Kinderambulanz LKH Graz
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Gesundheit

Infektionswelle bringt Kinderklinik ans Limit

Das besonders starke Auftreten mehrerer Viren bringt momentan Kinderstationen und -ärzte an ihre Grenzen. Besonders die Zahl der Influenzafälle habe in den letzten Tagen massiv zu genommen, heißt es seitens der Grazer Kinderklinik. Zugleich ergeht der Appell, die Ambulanzen wirklich nur im Notfall aufzusuchen.

Seit einigen Wochen schon haben die steirischen Kinderärzte mit vollen Wartezimmern zu kämpfen und auch die Kinderabteilungen der Spitäler in Graz und Leoben sind mehr als ausgelastet. Grund ist das sehr frühe und starke Auftreten gleich mehrerer Viren – mehr dazu in Kinderärzte kämpfen mit Ansturm (30.11.2022). Ähnlich ist die Lage auch in den anderen Bundesländern, teils wird diese Situation durch akuten Kinderärztemangel sowie Lieferprobleme bei Medikamenten verschärft – mehr dazu in Kinderärzte teils an Kapazitätsgrenze (news.ORF.at).

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Influenza-Zahlen „massiv zugenommen“

Als „durchaus dramatisch“ bezeichnet die aktuelle Situation Volker Strenger von der Universitätsklinik für Kinder- und Jugendheilkunde an der Medizin-Uni Graz, die Patientenzahlen seien am ersten Dezemberwochenende doppelt so hoch gewesen, wie vor der Pandemie, und aktuell sei es vor allem die steigende Zahl an Influenzafällen, die die Kinderärzte beschäftigen würde, so Strenger im Ö1-Morgenjournal: „Im Vordergrund steht in den letzten Tagen zunehmend Influenza, also die echte Grippe, wobei auch RSV (Respiratorische Synzytial-Virus; Anm.) weiter zunimmt und auch immer noch uns beschäftigt, aber gerade in den letzten Tagen hat massiv die Zahl der Influenza-Infizierten Kinder zugenommen.“

Grazer Kinderklinik am Limit

Üblicherweise zählt die Kindernotfallambulanz in Graz um diese Jahreszeit um die 100 Patienten, aktuell seien es doppelt so viele, bestätigt die stellvertretende Leiterin der Grazer Kinderklinik, Barbara Plecko: „Das heißt, wir sehen an Wochenenden an einzelnen Tagen 200 bis 220 Patienten.“

Auch die stationären Betten sind überbelegt mit aktuell 19 Patienten, teils sei die Unterbringung auf dem Gang nötig, schildert die Pflegeleiterin der Kinderklinik, Ulrike Kylianek – man sei am Limit: „Mehr darf es nicht mehr werden. Wenn die Ausfälle auch bei den Mitarbeitern steigen, dann wird es schwierig, die Versorgung in der Form aufrecht zu erhalten.“ Zur Zeit könne man den Ansturm noch mit Pflege-Personal von anderen Stationen abdecken.

Impfung auch jetzt noch „sinnvoll“

Auf die Frage, wie Eltern ihre Kinder bestmöglich vor einer Infektion schützen können, meinst Spenger: „Was RSV betrifft, gibt es keine aktive Impfung für gesunde Kinder, es gibt eine passive Impfung für Risikokinder, da kann man nur schauen, dass man mit Säuglingen und sehr Kleinen Menschenansammlungen in der Schnupfenzeit meidet.“

Mehr Möglichkeiten gebe es, sich vor einer Influenza-Infektion zu schützen: „Da gibt es eben schon lange, seit zwei Jahren auch im Gratis-Impfprogramm empfohlen, eine Impfung für Kinder bis 15 Jahren – das ist sogar eine Nasenspray-Impfung, die man jährlich geben sollte. Hat durchaus auch einen Sinn, dass jetzt noch durchzuführen, auch wenn die Welle jetzt schon kommt.“ Denn das sei erst der Anfang der Welle, die voraussichtlich bis Februar/März anhalten werde. Schutz würde die Grippe-Impfung ca. zwei Wochen nach Verabreichung bieten.

