korruptions-) Freie Gemeinderatsklub sieht den Ruf der Stadt Graz beschädigt und will nun externe Sanierungs- und Insolvenzexperten zu Rate ziehen: „Nicht nur die Verfehlungen der linksaußen Stadtregierung und führender Finanzbeamter der Stadt Graz im vergangenen Jahr müssen beleuchtet werden, sondern auch die Jahre ungebremster Schuldenmacherei davor, jedenfalls seit dem Amtsantritt Nagls als Bürgermeister.“ Der (Korruptions-) Freie Gemeinderatsklub besteht aus Ex-FPÖ-Mitgliedern, die kürzlich von der Partei ausgeschlossen wurden – mehr dazu in Causa FPÖ: Gemeinderatsklub unter neuem Namen.

NEOS-Kontrollausschussvorsitzender Philipp Pointner sieht die Stadtregierung „auf den unverantwortlichen Spuren“ des früheren Bürgermeisters Siegfried Nagl (ÖVP) wandeln: „Statt wirklich ein mutiges Sanierungskonzept vorzulegen, bleibt die Stadtregierung seit ihrem Antritt apathisch. Es braucht endlich einen ehrlichen Kassasturz.“ NEOS hätte bereits im Sommer mehrfach auf die Liquiditätsprobleme und die mangelnde Mittelfristplanung hingewiesen. Man fordere ein Sondersitzung des Gemeinderates, so Pointner.