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Klima & Umwelt

Klimaökonom: „Wir haben keine Zeit mehr“

Länder, die besonders von den Folgen des Klimawandels betroffen sind, sollen künftig mit einem Hilfsfonds finanziell unterstützt werden, das ist ein Ergebnis der UNO-Klimakonferenz in Ägypten. Für Klimaökonom Karl Steininger von der Uni Graz sind die Ergebnisse der Weltklimakonferenz enttäuschend.

Bei der UNO-Klimakonferenz in Scharm al-Scheich wurde nach jahrelangem Ringen ein Hilfsfonds für klimabedingte Schäden in besonders verletzlichen Staaten auf den Weg gebracht. Die Klärung zentraler Streitfragen wurde aber vertagt, zum Beispiel, welche Länder Geld einzahlen müssen. Bei der bisherigen Klimafinanzierung, die nur Maßnahmen zur Begrenzung der Erderhitzung und zur Klimawandelanpassung abdeckt, zahlen nur die klassischen Industrieländer an die Entwicklungsländer – mehr dazu in COP27-Kompromiss lässt viele Fragen offen (news.ORF.at).

„Erderwärmung eindämmen: Ziel klar verfehlt“

„Das Hauptziel der Klimarahmenkonvention, die wir vor 30 Jahren unterzeichnet haben, ist ja, den gefährlichen Einfluss des Menschen auf das Klima, auf die Klimastabilität, zu verhindern. Und das ist leider nicht gelungen, denn wenn wir nur die Symptome bekämpfen, aber nicht die Ursache, dann haben wir nichts gewonnen“, sagte Steininger am Sonntag in der ZIB2.

Er verglich die Situation mit einem Hausbau: „Wenn ich ein Haus baue, dann haben wir in Paris im Klimaübereinkommen ein gutes Fundament. Und wir haben jetzt bei dem Fundament ein bisschen was dazugebaut, möglicherweise auf Sand, weil wir noch nicht wissen, wie dieser Hilfsfonds wirklich funktionieren wird. Aber wir haben es verabsäumt, die Wände und das Dach zu bauen, obwohl das drohende Gewitter immer deutlicher wird. Und das ist ja nicht nur ein Haus, es ist unser ganzer Planet, der hier auf dem Spiel steht.“

„Befinden uns auf Ebene der Ziele, nicht der Maßnahmen“

Bis 2030 soll der Treibhausgasausstoß um 43 Prozent – verglichen mit 2019 – gesenkt werden. Das ist auch das, was der Klimarat im April verlangt hat. Für die genaue Ausgestaltung nehmen sich die Länder jetzt wieder ein Jahr Zeit. So viel Zeit hätten wir nicht mehr, sagt Steiniger. Man sei weiterhin nicht auf der Ebene der Ziele, sondern der Maßnahmen. „Der Präsident der vorigen Konferenz hat damals gesagt, das 1,5-Grad-Ziel hat einen sehr schwachen Puls. Und er hat heute gesagt, es liegt auf der Intensivstation.“

Ökonom Steiniger zur UNO-Klimakonferenz

Karl Steininger, Klimaökonom des Wegener Centers der Universität Graz, kommentiert die Ergebnisse der UNO-Klimakonferenz in Scharm al-Scheich.

„Hätten klare Ziele vereinbaren müssen“

Man habe die Zeit wirklich nicht und müsse mit den Emissionen ganz schnell herunterkommen, warnte Steininger. Das hätten wir selbst in der Hand: "Ich schätze es so ein, dass wir ohne Überschießen, also ohne zwischenzeitlich höhere Temperatur, es nicht mehr schaffen werden, weil wir dann wirklich dieses Jahr in Scharm al-Scheich ganz klare Ziele vereinbaren hätten müssen. Viele Länder hätten etwa den Ausstieg aus Öl, Gas und Kohle befürwortet. Einige wenige Länder wie Saudi-Arabien, Russland und Nigeria hätten das aber verhindert. Aber natürlich sei auch ein Überschießen und dann wieder Herunterkommen auf 1,5 Grad noch besser als alles andere, sagte Steininger.

Großer Unterschied zwischen 1,5 und 2,5 Grad Erwärmung

Der Unterschied zu zwei oder 2,5 Grad sei enorm. "Wenn wir uns zum Beispiel anschauen, welche Länder zumindest einmal in fünf Jahren betroffen sind von der extremen Hitze, dann sind das bei dem 1,5-Grad-Ziel etwa 15 Prozent der Weltbevölkerung. Wenn wir aber zwei Grad haben, sind das schon knapp 40 Prozent der Weltbevölkerung, die von solchen Hitzewellen, wie wir sie in Südosteuropa 2007 gehabt haben, regelmäßig betroffen sind.

Auch kleine Schritte haben großen Nutzen

„Ich glaube, alle Schritte, die jeder Einzelne gegen den Klimawandel setzt, sind ganz zentral, und jeder einzelne Schritt hilft hier. Aber wir brauchen auch die Strukturen, dass diese klimafreundliche Lebensweise wirklich zum Normalzustand, zum Einfachsten wird. Ja, wir brauchen den Druck und wir können ihn uns selber insofern geben, als wir uns jeden Tag neu überlegen, ‚Wo kann ich heute klimaneutral leben?‘ und dann aus den Erfahrungen lernen und sagen, ‚Was mir gut gefallen hat, das erzähle ich weiter‘. Und das machen andere dann auch“, rät der Klimaexperte.