Gericht

Mutter wollte eigenes Kind töten: 20 Jahre Haft

In Graz ist am Dienstag eine 42-Jährige vor Gericht gestanden, die vor einem Jahr ihren damals vierjährigen Sohn mit einem Küchenmesser schwer verletzt hat. Das Urteil: 20 Jahre Haft wegen versuchten Mordes. Die Angeklagte wird außerdem in ein forensisch-therapeutisches Zentrum eingewiesen.

„Das ist mit großem Abstand das Furchtbarste, das ich je gesehen habe“, meinte der Richter gleich zu Beginn der Verhandlung. Die Beschuldigte kam nach Österreich, weil sie sich endlich von ihrer Familie in der Slowakei befreien wollte. Ein paar Jahre arbeitete sie als Altenpflegerin, 2016 zog sie nach Graz, wo sie einen Afghanen kennenlernte und 2017 ein Kind bekam; sie lebte völlig zurückgezogen und litt unter Depressionen.

„Wollte mit allem abschließen“

2022 teilte ihr Freund ihr mit, er werde eine andere Frau heiraten und nach Oberösterreich ziehen. Am 31. Mai wollte sie dann nach eigenen Angaben „mit allem abschließen“: Sie nahm ein Messer, ging zu ihrem schlafenden Kind und schnitt ihm die Pulsadern auf – die Schnitte waren laut Anklägerin sehr tief. Dann schnitt sie sich selbst in einen Unterarm. Sie trug das stark blutende Kind ins Bad und legte es in die Duschtasse. „Mir ist kalt“, soll der Bub gesagt haben, also holte sie seine Decke und deckte ihn zu.

Die Angeklagte
APA/KARIN ZEHETLEITNER
Die Angeklagte

Anschließend ging sie zur Nachbarin und wollte ihre Mutter anrufen. Die Frau verständigte dann die Rettung, lief in die Nebenwohnung und leistete bei dem stark blutenden Kind Erste Hilfe – mehr dazu in Mutter stach auf fünfjährigen Sohn ein (31.5.2022). Der Bub konnte durch eine vierstündige Operation gerettet werden, die Verletzungen haben Dauerschäden an den Händen hinterlassen. „Die psychischen Verletzungen sind genauso schlimm“, betonte die Staatsanwältin.

„Sie haben nie gesagt, dass es Ihnen leidtut“

Tatmotiv war die „Unzufriedenheit mit ihrem Leben ohne Job und Freunde“, meinte die Staatsanwältin weiter. Die Angeklagte sagte, sie habe keine Zukunft mehr für sich und das Kind gesehen: „Ich hatte viele Probleme und wollte sterben.“ Das Kind zu ihrer Familie zu bringen, sei keine Lösung für sie gewesen. „Ich wollte sterben und meinen Sohn mitnehmen.“

Doch nachdem sie das blutende Kind ins Bad gelegt hatte, ging sie zur Nachbarin und wollte ihre Mutter anrufen, von der Rettung war zunächst keine Rede. „Warum wollten Sie nicht mehr sterben? Als Ihr Sohn im Sterben lag?“, ließ der Richter nicht locker und stellte fest, dass sie bis jetzt keinerlei Reue gezeigt habe: „Sie haben nie gesagt, dass es Ihnen leidtut“, bemerkte der Vorsitzende.

Richter zu Zeugin: „Ich kann nur Danke sagen“

Während sich der Lebensgefährte und Vater des Buben der Aussage entschlug, wurde die Nachbarin der Angeklagten, eine Studentin, als Zeugin gehört. Sie schilderte, wie die 42-Jährige bei ihr angeläutet hatte und sich ihr Handy ausborgen wollte, um die Mutter anzurufen. Sie erreichte sie aber nicht gleich, also versuchte sie es nach einigen Minuten erneut.

Die Nachbarin bemerkte dann die Wunde am Arm und erkundigte sich, ob vielleicht mit dem Kind etwas passiert sei. „Sie hat gesagt, mit ihrem Sohn ist etwas Schreckliches passiert.“ Rettung wollte sie keine, doch die Studentin bestand darauf, ärztliche Hilfe zu holen. Dann ging sie in die Nebenwohnung und fand in der Duschtasse das blutende Kind. „Sie hat geschrien, ich darf nicht in die Wohnung“, erzählte die Zeugin, die sich aber nicht daran hielt. „Ich habe versucht, die Wunden abzudrücken, bis die Rettung gekommen ist“, beschrieb sie die Situation.

„Ich kann nur Danke sagen – ohne Sie wäre der Kleine nicht mehr am Leben“, sagte der Richter zur Zeugin. Der Bub lebt heute bei einer Tante in Niederösterreich.

Gutachter: „Herabgesetzt zurechnungsfähig“

Der psychiatrische Sachverständige stufte die Beschuldigte als „herabgesetzt zurechnungsfähig“ ein: Sie weise eine kombinierte Persönlichkeitsstörung auf und habe damals eine „schwere depressive Episode“ durchgemacht. Da sie die Tat verdränge, sei das Risiko auf Wiederholung erhöht, betonte der Gutachter.

Die 42-Jährige musste sich wegen versuchten Mordes verantworten – und wurde von den Geschworenen einstimmig für schuldig befunden. Das Urteil – 20 Jahre Haft, zudem Einweisung in eine forensisch-therapeutische Einrichtung – ist noch nicht rechtskräftig.

Hilfe bei Suizidgedanken

Vier von fünf Österreichern haben laut Statistik schon einmal darüber nachgedacht, sich das Leben zu nehmen. Mehr als doppelt so viele Menschen wie bei Verkehrsunfällen sterben jedes Jahr durch Selbstmord – und die Steiermark liegt bundesweit an der Spitze. Für Menschen in seelischen Ausnahmezuständen gibt es unter folgenden Telefonnummern Anlaufstellen, die Hilfe rasch und unkompliziert anbieten:

  • Telefonseelsorge: 142 (ohne Vorwahl)
  • Rat auf Draht: 147 (ohne Vorwahl)
  • PsyNot: 0800 44 99 33
  • Schuldnerberatung: (0 316) 37 25 07

Darüber hinaus gibt es zahlreiche Hilfsangebote für von Gewalt betroffene Frauen, aber auch für Männer, die Rat brauchen.