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Wirtschaft

Zusteller: Gewerkschaft bestätigt Missstände

In einem Artikel von „Der Standard“ werden am Donnerstag schwere Vorwürfe gegen den DPD-Paketversand in Kalsdorf bei Graz erhoben. Mitarbeiter sollen demnach täglich 15 Stunden arbeiten und weniger als sechs Euro Nettostundenlohn verdienen. Die Gewerkschaft bestätigt Missstände.

Die Zeitung beruft sich auf mehrere hundert Seiten Dokumente aus dem Logistikzentrum Kalsdorf bei Graz – darunter Stundenlisten, Fahrtenlisten, Arbeitsverträge und Lohnzettel. Diese Dokumente würden mehrere Dutzend Beschäftigte betreffen. Betreiber des DPD-Depots 0628 in Kalsdorf ist die Gebrüder Weiss Paketdienst Ges.m.b.H, einer der drei Gesellschafter von DPD.

DPD weise Vorwürfe zurück

Geschildert werden dubiose Vertragskonstrukte, angebliches Lohndumping und Sozialbetrug sowie überlange Arbeitszeiten von bis zu 17 Stunden an einem Tag, fehlende Pausen, unbezahlte Überstunden und ausstehende Gehälter. Man habe auch zahlreiche Gespräche mit Fahrern des Logistikzentrums geführt. Ein anonymisierter Fahrer schilderte, dass er pro Tag 100 bis 200 Stationen anfahre, im Auto während der Fahrt esse und keine Zeit für Pausen habe. Werde ein Paket falsch oder zu spät zugestellt, müsse er bis zu 50 Euro Strafe bezahlen. Sein Stundenlohn im April liege netto bei rund 5,20 Euro. Das Unternehmen DPD weise die Vorwürfe laut „Der Standard“ zurück.

Gewerkschaft: „Hunderte Beschwerden am Tisch“

Eine Bestätigung kommt von der Gewerkschaft Vida gegenüber dem ORF Steiermark. Die „katastrophalen Zustände“ seien seit drei bis vier Jahren bekannt, sagte Hans-Peter Weikl von Vida. In der Regel sind Paketzusteller nicht beim Auftraggeber angestellt, sondern Einzelunternehmer, die ein Fahrzeug besitzen und mit diesem als Subunternehmer ausliefern.

Meist handle es sich um ausländische Arbeitskräfte, die Probleme hätten, die deutsche Sprache zu verstehen und deshalb oft auch nicht wüssten, welche Verträge sie da wirklich unterschrieben. Hunderte Beschwerden würden auf dem Tisch liegen – anonym, weil die Betroffenen Angst hätten, ihre Arbeit zu verlieren, sagte Weikl.

„Die häufigsten Beschwerden betreffen die Arbeitszeiten – 13, 14 Stunden am Tag –, die Bezahlung und auch Strafzahlungen, dass Fahrzeuge in einem desolaten Zustand sind, dass man gar nicht fahren dürfte, und es kommt auch sehr oft vor, dass diese Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bei der Krankenkasse gar nicht angemeldet sind, und sie werden krank und sind gar nicht versichert“, zählte Weikl auf.

Rechtlich kaum zu ahnden

Die Paketzusteller werden vom jeweiligen Auftraggeber als Subunternehmer nach Stückzahl bezahlt – laut Gewerkschaft liegt das im Centbereich. Sehr oft würden sie im Vertrag eine Klausel unterschreiben, die Strafzahlungen beinhalte, erklärte Weikl: „Wo Abzüge gemacht werden, wenn die Sendung zu spät zugestellt wird, jemand nicht anwesend ist oder man das Paket wieder mitnehmen muss. Diese Pönalen sind zwischen zehn Euro und 250 Euro, die in Abzug gebracht werden, und dementsprechend sind die sehr unter Druck.“

Rechtlich gesehen handelt es sich laut Gewerkschaft Vida um eine Vereinbarung, die der Subunternehmer als freier Mitarbeiter auch freiwillig unterschreibt. Die Möglichkeit hier einzugreifen sei sehr begrenzt, räumte Weikl ein. Moralisch bedenklich ist es allenfalls – deshalb fordert die Gewerkschaft die Politik zu besseren Rahmenbedingungen und strengeren Kontrollen auf.