Buntbarsch
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WISSENSCHAFT

So tricksen Buntbarsche bei der Fortpflanzung

Bei den Buntbarschen im ostafrikanischen Tanganjikasee haben Biologen der Universitäten Graz und Bern jetzt herausgefunden: Kleine Exemplare schleichen sich an Artgenossen vorbei in den Brutplatz.

Um sich zu behaupten, kommt es nicht immer auf die Größe an – im ostafrikanischen Tanganjikasee haben sich zwei Buntbarsch-Männchen-Typen entwickelt: winzige und riesige.

Wenn es um die Fortpflanzung geht, machen die Kleinen den Riesen gerne einen Strich durch die Rechnung: Sie lassen ihre viel größeren Geschlechtsgenossen Nester bauen, schleichen sich in diese ein und befruchten die von den Weibchen abgelegten Eier.

15 Millionen Jahre und bunte Vielfalt

Der Tanganjikasee zählt zu den größten Seen der Erde. Seit seiner Entstehung vor rund 15 Millionen Jahren ist er noch nie ausgetrocknet, wodurch im Laufe der Evolution eine bunte Vielfalt an Lebewesen entstehen konnte. Der Molekulargenetiker Christian Sturmbauer vom Institut für Biologie und sein Team von der Universität Graz untersuchen seit Jahren die Artentstehung und Evolution der Buntbarsche im See – und zuletzt erregten muschelbrütende Buntbarsche (Lamprologus callipterus) seine Aufmerksamkeit.

Leere Schneckenhäuser

Die meisten Fische vermehren sich, indem die Weibchen ablaichen und das Männchen diesen Laich mit seinem Sperma befruchtet. Lamprologus callipterus ist ein Buntbarsch, der in leeren Schneckhäusern ablaicht – das heißt: Die sehr Weibchen nutzen leere Schneckenhäuser als Brutstätte.

Die – mehr als zehnmal größeren – Männchen häufen dafür die Muscheln zu Nestern an, berichteten Pooja Singh und Sturmbauer in ihrer jüngsten Publikation in „Molecular Ecology“. Dazu müssen die Männchen stark genug sein, um die Muscheln mit ihrem Mund zum Laichplatz zu transportieren und die Weibchen klein, um ins Schneckenhaus zu passen: eine gute Erklärung für das weit verbreitete Phänomen der unterschiedlichen Körpergröße zwischen Männchen und Weibchen im Tierreich.

Einschleich-Befruchter

Laut Sturmbauer sind die großen Männchen die eigentlichen „Nestbesitzer“, die dieses auch vor Feinden verteidigen. Parallel existieren aber auch Zwergmännchen, die eine ganz andere Fortpflanzungstaktik entwickelten: Während die Großen die Befruchtung nur nahe der Öffnung der Schneckenhäuser ablaufen lassen können, nutzen die Winzlinge ihre extrem geringe Körpergröße, schilderte Sturmbauer – sie schleichen sich in die enge Brutstätte ein, befruchten die vom Weibchen abgelegten Eier in engem Kontakt und sorgen so auf effiziente Weise für Nachkommenschaft.

Klein bleibt klein

Forschungen an der Universität Bern haben zudem gezeigt, dass aus den von Zwergmännchen befruchteten Eiern nur Zwergsöhne hervorgehen. Das deutet darauf hin, dass die jeweilige Körpergröße ein Merkmal ist, das mit dem Gen-Locus für das männliche Geschlecht verknüpft ist. Das hat den Vorteil, dass der notwendige Zwergwuchs der Weibchen genetisch nicht gestört wird. Das Wissenschaftlerteam aus Graz und Bern fand heraus, wie alternative Größe und Geschlecht genetisch festgelegt sind.

Schalter-Gen reguliert Körpergröße

Das Grazer Team sequenzierte Genome von großen L. callipterus Männchen, Zwergmännchen und Weibchen, um die Geschlechtschromosomen-Region zu finden. Auf dieser sollte es ein Gen geben, das für die Körpergröße verantwortlich ist. Diese Suche ist bei Buntbarschen jedoch schwierig, da sie keine stark differenzierten Geschlechtschromosomen wie Menschen haben, wie Pooja Singh erläuterte.

Singh hat das Rätsel in Kooperation mit ihren Kolleginnen und Kollegen der Uni Bern dennoch gelöst und den Mechanismus geklärt: Sie fand eine sehr kleine, y-artige Region, die bei Männchen und Weibchen unterschiedlich ist und sich auch bei den Zwergmännchen und den Riesen im Detail nochmals unterscheidet. Ein Schalter-Gen am männlichen Geschlechtschromosom regelt die unterschiedliche Körpergröße (GHRHR-Gen). Es handelt sich um einen bisher nur von Säugetieren bekannten Wachstumshormon-Regulator. Mutationen dieses Regulators führen etwa beim Menschen zu Zwergwuchs – und sind letztlich bei der Buntbarschart nicht nur für die Körpergröße, sondern auch die Fortpflanzungstaktik der Männchen bestimmend.

„Evolution eines Sex-Chromosoms“

„Die Resultate zeigen, dass ein sexueller Konflikt bezüglich überlebensfördernder Körpergröße die Evolution eines Sex-Chromosoms antreibt“, so Sturmbauer. Nun stellt sich die Frage, ob die großen oder die kleinen Männchen in der Evolution zuerst da waren: Das Forscherteam schlägt vor, dass es die Riesen waren, da das Reproduktionssystem auf der Fähigkeit des Nestbaus durch die Sammlung, Anhäufung und Verteidigung leerer Schneckenhäuser basiert. Die Zwerge wären nach dieser Interpretation dann durch eine punktuelle Mutation des GHRHR-Gens entstanden.