Parteichef der steirischen Freiheitlichen, Mario Kunasek,
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Politik

Politologe: Kunasek mit „Flucht nach vorne“

Im Zusammenhang mit der Grazer FPÖ-Affäre soll auch gegen den steirischen FPÖ-Chef Mario Kunasek ermittelt werden. Kunasek sprach sich zwar für die Aufhebung seiner Immunität aus, für den Politologen Peter Filzmaier sei das aber ohnehin alternativlos.

Einige Stunden, nachdem am Donnerstag bekannt wurde, dass die Klagenfurter Staatsanwaltschaft gegen Kunasek wegen Veruntreuung, Untreue und Förderungsmissbrauchs ermitteln will, ließ dieser schriftlich wissen, dass er für die Aufhebung seiner Immunität sei: Er möchte damit die Vorwürfe entkräften – mehr dazu in FPÖ-Skandal: Kunasek will Auslieferung zustimmen.

„Es war vor allem für Mario Kunasek gar keine andere Möglichkeit mehr, denn die Mehrheit für seine Auslieferung im Verfassungsausschuss und dann im Landtag wäre gegeben gewesen. Das ist also jetzt eine Flucht nach vorne, dass er selber sagt, liefert mich aus“, sagte Politologe Peter Filzmaier zu dieser Entscheidung.

Eine Frage der Abgrenzung

Der Zeitpunkt ist jedenfalls delikat: Für Freitag ist der Stadtparteitag der FPÖ in Graz angesetzt, wo der designierte neue Parteichef Axel Kassegger gekürt werden soll – mehr dazu in Grazer FPÖ bekommt wieder neuen Chef (7.2.2023).

„Für den Parteitag und auch den neuen Parteichef stellt sich die Frage der Abgrenzung. Wie klar ziehe ich die Trennlinien? Das ist schwierig, denn rein rechtlich gilt selbstverständlich die Unschuldsvermutung nicht nur für Kunasek, sondern für auch alle bereits zurückgetretenen FPÖ-Politiker wegen Untreue. Aber politisch, selbst wenn rechtlich nichts an den Vorwürfen dran sein sollte, hat man ja trotzdem versagt – zum Beispiel Kunasek in der Führungsrolle: Wenn sich unter ihm Malversationen abgespielt haben, dann hat er diese Führungsrolle nicht ausgeübt, und wie sehr hier eine Abtrennung erfolgt seitens der Bundespartei FPÖ, das wird spannend“, führte Filzmaier fort.

Laut Filzmaier ist es möglich, dass die Ermittlungen in der Causa auf die Grazer FPÖ negative Auswirkungen haben: „Es wäre – rein politisch strategisch gedacht – die Lösung von allen Personen notwendig. Nur das wird umso schwieriger, je höher in der Rangordnung der Partei die Person ist, und Kunasek ist das Höchstmögliche.“ Welchen Weg die Grazer FPÖ einschlägt, das wird sich womöglich beim Stadtparteitag am Freitagnachmittag zeigen.

Turbulente Zeiten für Grazer FPÖ

Die Grazer FPÖ hat eineinhalb turbulente Jahre hinter sich: 2021 war kurz nach der Wahlschlappe der Freiheitlichen bei der Grazer Gemeinderatswahl bekanntgeworden, dass Gelder aus der städtischen Klubförderung offenbar im großen Stil abgezweigt wurden – mehr dazu in Grazer FPÖ-Finanzreferent veruntreute 500.000 Euro (8.11.2021).

Nach der Selbstanzeige von Finanzreferent Matthias Eder kam auf, dass auch Ex-Vizebürgermeister Mario Eustacchio sowie der frühere Klubchef Armin Sippel darin verwickelt sein könnten. Beide traten von ihren Funktionen zurück. Gegen die beiden, den Finanzreferenten und andere Personen wird seither ermittelt – mehr dazu in FPÖ Graz: Ermittlungen gegen Eustacchio und Sippel (1.12.2021).