Kinder werden niedergebrüllt, geschlagen, vernachlässigt, erniedrigt und bedrängt – oder müssen Gewalt zwischen ihren Eltern miterleben. Grazer Schüler werden mithilfe der „Mutmachers“ – der auch die Telefonnummer einer helfenden Hotline trägt – ermutigt, sich Hilfe zu holen und Gewalterfahrungen zu thematisieren.
Gefährdungsmeldungen nehmen zu
Die häusliche Gewalt betrifft die Kinder aber auch dann, wenn keine körperliche Gewalt angewendet wird. Oft sind es erniedrigende Worte, die tiefe Spuren in der Psyche der Kinder, die sich mit ihrem Leid alleine gelassen fühlen, hinterlassen. Auch in der Stadt Graz sind es keine Einzelfälle – und die Zahlen steigen sogar. Die Gefährdungsmeldungen haben sich von 2019 um 18 Prozent bzw. von 945 auf 1.116 (2022) Fälle erhöht. Aus diesen gingen wiederum 625 konkrete Gefährdungsabklärungen im Jahr 2022 hervor, wie Hohensinner schilderte.
„Die Familien sind in den Corona-Jahren vielfach über sich hinausgewachsen, dann kam die Teuerung, der Krieg in der Ukraine hinzu und jetzt bricht einiges auf“, versuchte Hohensinner eine Erklärung für die zunehmende familiäre Gewalt zu finden. „Die Gewalt kommt nach wie vor in allen Altersstufen, Kulturen und sozialen Schichten vor“, betonte der Familien- und zugleich Bildungsstadtrat.

Hotline und Informationsmaterial
In Graz gibt man den Kindern seit 2020 daher über die Volksschulen einen „Mutmacher“ für Situationen mit, damit sie sich Hilfe holen und die Vorfälle und ihre Sorgen und Ängste ansprechen können: Die Telefonnummer verbindet das Kind, wenn es anruft, mit der Hotline im Amt für Jugend und Familie. Zugleich bekommen die Lehrer Informationsmaterial, um die Thematik im Unterricht entsprechend ansprechen zu können.
„Sie sollen Rückhalt bekommen“
„Wir wollen Kinder sensibilisieren, sie ermutigen über Gewalt zu reden, und sie sollen Rückhalt bekommen“, fasste der Stadtrat zusammen. In den kommenden Wochen werden die „Mutmacher“ wieder in den Grazer Volksschulen verteilt. Sie gehen an alle Kinder der dritten Klasse und somit an rund 2.800 Kinder der Stadt. „Der ‚Mutmacher‘ hat immer Saison, denn soziale Arbeit braucht Kontinuität“, unterstrich Ingrid Krammer, Abteilungsleiterin im Amt für Jugend und Familie, die Wichtigkeit der Fortführung des Projektes.
„Am Anfang waren wir zugegebenermaßen skeptisch, da die Thematik eine sehr sensible ist und wir uns nicht sicher waren, ob wir als Lehrpersonen da nicht Türen öffnen, die uns dann überfordern würden – aber es haben sich zu unserem Erstaunen sehr viele gute Türen geöffnet“, blickte Direktorin Regina Hermann aus der Volksschule Graz-Murfeld zurück. Das Institut für Erziehungs- und Bildungswissenschaft der Universität Graz hat das Projekt seit seiner Einführung evaluiert. Dabei wurden auch mehr als 120 Kinder aus neun Klassen zur Umsetzung und den Inhalten befragt.
Rolle der Pädagogen gestärkt
„Besonders beeindruckend war zu sehen, dass die Kinder dank dieses Projektes gelernt haben über ihre Gefühle zu reden. Sie haben für ihre Gefühle Worte gefunden und können nun auch darüber sprechen“, sagte die Professorin für Elementarpädagogik Catherine Walter-Laager. Es habe sich auch gezeigt, dass die Rolle der Lehrerinnen und Lehrer in diesem Bereich gestärkt wurde und diese noch mehr zu Bezugspersonen in Fragen des Kinderschutzes werden.