Zwei nationalsozialistische Fresken haben die Universität Graz zur Beauftragung eines neuen Kunstwerks bewogen: Die Fresken waren in den 1990er-Jahren bei einer Renovierung im Stiegenhaus des Gebäudes der Grazer Hochschülerschaft aufgetaucht. Die Uni ließ damals darüber eine Glasplatte mit erklärenden Worten montieren.
APA/ANNEMARIE HAPPE
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Chronik

Uni Graz stellt sich ihrer NS-Vergangenheit

Bei Renovierungsarbeiten an der Uni Graz sind in den 1990er-Jahren zwei nationalsozialistische Fresken aufgetaucht. Im Auftrag der Universität setzte nun die Künstlerin Elisabeth Schmirl mit einem künstlerischen Projekt ein Zeichen gegen die Botschaft der Fresken.

Das Gebäude, in dem die Fresken aufgetaucht waren, wurde nach dem „Anschluss“ 1938 vom Reichsstudentenwerk gekauft und im April 1939 als „Studentenhaus“ mit Mensa, Kaffeesaal und Lesehalle eröffnet.

Es wurde laut Zeithistorikern der Uni Graz als Anerkennung für den Einsatz der NS-Studenten in der „Illegalität“ gesehen, und so wurde der Künstler Franz Köck mit zwei Wandgemälden beauftragt: Diese sollten den Kampf der nationalsozialistischen Studenten und die nationalsozialistische Gesellschaftsordnung versinnbildlichen.

Die Fresken als Mahnmal

„Dieses Fresko ist nicht nur Dokument, sondern ein Mahnmal für die dunkle Zeit des Nationalsozialismus, die sich nie mehr wiederholen darf“, betonte am Montag Rektor Peter Riedler die Sinnhaftigkeit der Beibehaltung des gesamten Ensembles, das als Mahnmal unter Denkmalschutz gestellt wurde. Das Rektorat initiierte ein Kunst- und Gedenkprojekt – in enger Zusammenarbeit mit Elisabeth Schmirl, die dann das gegenwärtige künstlerische Statement gestaltete.

Zwei nationalsozialistische Fresken haben die Universität Graz zur Beauftragung eines neuen Kunstwerks bewogen: Die Fresken waren in den 1990er-Jahren bei einer Renovierung im Stiegenhaus des Gebäudes der Grazer Hochschülerschaft aufgetaucht. Die Uni ließ damals darüber eine Glasplatte mit erklärenden Worten montieren.
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Während die beiden Fresken – sie befinden sich im Start-Up-Zentrum „Unicorn“ der Uni – die homogene NS-Volksgemeinschaft verherrlichen, geht es in den in zartem Grau gehaltenen Wanddrucken von lebensgroßen Personen um Pluralität: „Menschen und Bildgestalten finden in diesem Spektrum der Vielheit zueinander“, sagte Schmirl – sie gab der Arbeit den Namen „Weil es so viele sind“.

70 historische Lebensgeschichten verarbeitet

Impulsgebend für die künstlerisch arrangierten Wiedergaben von Personen, visuellen Motiven und Text-Fragmenten war eine Sammlung von etwa 70 historischen und zeitgenössischen Lebensgeschichten. Einige dieser Personen waren Opfer nationalsozialistischer Verfolgung, während andere vor repressiven Regimen geflohen sind und jetzt an der Universität Graz studieren oder forschen, wie Projektleiter Gerald Lamprecht vom Zentrum für jüdische Studien schilderte.

„Für uns ist es wichtig, im unternehmerischen Veränderungstempo die sichtbaren Schattenseiten der Vergangenheit im Gebäude nicht unkommentiert zu lassen“, erklärte am Montag Unicorn-Geschäftsführer Bernhard Weber. Mit dem Kunstwerk werde „ein Kontext gesetzt, der uns in der täglichen Arbeit begleitet und uns wach hält, damit wir die gesellschaftlichen Entwicklungen nicht aus den Augen verlieren“, wie er das Kunstwerk kommentierte.

Fresken für rund 50 Jahre vergessen

Nach Kriegsende ging es mit dem Fresko in der Schubertstraße so wie vielen Hinterlassenschaften aus der NS-Zeit: Es wurde übermalt und bot keinen Anlass mehr, sich länger mit dem Schatten der unrühmlichen Vergangenheit auseinandersetzen zu müssen. Sein Wiederauftauchen im Jahr 1997 war ungewollt. Jedenfalls ging man nach einer längeren Schrecksekunde produktiver damit um, als es wiederum einfach nur verschwinden zu lassen: Nach einer Idee des Künstlers Richard Kriesche wurden Glasplatten mit einem erinnerungspolitischen Text des Zeithistorikers und damaligen Rektors Helmut Konrad überlagert.