Ein besserer Impfschutz könnte auch den Spitälern große Entlastung bringen, sagt Plecko: „Wir haben am Wochenende 70 Influenza-positive Patienten gesehen, wir denken, dass man mindestens die Hälfte davon eingrenzen könnte und wir haben zur Zeit kein einziges Kind stationär, das grippeerkrankt ist trotz Impfung.“

Nicht alle Infektionen Fall für das Spital

Zusätzlich belastet würden die Ambulanzen und Kinderärzte durch „überbesorgte“ Eltern, die teils Kinderärzte aufsuchen würden, obwohl es gar nicht nötig wäre: „Da muss man klar unterscheiden, wie alt das Kind ist. Ein Säugling in den ersten sechs Monaten vor allem, aber auch in den ersten 18. Lebensmonaten, das verschnupft ist, schwer atmet, dann oft auch nicht mehr so gut trinkt – das ist etwas, wo man schon einen Kinderarzt aufsuchen sollte. Bei älteren Kindern, wenn die Schnupfen haben, Husten haben, Fieber haben, muss das nicht ein Grund sein, das Kind gleich im Spital oder beim Kinderarzt vorzustellen.“

Bei Größeren sei das Gesundheitssystem vielmehr erst dann gefragt, „wenn sie wirklich krank sind und der Allgemeinzustand reduziert ist – etwa sehr hohes Fieber besteht, das nicht besser wird“, so Strenger. Erste Anlaufstelle sei aber auch in diesem Fall zunächst der praktische Kinderarzt und nicht die Ambulanz, wo die Wartezeiten sonst unnötig verlängert würden. Diese reichen in der Grazer Kindernotfallambulanz aktuell von 15 Minuten in dringlichen Fällen bis hin zu drei bis vier Stunden bei Kindern, die nicht schwer erkrankt sind.

Entwicklung „war abzusehen“

Wichtige Appelle ergehen von Strenger aber auch an die Politik. Er kritisiert zum einen, dass vor allem die Infektionswelle bei RSV vorhersehbar gewesen sei: „Es wurde von uns auch gewarnt, dass es so kommen wird. Wir haben es schon gesehen im letzten Winter – im September/Oktober ist es schon massiv zu einer RSV-Welle gekommen vor einem Jahr, die durch den harten Lockdown unterbunden wurde und es war klar, dass es heuer wieder so kommen wird.“

Zum anderen sei der Ruf nach mehr Ressourcen bisher ungehört geblieben: „Es war schon vor der Pandemie ein großes Anliegen der Gesellschaft für Kinder- und Jugendheilkunde, dass man diesen Bereich aufwertet anstatt ihn zurückzufahren – es sind überall Einsparungen, es ist die Ausbildung für die Kinderkrankenpflege reduziert worden, so dass wir schon vor der Pandemie gewarnt haben, dass es Probleme geben wird, vor allem auch im Pflegebereich.“ Dazu komme, dass es zunehmend schwierig sei, Kassenstellen zu besetzen, so Strenger, der daher einmal mehr dringend mehr Ressourcen in diesem Bereich fordert.

Reaktion der KPÖ

„Wer den niedergelassenen Bereich zusammenkürzt, darf sich nicht wundern, wenn die Spitäler übergehen. Seit Jahren ist bekannt, dass es zu wenige Kinderärzt:innen gibt. Die Landesregierung hat alle Warnungen ignoriert und uns stur in diese Sackgasse manövriert. Man muss es so deutlich sagen: Das steirische Gesundheitswesen wird von der Landesregierung sehenden Auges an die Wand gefahren!“, so KPÖ-Landtagsabgeordneter Werner Murgg.

Er fordert "endlich eine Abkehr vom Irrweg des Kranksparens und Kaputtkürzens und eine grundlegende Überarbeitung des Regionalen Strukturplans Gesundheit, bevor unser Gesundheitssystem endgültig kippt.“