Grazer Schwurgerichtssaal
APA/KARIN ZEHETLEITNER
APA/KARIN ZEHETLEITNER
GERICHT

Urteil nach Messerattacke am Maturaball

Mit einem Stich in die Brust hat für einen jungen Burschen heuer im Jänner in Graz der Maturaball geendet. Der 19-jährige Angreifer wurde am Freitag im Grazer Straflandesgericht wegen absichtlicher schwerer Körperverletzung zu zwei Jahren Haft, davon 16 Monate bedingt, verurteilt.

Der Angeklagte fühlte sich nur schuldig der schweren Körperverletzung, die Tötungsabsicht hatte er stets bestritten, trotzdem war ein Mordversuch angeklagt gewesen. Warum er überhaupt ein Klappmesser am Ball mitgehabt hatte, konnte er nicht schlüssig beantworten.

„Zunehmend erbarmungslos“

„Jugendliche reagieren in Konfliktsituationen zunehmend erbarmungslos“, befand der Staatsanwalt gleich zu Beginn der Verhandlung. Der Angeklagte hatte am Maturaball seines Zwillingsbruders – er selbst machte eine Lehre – ein Klappmesser gezückt und einen Burschen in die Brust gestochen, weil dieser ihn angeblich „angemault“ habe. Der 19-Jährige stand nach Angaben von Zeugen „mit leerem, toten Blick“ bei einer Gruppe Jugendlicher, die er nicht kannte – er zog das Messer, dann liefen die anderen weg und schrien: „Er hat ein Messer“.

Opfer nach wie vor labil

Das spätere Opfer traf auf ihn und bekam den Stich ab. „Ich bin in einem Reflex zurückgesprungen“, erzählte der Bursche. Er habe „erst realisieren müssen, was passiert ist“: Nach Monaten muss er immer noch Medikamente nehmen, weil sein psychischer Zustand nach wie vor labil ist. „Es ist eine schreckliche Sache für mich gewesen“, meinte er; er habe Schlafprobleme und Albträume, aber er habe seinem Angreifer verziehen und gab ihm die Hand: „Ich bin sehr religiös geworden“, schilderte er, „jeder Mensch verdient eine zweite Chance“.

Verteidigung sprach von Kurzschlussreaktion

Der Verteidiger beschrieb die angespannte Situation, in der sich der 19-Jährige befand. Die familiäre Situation sei schwierig gewesen, die Stimmung am Tisch mit den Eltern und ihren neuen Partnern angespannt. „Ich erzähle ihnen das, damit sie nicht glauben, da sitzt ein Irrer“, meinte der Anwalt in Richtung der Geschworenen.

Die Tat sei „eine klassische Kurzschlussreaktion“ gewesen, der Stich im übrigen „nur ein Ritzer“, der zwei Zentimeter tief in die Haut gegangen war. Die Mordversuch-Anklage sei „für mich schwer verständlich“, so der Verteidiger, da nach Angaben seines Mandanten nie eine Tötungsabsicht bestand.

„Scheiße gelaufen“

„Warum haben sie das Messer auf den Ball mitgenommen?“, fragte die Richterin. „Aus Selbstverteidigungsgründen, ich wurde einmal ausgeraubt“, meinte der Angeklagte. „Was soll am Maturaball passieren?“, hakte der Richter nach. „Es kann immer etwas passieren“, antwortete der Befragte. „Die Wahrscheinlichkeit ist dort gegen Null“, befand der Richter.

„Was haben sie nach der Tat gedacht?“, wollte die Richterin wissen. „Scheiße gelaufen“, kam die ungeschönte Antwort des Angeklagten, der weggelaufen war und das Messer in der Tasche seiner Mutter versteckt hatte.

Mutter sagte aus

Die Mutter beschrieb die Situation auf dem Ball schon vor der Tat als „unangenehm und nervenzerreißend“: Alle hätten „gute Miene zum bösen Spiel“ gemacht, aber der ganze Tag sei schon so anstrengend gewesen. Ihr Sohn habe „viel getrunken, er hat das gebraucht, um alles auszuhalten“. Nach dem Vorfall sei er an den Tisch gekommen und „schaute ins Leere, er war komplett fertig“. Als sie realisierte, was passiert war, kippte sie um: „Ich war so fertig, ich hatte einen Nervenzusammenbruch und wurde ohnmächtig“, so die Zeugin.

Der psychiatrische Gutachter bescheinigte dem Angeklagten, dass er keine schwerwiegenden psychischen Störungen aufweise und daher zurechnungsfähig sei. Er gestand ihm allerdings zu, dass die schlechte Stimmung am Familientisch am Ball zu „innerer Anspannung und latenter Aggressivität“ geführt habe.

Geschworene entschieden

Die Staatsanwaltschaft hatte einen versuchten Mord angeklagt, doch die Laienrichter entschieden, es war „nur“ eine absichtliche schwere Körperverletzung. Der 19-Jährige bekam eine Haftstrafe von zwei Jahren, davon 16 Monate bedingt. Das Urteil ist nicht rechtskräftig.