Gericht

Prozess um fahrlässige Tötung: Unzuständigkeitsurteil

Am Mittwoch ist in Graz ein 63-Jähriger im Zusammenhang mit einem tödlichen Messerstich wegen fahrlässiger Tötung angeklagt gewesen. Das geplante Urteil gab es aber nicht: Die Einzelrichterin hatte Zweifel daran, dass der Angeklagte tatsächlich in Notwehr gehandelt hatte, und erklärte sich für unzuständig.

Passiert war alles am Abend des 16. September 2022 in Graz: Der Beschuldigte, ein 63-jähriger Unternehmer und Dolmetscher, war schon einige Monate mit einer 33-jährigen Frau zusammen, doch diese lebte immer noch in ihrer eigenen Wohnung – und bei ihr ein 34-jähriger Freund, mit dem sie allerdings davor auch eine sexuelle Beziehung hatte; zudem habe die Grazerin auch noch als „Geheimprostituierte“ in ihrer Wohnung gearbeitet, sagte der Angeklagte vor Gericht – das alles habe ihn aber nicht gestört. Geärgert habe ihn dagegen, dass der Freund, der immer noch bei ihr wohnte, sie schlug und einfach nicht ausziehen wollte.

„Mir wurde schwarz vor Augen“

Der 63-Jährige gestand, dass er an besagtem Abend mit der 33-Jährigen und dem späteren Opfer gemeinsam in der Wohnung der Frau war. Der 34-Jährige hatte getrunken, und es kam zum Streit. „Ich sagte ihm, dass ein Saustall in der Wohnung ist“, so der Beschuldigte am Mittwoch zur Richterin. Plötzlich packte der deutlich größere 34-Jährige ihn am Hals und nahm ihn in den Schwitzkasten. „Seine Hände waren wie Blei auf mir. Er hat mich gedrückt, dass ich fast keine Luft mehr bekam. Mir wurde schwarz vor Augen“, so der Angeklagte.

In unmittelbarer Nähe lag ein Messer mit einer zwölf Zentimeter langen Klinge: Er griff danach und fuchtelte damit herum, wie er zur Richterin sagte. „Ich habe ihn in den Hals getroffen, nicht zugestochen“, betonte der 63-Jährige – er habe weder auf ihn gezielt noch ihn verletzen wollen, er habe nur gewollt, dass er ihn loslässt. Allerdings hatte der Angeklagte die Halsschlagader getroffen: Der 34-Jährige war deshalb noch in der Wohnung innerhalb weniger Minuten verblutet – mehr dazu in Tödlicher Streit: Motiv Eifersucht? (17.9.2022).

Zeugin: „Es war viel zu kurz, dass er Atemnot gehabt hätte“

Nach den Ausführungen des Angeklagten war die 33-Jährige als Zeugin zu hören. Sie sagte, dass alles innerhalb von zwei bis drei Minuten passiert sei, sie habe aber kein Röcheln des Beschuldigten gehört: „Es war viel zu kurz, dass er Atemnot gehabt hätte“, meinte sie. Dass die beiden Männer öfter gestritten hätten, bestätigte sie. Ihr Mitbewohner meinte offenbar, dass der 63-Jährige zu alt für sie sei, und sie glaube auch, dass der Angeklagte eifersüchtig auf den 34-Jährigen gewesen sei. Gleich nach dem Messerstich habe der Unternehmer zu ihr gesagt, dass es Notwehr gewesen sei.

„Ich glaube Ihnen die Geschichte nicht“

Darauf wollte auch der Anwalt des 63-Jährigen hinaus: „Er übernimmt die Verantwortung, aber es war eine Notwehrsituation“, hatte er schon zu Prozessbeginn gesagt. Doch die Richterin fühlte sich als Einzelrichterin nicht zuständig: „Das gehört vor ein Geschworenengericht.“

Sie hatte Zweifel an den Schilderungen: „Ich glaube Ihnen die Geschichte nicht“, sagte sie in ihrer Begründung – sie sei der Meinung, dass der Angeklagte seinen Nebenbuhler vielleicht weghaben wollte. Wird das Unzuständigkeitsurteil rechtskräftig, wird der Fall erneut verhandelt, dann aber entscheiden acht Geschworene.