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Ein Jahr Ukraine-Krieg: Weiter große Hilfsbereitschaft

Seit dem Einmarsch der russischen Truppen in die Ukraine vor einem Jahr ist die Hilfsbereitschaft weiter groß. Viele Steirerinnen und Steirer bemühen sich weiterhin, harte Schicksale etwas erträglicher zu machen.

„Ich habe die Entscheidung für eine Militäroperation getroffen.“ Mit diesen Worten hat der russische Präsident Wladimir Putin in der Nacht auf 24. Februar 2022 den Angriff auf die Ukraine – und damit den größten Krieg in Europa seit 1945 – gestartet – mehr dazu in Ein Jahr im Bann des Krieges (news.ORF.at)-

Ukrainische Fachärzte lernen in Graz

Im Universitätsklinikum Graz lernen seit zwei Wochen vier junge ukrainische Fachärzte, wie sie die Verwundeten in ihrer Heimat richtig versorgen und behandeln können. „Es ist eine großartige Erfahrung für mich zu sehen, wie sie arbeiten. Diese Technik kann ich meinen Kollegen in der Ukraine zeigen“, zeigte sich etwa der ukrainische Mediziner Volodymyr Nadiisky von der Arbeit der österreichischen Chirurgen fasziniert.

Bei den Behandlungsmethoden geht es aber nicht nur um verwundete Soldaten: „Ein wichtiger Punkt für mich ist, die Drei- und Fünf-Jahres-Überlebensrate von Krebspatienten in der Ukraine zu erhöhen. Ich weiß, die österreichische Medizin und die Kliniken sind sehr weit in der Krebsbehandlung“, so Nadiisky.

Ukrainische Ärzte lernen in Graz

Seit einem Jahr erreichen uns Nachrichten und Bilder von Tod, Zerstörung und Verzweiflung aus der Ukraine. Junge Fachärzte aus der Ukraine machen derzeit an den chirurgischen Kliniken des LKH Graz eine Ausbildung: Sie lernen, wie sie den Kriegsverletzten am besten medizinisch helfen.

Für die Grazer Chirurginnen und Chirurgen ist das Hilfsprogramm sehr effektiv: „Sie können auch wirklich Wissen mitnehmen. Dadurch profitieren nicht nur die Kolleginnen und Kollegen, sondern auch die Patientinnen und Patienten“, sagte Chirurgin Doris Wagner. Das Projekt soll mit weiteren Ärztinnen und Ärzten aus der Ukraine fortgesetzt werden.

Zwei schwere Schicksale

Anna Ilchuk und Kateryna Movchan sind zwei junge ukrainische Musikerinnen, die seit fünf Jahren an der Grazer Kunstuniversität studieren – auch für sie ist seit dem 24. Februar des Vorjahres nichts mehr wie früher. „Der Krieg hat uns gezeigt, dass jeder Tag sehr wichtig ist und man soll, man muss weiterleben“, sagt Ilchuk. Ihr Cousin starb vergangenen Mai als Freiwilliger an der Front – ein Schmerz für die ganze Familie.

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Anna Ilchuk und Kateryna Movchan sind zwei junge ukrainische Studentinnen, die seit fünf Jahren die Grazer Kunstuniversität besuchen

Der anhaltende Krieg hat Perspektiven verschoben – mehr dazu in Hoffnung auf Rückkehr, Ankunft im Alltag (news.ORF.at). Auch für Kateryna Movchan war 2022 das schwierigste Jahr ihres Lebens: „Jeden Tag gibt es viele tote Kinder. Leute sterben, und es ist unglaublich schwer, das in den Kopf und über das Herz zu bringen.“ Es gäbe aber auch Positives, wie sie erzählte: „Menschen helfen anderen Menschen. Ich glaube, das ist am wichtigsten.“

Hoffnung auf Rückkehr, Ankunft im Alltag

Seit Kriegsbeginn sind nach Angaben der UNO fast 20 Millionen Ukrainerinnen und Ukrainer geflüchtet – 90.000 nach Österreich, viele in die Steiermark. Wie geht es ihnen nach einem Jahr Krieg in der Heimat? Welche Hoffnungen haben sie für die Zukunft?

Die Mutter einer befreundeten Familie, Oksana Diakova, ist vor elf Monaten gemeinsam mit der 86-jährigen Großmutter zu ihren beiden Töchtern nach Graz geflohen und lernt hier Deutsch: „Ich denke, dass ich nach meinem nächsten Deutschkurs eine Arbeit suchen kann.“ Großmutter Sofia bedankt sich für die Aufnahme in Österreich und dass sie hier in Sicherheit leben könne. „Es geht nicht mehr um schöne Sachen, sondern um das Leben. Es geht um ein sicheres Leben für meine Familie und für meine Mitmenschen in der Ukraine“, so Enkelin Anastasia Nifantieva.

Eine russisch-ukrainische Freundschaft

Das Wort Freundschaft klingt auf Ukrainisch und auf Russisch gleich. Freundschaft verbindet auch die Ukrainerin Tetyana Isayeva mit der Russin Anna Moldovan, die gemeinsam an der Rezeption eines Grazer Hotels arbeiten, wo sie sich auch kennengelernt haben. „Anna war die Erste, die mir bei der Arbeit sehr gut geholfen und alles erklärt hat. Ich bin ihr sehr, sehr dankbar“, sagte Isayeva über ihre Kollegin. „Wir sind Freundinnen, kann ich sagen. Ich wohne seit vier Jahren in Graz, das war eine Herausforderung für mich“, so Moldovan.

Eine russisch-ukrainische Freundschaft

Die Ukrainerin Tetyana Isayeva und die Russin Anna Moldovan haben sich bei der Arbeit in Graz kennengelernt und sind seither Freundinnen.

Moldovan kommt aus Moskau, Isayeva aus Odessa – fünf Tage nach Kriegsbeginn musste sie mit ihren beiden Töchtern fliehen. Mit Deutschkenntnissen hat sie sich auf den Weg nach Österreich gemacht. Obwohl sich die beiden in Österreich wohlfühlen, können und wollen sie das, was seit einem Jahr passiert, nicht einfach ausblenden, erzählte Isayeva: „Ich, meine Kinder, meine Mutter, wir fühlen uns wohl. Und ich will, dass sich die anderen Ukrainer auch so gut fühlen können." Das ist laut Moldovan nicht einfach – nicht nur für Ukrainerinnen und Ukrainer, sondern auch für Russinnen und Russen: „Ich denke, dass alle Menschen gegen den Krieg sind. Ich hoffe, dass bald alles vorbei sein wird.“

Soziallandesrätin dankt Helfenden

Soziallandesrätin Doris Kampus (SPÖ) zieht bezüglich der Hilfsbereitschaft der Steirerinnen und Steirer gegenüber Flüchtenden aus der Ukraine nach einem Jahr Krieg eine positive Bilanz: „Man muss sich vorstellen, wir haben damals vor einem Jahr einen Aufruf gestartet an die Steirerinnen und Steirer, dass wir private Quartiere brauchen. Es haben sich unglaubliche 8.000 steirische Familien bei uns gemeldet. Und jetzt, auch ein Jahr danach, ist noch immer ungefähr die Hälfte der Ukrainer und Ukrainerinnen bei Privaten untergebracht. Einen Riesendank an die Ehrenamtlichen.“

Zum Thema Integration sieht Kampus zwei Faktoren als entscheidend: „Ich glaube, wichtig ist jetzt, die Menschen wirklich gut zu integrieren. Das eine ist Deutschlernen, wobei man sagen muss, die Menschen kommen mit sehr guten Sprachkenntnissen zu uns – entweder können sie Deutsch oder sie können Englisch. Das Zweite ist Integration am Arbeitsmarkt: Ukrainerinnen können ja sofort arbeiten und wollen auch arbeiten. Von den 6.000, die jetzt bei uns in der Steiermark noch sind, arbeiten mehr als 2.000.“

Doris Kampus zu einem Jahr Hilfe für die Ukraine

Mit Soziallandesrätin Doris Kampus (SPÖ) hat ORF Steiermark-Chefredakteur Wolfgang Schaller gesprochen.

Teilweise könne sogar dem Fachkräftemangel mit den ukrainischen Arbeitskräften entgegengewirkt werden – das sei etwa in der Elementarpädagogik, in der Pflege sowie im IT-Bereich der Fall.

Flüchtende für Arbeitsmarkt interessant

1.300 Ukrainerinnen und Ukrainer arbeiteten aktuell vor allem in der Gastronomie und der Reinigung, sagte der Leiter des AMS Steiermark, Karl-Heinz Snobe: „Wir haben aktuell 1.015 Personen aus der Ukraine arbeitslos vorgemerkt, und wir haben gemerkt, dass es in den letzten zwei, drei Monaten zugenommen hat. Ich gehe davon aus, dass es von den circa 6.000 Personen, die jetzt hier in Grundversorgung sind, insgesamt noch ein Potenzial von 3.000 bis 3.500 Menschen gibt, die auch für den Arbeitsmarkt interessant sind.“

VinziWerke und Caritas als helfende Kräfte

Neben Privatinitiativen und den VinziWerken leistete auch die Caritas in einem Jahr Ukraine-Hilfe viel: „Allen voran natürlich im Ankunftszentrum des Landes Steiermark haben wir im letzten Jahr mit unseren Dolmetschern fast 19.000 Dolmetscherstunden geleistet. Wir haben natürlich auch in der Regionalbetreuung durchlaufend mindestens 6.000 Personen betreut. Es sind 40.000 Hausbesuche erledigt worden, über 220.000 Kilometer mit dem Auto von unseren Mitarbeitern abgespult worden“, so Bettina Schifko von der steirischen Caritas.